Berlin/Düsseldorf Rechtsbruch im Fall Sami A.?

Berlin/Düsseldorf · Ging bei der Abschiebung des Islamisten nach Tunesien alles mit rechten Dingen zu? Nicht nur ranghohe Politiker bezweifeln das.

 Wegen der Abschiebung von Sami A. unter Beschuss: NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP).

Wegen der Abschiebung von Sami A. unter Beschuss: NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP).

Foto: dpa/Marius Becker

Die Abschiebung des Islamisten Sami A. nach Tunesien löst weiterhin heftige Diskussionen aus. Grünen-Chef Robert Habeck sprach von Rechtsbeugung. Die Bundes-FDP nahm hingegen den nordrhein-westfälischen Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) in Schutz. Die Landesregierung in Düsseldorf muss sich an diesem Freitag im Landtag Fragen zu dem Fall stellen. SPD und Grüne hatten eine Sondersitzung des Rechtsausschusses beantragt; die Oppositionsfraktionen vermuten einen Rechtsbruch und wollen dem Verdacht nachgehen, dass die Rückführung nur gelingen konnte, weil Bundes- und Landesbehörden das zuständige Gericht getäuscht haben.

Sami A. wird als Gefährder eingestuft, dem die Sicherheitsbehörden eine schwere Straftat wie einen Anschlag zutrauen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatte am Donnerstagabend entschieden, dass Sami A. weiterhin nicht abgeschoben werden dürfe, weil nicht auszuschließen sei, dass ihm in Tunesien Folter drohe. Jedoch übermittelte es den Beschluss erst am Freitagmorgen, als das Flugzeug schon in der Luft war.

Ein Gerichtssprecher erklärte, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe zuvor den Eindruck erweckt, es werde abwarten, bis das Gericht entschieden habe. Es verlangt nun, dass S. aus Tunesien zurückgeholt wird. Dagegen will das Flüchtlingsministerium NRW Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Münster einlegen.

Der Islamist sei voreilig in sein Heimatland geflogen worden, sagte Grünen-Chef Habeck im ZDF-„Morgenmagazin“. Es gebe noch großen Klärungsbedarf. „Entweder die Behörden arbeiten nicht gut zusammen, es herrscht Chaos, oder es gibt eine Art Weisung von oben“, sagte er. Das Bundesinnenministerium und das Bamf hätten gewusst, dass ein Gerichtsverfahren ausstehe, sagte Habeck. Die FDP stellte sich hingegen hinter Stamp. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sagte: „Wir brauchen mehr Politiker, die den Rechtsstaat tatsächlich durchsetzen und weniger, die nur darüber reden.“ Stamp habe im Rahmen von Recht und Gesetz gehandelt. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sieht ein grundsätzliches Problem: „Wenn die Gerichte sich nicht mehr darauf verlassen können, dass die Behörden ihnen gegenüber die Wahrheit erklären, dann sieht es dunkel aus in Deutschland.“

Stamp hatte die Abschiebung von Sami A. verteidigt. Am Montag erklärte er, zum Zeitpunkt des Fluges habe keine gerichtliche Entscheidung vorgelegen, die der Abschiebung entgegengestanden hätte. Innenminister Horst Seehofer (CSU) äußerte sich bislang nicht zu dem Fall. Ein in Düsseldorf geplantes Treffen Seehofers mit Stamp war überraschend abgesagt worden.

Sami A. sitzt zurzeit in Tunesien in Gewahrsam. Er antwortete auf Fragen, die die „Bild“-Zeitung über dessen tunesischen Anwalt an ihn übermittelt hatte: „Um drei Uhr früh haben sie mich einfach mitgenommen.“ Und weiter: „Ich habe der Polizei gesagt: Das geht so nicht, ein Gericht hat meine Abschiebung untersagt! Aber sie haben gesagt, dass das von ganz oben kommt und ich nichts dagegen tun könne.“ Ihm sei auch Kontakt zu seinem Anwalt verweigert worden.

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisierte die Rolle des Bamf scharf. Es werde immer klarer, dass das Bamf im gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen getäuscht habe, erklärte DAV-Präsident Ulrich Schellenberg.

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