Sondierungsgespräche „Jetzt heißt es: Ran an die Arbeit!“

Berlin · Union, FDP und Grüne treffen sich erstmals zu Sondierungsgesprächen. Alle sind zuversichtlich, aber der Weg dürfte steinig werden.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer sind zuversichtlich, dass die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition erfolgreich sein werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer sind zuversichtlich, dass die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition erfolgreich sein werden.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

() Ganz so viel Gemeinsamkeit mit den Grünen wollen Angela Merkel und Horst Seehofer zum Start in die Jamaika-Sondierungen dann doch nicht demonstrieren. Sie halten sich abseits, während ein paar Meter weiter die Grünen-Chefunterhändler Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir ihre Mindestziele in die Kameras sprechen. Als Merkel und Seehofer etwas später ihre State­ments abgeben, demonstrieren die lange tief zerstrittenen Vorsitzenden ziemlich viel Einigkeit – Unterschiede liegen in den Nuancen. Von einer „Vielzahl von Differenzen“ spricht die Kanzlerin, um dann direkt grundsätzliche Kompromissbereitschaft zu signalisieren. Über allem müsse aber die Frage stehen: „Was erwarten die Menschen in diesem Land von uns?“ Sprich: Auch jene, die zu den Rechtspopulisten von der AfD abgewandert sind. Es müsse ausgelotet werden, ob Union, FDP und Grüne „eine Regierung bilden können, die das, was für dieses Land wichtig ist, für Arbeitsplätze, für Sicherheit im umfassenden Sinne, auch liefern kann“. Merkel ergänzt: „Und jetzt heißt es: Ran an die Arbeit!“

Seehofer hat da einen etwas anderen Zungenschlag: Man müsse antworten „auf die Fragen und Signale, die uns die Wähler am 24. September gegeben haben“. Genau das ist es, was er und seine CSU der Kanzlerin seit der Bundestagswahl vorgeworfen haben: Dass sie nicht klar genug „Wir haben verstanden“ in Richtung der Wähler signalisiert habe, sondern eher ein „Weiter so“. Als Seehofer mit einem „Ich bin zuversichtlich“ schließt, mag Merkel ihm das letzte Wort anscheinend nicht gönnen – und sagt rasch „Ich auch“.

Ob die so unterschiedlichen Möchte-Gern-Jamaikaner hinter verschlossenen Türen tatsächlich mehr Einendes als Trennendes finden? FDP-Chef Christian Lindner und die Grünen-Spitze aus der Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckardt und Parteichef Özdemir betonen jedenfalls zum Start der Verhandlungen unisono: die Gespräche würden ergebnisoffen geführt. Lindner spricht von einer „Kleeblattkonstellation“ und meint, ein „vierblättriges Kleeblatt könnte ein Glücksfall für Deutschland sein – ist ja allerdings sehr selten“. Özdemir sagt, man wolle den anderen zuhören, die eigene Linie aber selbstbewusst vertreten. Die Kunst bestehe darin, „zu schauen, ob am Ende alle drei den Tisch verlassen können mit dem Gefühl, dass es gemeinsam trägt für vier Jahre“.

Die Politik der abgewählten großen Koalition von Merkel wollen sie auf keinen Fall weiterführen, machen Gelbe und Grüne klar – wenn die AfD wieder klein gemacht werden solle, müsse es eine ganz andere Politik als die von Schwarz-Rot geben, argumentiert Lindner. Das geht unverblümt auch an die Adresse der Kanzlerin.

Als Merkel und die anderen dann im Kaisersaal der Parlamentarischen Gesellschaft Platz nehmen, folgen sie einer fein austarierten Sitzordnung. Direkt gegenüber der Kanzlerin sitzt Lindner, gegenüber von Seehofer Katrin Göring-Eckardt – bisher eine Lieblings-Gegnerin der CSU.

Was nach der Begrüßung durch die Kanzlerin folgt, beschreiben Insider als typisch Merkel’sches Verfahren für schwierige Fälle. Alle Seiten benennen Hauptprobleme, nacheinander und in den zwölf zentralen Themenblöcken. Nur insgesamt 20 Minuten sind für die einzelnen Ober-Themen eingeplant – wenig angesichts der vielen Knackpunkte.

Am Ende will die Runde festgelegt haben, welche Themen nächste Woche aufgetischt werden. Gut möglich, dass am Dienstag einer der dicksten Brocken aufgerufen wird: „Finanzen, Haushalt, Steuern“. Es sei sinnvoll, dass sich die Jamaika-Runde gleich am Anfang über den Finanzrahmen verständige – und Fragen wie die nach der „Schwarzen Null“ im Haushalt kläre, sagt ein Unions-Mann – sprich: ob Jamaika keine neuen Schulden machen wolle.

Auf der Jamaika-Themen-Liste stehen echte Klopper: Neben den Finanzen Europa, „Klima, Energie, Umwelt“ auch „Flucht, Asyl, Migration, Integration“. Überall könnte es ganz schön krachen. Auch für diesen Fall ist im Kaisersaal vorgesorgt: Direkt hinter dem Platz Spahns ist ein Notausgang.

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