Nach „Werkstattgespräch“ Die CDU setzt auf „Humanität und Härte“

Berlin · Nach ihrem „Werkstattgespräch“ zur Flüchtlingspolitik legt die Parteiführung Vorschläge auf den Tisch – in deutlichem Ton.

Flüchtlinge kommen im Herbst 2015 in Bayern an. Eine Situation wie damals dürfe sich nicht mehr wiederholen, betont die CDU-Spitze um Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrem Beschluss.

Flüchtlinge kommen im Herbst 2015 in Bayern an. Eine Situation wie damals dürfe sich nicht mehr wiederholen, betont die CDU-Spitze um Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrem Beschluss.

Foto: dpa/Armin Weigel

 Es ist ein Wohlfühltermin für Angela Merkel, wie es ihn nur selten im Regierungsalltag gibt. Als „Blumenfee“ Lea Ehlers Merkel im Kanzleramt den bunten Blumengruß mit Ranunkeln, Hyazinthen und Forsythienzweigen des Zentralverbands Gartenbau zum Valentinstag überreicht, wirkt Merkel gelöst. Anderswo wäre das vielleicht nicht so gewesen. Keine zwei Kilometer Luftlinie entfernt brüten zu dieser Zeit am gestrigen Montag noch gut 100 Parteifreunde, Praktiker und Wissenschaftler im Adenauerhaus über den Resultaten eines zweitägigen „Werkstattgespräches“.

Bei dem Treffen geht es um das Thema, mit dem Merkel und der damalige CSU-Chef Horst Seehofer beinahe die Unionsehe und noch dazu auch die ohnehin labile Groko gesprengt hätten. Und es geht darum, zu verhindern, dass das schwierige Migrations-Erbe Merkels zum Trauma der Union wird. So wie die Hartz-IV-Reformen des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder für die Sozialdemokraten.

Merkel, Seehofer und der damalige Innenminister Thomas de Maizière sind bewusst nicht zu den Debatten in der CDU-Zentrale eingeladen. Hinter der Entscheidung steckt ein Kalkül von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer: Sie will eine offene Debatte ermöglichen – und verhindern, dass der persönliche Streit zwischen Merkel und Seehofer wieder aufflammt. Vor einem Tribunal für die Kanzlerin haben sie in der CDU vor dem Treffen gewarnt – auch eine solche Schmach wollte AKK ihrer Förderin Merkel gerne ersparen.

Ein Tribunal für Merkel ist es dann nicht geworden. Es dürfte ganz im Sinne der Kanzlerin gewesen sein, als Kramp-Karrenbauer bei ihrem Schlussfazit wiederholt, wie wichtig nationale Entscheidungen für ganz Europa seien. Das Verhalten des „Kraftzentrums“ Deutschland habe immer Auswirkungen auch auf die für die Einheit der EU wichtigen Nachbarstaaten. Das dürfte als Seitenhieb auf Seehofer gedacht gewesen sein, der im vergangenen Sommer mit seinem Plädoyer für einen nationalen Alleingang an den deutschen Grenzen das Zerwürfnis zwischen CDU und CSU vorangetrieben hatte.

Auch eine wenig versteckte Kritik an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bringt Kramp-Karrenbauer unter. Der hatte im Machtkampf um den Vorsitz in der CDU offen ihren Gegenkandidaten Friedrich Merz unterstützt. Die Premiere des „Werkstattgespräches“ sei wirklich gelungen, schwärmt Kramp-Karrenbauer. Obwohl man im Vorfeld ja Zweifel gehört habe, ob solch ein Format nötig sei. Schäuble hatte schon vor Wochen klar gemacht, wie wenig er von AKKs Vorhaben hält. Es sei 2015 nicht rechtzeitig gelungen, „in der weltweiten Kommunikation die Balance zwischen Hilfsbereitschaft und der Begrenztheit unserer Mittel herzustellen“, sagte er in einem Interview. „Das sollte heute unumstritten sein – bei allem Respekt, da braucht es keine Aufarbeitungskommission.“

Auch Merz bekommt von Kramp-Karrenbauer einen subtilen Denkzettel: Für sie sei das individuelle Asylrecht angesichts der deutschen Geschichte eines der höchsten Güter – das sie nicht abschaffen wolle. Zugleich fand die Saarländerin indes harte Worte für jene, die das Asylrecht missbrauchen: „Wir sind kein Rechtsstaat, der sich auf der Nase herumtanzen lässt.“ Die Deutlichkeit wird auch den besonders Konservativen in CDU und CSU gefallen haben.

Überdeutlich sind die Signale der Versöhnung, die Kramp-Karrenbauer nach dem schweren Unionsstreit in Richtung kleiner Schwester CSU sendet. Gemeinsam sei man in der Lage, den verunsicherten Menschen in Deutschland eine Kombination aus Humanität und Härte im Umgang mit Migranten zu vermitteln. So könne man dazu beizutragen, dass das Thema Migration „nicht zum Spaltpilz in der Gesellschaft wird“.

Ein „Migrationsmonitoring“ soll nach dem Willen der Parteiführung künftig früh auf „Migrationsbewegungen und entstehende Brennpunkte“ hinweisen. Im Abschlusspapier finden sich auch Schlagworte wie mehr EU-Grenzschutz, mehr Härte bei Abschiebungen, mehr Strafen für „Integrationsverweigerer“. Alles müsse daran gesetzt werden, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederhole, versichert die CDU-Chefin. „Wir müssen deutlich machen: Wir haben unsere Lektion gelernt.“ Auch das ist wohl eine Botschaft Richtung Bayern: Seehofer hatte im Streit mit Merkel immer wieder kritisiert, die Kanzlerin habe den Menschen nicht klar genug gemacht: „Wir haben verstanden.“

Ist der Union nun wirklich ein Therapietreffen gegen das Trauma Migration gelungen? Selbst ausgewiesene Merkel-Kritiker sprechen von einem wichtigen ersten Schritt. Allerdings müsse jetzt auch geliefert werden.

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