„Bisher sieht keine Umfrage Marine Le Pen als Siegerin“

Paris · Frédéric Dabi vom Meinungsforschungsinstitut Ifop erklärt, warum die Präsidentschaftswahlen in Frankreich diesmal so spannend werden

 Frédéric Dabi, Vize-Generaldirektor des Meinungsforschungsinstituts ifop Foto: Ifop

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Stehen wir vor den unsichersten Wahlen seit Jahrzehnten?

DABI Diese Wahlen haben kaum etwas mit den vorangegangen gemeinsam. Es gibt keinen Präsidenten, der noch einmal antritt, keine klare Zweiteilung in rechts und links. Die Kandidaten der beiden Parteien, die bisher die Präsidenten gestellt haben, könnten schon in der ersten Runde ausscheiden: François Fillon für die Konservativen und Benoît Hamon für die Sozialisten. Dazu kommt noch eine mögliche Rekord-Wahlenthaltung.

Könnte Marine Le Pen denn die Wahl gewinnen?

DABI Sie hat gute Chancen, sich für die Stichwahl zu qualifizieren, doch die zweite Runde bleibt für den Front National sehr schwierig. Sie liegt derzeit bei 40 Prozent der Wahlabsichten in einem möglichen Duell gegen Emmanuel Macron und damit doppelt so hoch wie ihr Vater 2002 (in der Stichwahl gegen Jacques Chirac). Das Referendum gegen Le Pen, das damals stattfand, könnte in diesem Jahr zu einem Referendum für oder gegen Europa werden. Bisher sieht keine einzige Umfrage Le Pen als Siegerin.

Wie sicher ist Macrons Einzug in die zweite Runde?

DABI Macron erreicht laut den Umfragen mit rund 25 Prozent klar die Stichwahl. Aber seine Wähler sind sich ihrer Entscheidung noch nicht sicher. Seine Herausforderung liegt darin, sie an sich zu binden.

Wer sind die Wähler Macrons?

DABI Er hat viele Wähler, die vor fünf Jahren für François Hollande gestimmt haben und für die der sozialistische Kandidat Benoît Hamon zu weit links steht. Sie machen bis zu 50 Prozent seiner Wählerschaft aus. Auch viele konservative Wähler, die sich 2012 für Nicolas Sarkozy entschieden hatten, sind inzwischen für Macron. Er ist eine Art Sammelbecken für alle. Diejenigen, die für ihn stimmen, wollen eine Stichwahl zwischen François Fillon und Marine Le Pen vermeiden.

Gehen die Franzosen nach den vielen Affären des Wahlkampfs überhaupt wählen?

DABI Rund ein Drittel der Franzosen will nicht wählen gehen. Entweder, weil sie der Ansicht sind, dass ihre Stimme ohnehin nichts an ihrer Situation ändert. Oder weil sie bedauern, dass durch die Affären kein echter Wahlkampf mehr stattfindet. Es kann aber sein, dass die Wähler sich in den letzten Tagen vor der Wahl doch noch mobilisieren lassen.

Für wen stimmen speziell die Jugendlichen dieses Mal?

DABI Emmanuel Macron und Marine Le Pen teilen sich die Wahlabsichten der 18- bis 24-Jährigen. Le Pen hat die Stimmen der Schüler und der Jugendlichen auf dem Land, Macron die der Studenten und der Jugendlichen in den Großstädten.

Warum ist Le Pen hier so stark?

DABI Die Schüler kennen die Geschichte des Front National nicht hinreichend. Für sie hat der FN nichts Gefährliches. Außerdem wählen die Jugendlichen immer stärker wie die Erwachsenen. Das Wahlverhalten der Jugendlichen hat sich dem der Mehrheit der Franzosen angepasst.

Die Fragen stellte Christine Longin

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