Ende der Geduld Regierung ruft Türkei-Reisende zu „erhöhter Vorsicht“ auf

Berlin/Saarbrücken · Bis hierhin und nicht weiter: Berlin reißt angesichts einer immer bedrohlicheren Menschenrechtslage in der Türkei der Geduldsfaden.

 Den Kurswechsel in der Türkei-Politik verkündete Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern allein – allerdings ausdrücklich nach vorheriger Abstimmung in der schwarz-roten Koalition.

Den Kurswechsel in der Türkei-Politik verkündete Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern allein – allerdings ausdrücklich nach vorheriger Abstimmung in der schwarz-roten Koalition.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach monatelangen Appellen zur Mäßigung hat die Bundesregierung in der schweren diplomatischen Krise mit der Türkei eine neue Eskalationsstufe eingeleitet – mit möglicherweise gravierenden Folgen für den Tourismus und die Wirtschaft des Landes. Als Reaktion auf die Verhaftung des Menschenrechtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher verschärfte das Auswärtige Amt gestern seine Reisehinweise für das beliebte Urlaubsland. Türkei-Reisenden werde jetzt zu „erhöhter Vorsicht“ geraten, sagte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gestern.

Neu ist, dass sich das Auswärtige Amt anders als bislang an alle deutschen Türkei-Besucher wendet. In den neuen Sicherheitshinweisen heißt es wörtlich: „Personen, die aus privaten oder geschäftlichen Gründen in die Türkei reisen, wird zu erhöhter Vorsicht geraten.“ Zudem wird empfohlen, sich auch bei kurzzeitigen Aufenthalten in der Botschaft und den Konsulaten in eine Liste einzutragen. Bislang galt dieser Hinweis lediglich für Menschen, die „nicht zu touristischen Zwecken in die Türkei reisen“.

Wie Gabriel weiter mitteilte, stellt Deutschland auch die staatliche Absicherung von Türkei-Geschäften durch Bürgschaften auf den Prüfstand. Investitionskredite und Wirtschaftshilfen müssten ebenso wie EU-Unterstützung für den möglichen Beitrittskandidaten überdacht werden, sagte der Minister. Von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erhielt Gabriel Rückendeckung für die Neuausrichtung der Türkei-Politik: Die Maßnahmen seien „angesichts der Entwicklung notwendig und unabdingbar“.

Mit Blick auf die Verhaftungen betonte Gabriel: „Wer unbescholtene Besucherinnen und Besucher seines Landes unter wirklich hanebüchenen, ja abwegigen Beschuldigungen festnimmt und in Untersuchungshaft verbringen lässt, der verlässt den Boden europäischer Werte.“ Ein Sprecher von Präsident Recep Tayyip Erdogan warf der Bundesregierung daraufhin versuchte Einflussnahme auf die türkische Justiz vor. Er verurteilte auch die neuen Reisehinweise. Die feindselige Einstellung gegenüber Erdogan habe in Deutschland „das Niveau von Verfolgungswahn“ erreicht. Reisehinweise veröffentlicht das Auswärtige Amt im Internet für jedes Land und aktualisiert sie regelmäßig. Die schärfere Stufe ist eine Reisewarnung, bei der es um eine konkrete Gefahr für Leib und Leben geht.

Neben Politikern von FDP und CSU sprach sich gestern auch der saarländische SPD-Bundestagskandidat Esra Limbacher für eine sofortige Beendigung der EU-Beitrittsverhandlungen aus. „Gerade für einen Nato-Verbündeten und EU-Beitrittskandidaten ist es beschämend, wie hier Freiheit und Grundrechte mit Füßen getreten werden“, sagte er.

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