Syrischer Arzt Wie ein SZ-Gastbeitrag zu einer Anzeige bei der Polizei führte

Saarbrücken · Vor zwei Wochen schilderte der Syrer Majd Abboud seine negativen Erfahrungen mit Landsleuten in Deutschland. Daraufhin wurde er im Netz massiv attackiert.

 Der syrische Zahnarzt Majd Abboud warnte in seinem Gastbeitrag auch vor dem politischen Islam.

Der syrische Zahnarzt Majd Abboud warnte in seinem Gastbeitrag auch vor dem politischen Islam.

Foto: Majd Abboud

„Syrisches Schwein“, „Nestbeschmutzer“ und „Adolfs Helfershelfer“ sind noch die harmloseren Posts, die Majd Abboud über Facebook nach Veröffentlichung seines Gastbeitrags erreicht haben. In der SZ-Ausgabe vom 14./15. Juli (Standpunkt) schrieb der 42-Jährige über seine Erfahrungen als syrischer Flüchtling in Deutschland und vertrat dabei die Position, dass sich viele Syrer nicht integrieren wollten. Für seine Analyse (abrufbar unter https://www.saarbruecker-zeitung.de/die-undankbarkeit-vieler-syrer-ist-mir-peinlich_aid-23932349) bekommt er Zuspruch und Kritik gleichermaßen – letztere erreicht jedoch eine Dimension, die ihn zwei Tage später veranlasst, eine Polizeiwache aufzusuchen.

Die einen werfen ihm vor, rechtsextreme Positionen zu verbreiten, die anderen sehen in ihm einen „Verräter“ und Gehilfen des Assad-Regimes. „Ich habe keine Partei ergriffen. Ich habe mit meinem Beitrag für die Flüchtlinge gesprochen, die sich gut integrieren wollen“, sagt Abboud zwei Wochen danach.

Die verbalen Angriffe gegen ihn kommen auch von einst in der Öffentlichkeit stehenden Persönlichkeiten wie Manfred Petry, bis Mitte 2017 Vorsitzender der Islamischen Gemeinde Saar. Petry postet Abbouds Beitrag auf seiner Facebook-Seite mit dem Anreißer: „Wer kennt diesen Nestbeschmutzer?“ In der Kommentarleiste stehen Sätze wie „Dieses syrische Schwein war ein Anhänger des syrischen Regimes.“ Konfrontiert mit diesem Vorgang, gibt Petry offen zu, den Beitrag verfasst zu haben und steht auch nach wie vor zu der Formulierung „Nestbeschmutzer“ („Er ist doch nichts anderes“). Abbouds Aussagen seien Lügen, er sei nur ein Anhänger des Assad-Regimes, der seine Landsleute diskreditieren wolle. „Dass er es so darstellt, als träfen seine Behauptungen auf die Mehrheit der Syrer zu, ist eine Unverschämtheit.“

Nicht nur Einzelpersonen wie Petry verbreiten Abbouds Text. Der kursiert bald auch in diversen Foren und Facebook-Gruppen wie etwa dem „Syrischen Haus in Deutschland“. Dort sind die Kommentare meist auf Arabisch – und der Ton entschieden derber. In den Kommentarspalten entlädt sich der blanke Hass gegen einen „abtrünnigen“ Mitbürger. Die Screenshots – ganze 15 Seiten stellt Abboud der Polizei zur Verfügung – wimmeln nur so von vulgären Beleidigungen gegen Mutter und Schwester. Direkte Bedrohungen wie „Du wirst noch dran sein“ inklusive. Die meisten dieser arabisch- und türkischstämmigen Kommentatoren werfen ihm vor, ein Sprachrohr der syrischen Regierung zu sein. Ein Vorwurf, den Abboud entschieden von sich weist.

Seine Akte liegt mittlerweile beim Staatsschutz. Wie das Landespolizeipräsidium auf SZ-Anfrage mitteilt, werden derzeit die arabischen Kommentare übersetzt und geprüft. „Nach erster Bewertung könnten die Tatbestände Beleidigung und Bedrohung verwirklicht sein“, heißt es in der Stellungnahme. Es lägen „erste Ermittlungsansätze“ vor, jedoch könne die Polizei noch keine Aussage über die Erfolgsaussichten machen. Im Falle einer Überführung droht den Tätern laut Strafgesetzbuch eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Landespolizei-Sprecher Georg Himbert gibt zu bedenken, dass es nicht immer einfach sei, die Autoren zu ermitteln, da viele auch nicht mit echtem Namen auf Facebook unterwegs seien.

Viel Zuspruch bekommt Abboud dagegen von rechts: So hat beispielsweise die „Epoch Times“, deren Inhalte immer wieder auf Plattformen der AfD auftauchen, aus den Aussagen im Gastbeitrag ein Video zusammengeschnitten und den Beitrag auf ihrer Seite geteilt. Auch die „Politikstube“ entdeckt Abbouds Kritik an der Flüchtlingspolitik für sich. Eine Webseite, auf der das Wort Flüchtlinge konsequent in Anführungsstriche gesetzt wird, auf der von „Asylirrsinn“ die Rede ist und der Kapitän des Rettungsschiffs Lifeline als „Schlepper-Kapitän“ betitelt wird.

Der Applaus aus der rechten Ecke überrascht Mohammad Alhaies nicht. Der 17-jährige Gymnasialschüler aus Rheinland-Pfalz lässt der SZ bereits am Tag der Veröffentlichung eine wütende, aber weitestgehend sachliche Kritik an Abbouds Ausführungen zukommen. „Die Meinungsfreiheit hat ein Ende, wenn sie die Würde anderer Menschen verletzt“, schreibt der junge Mann, der selbst Ende 2015 aus Syrien nach Deutschland geflohen ist. Am Telefon erklärt er, dass Abbouds Beitrag sich für ihn so lese, als wolle sich kein Syrer integrieren. Das sei pauschal und verletzend.

Aus Abbouds Sicht haben die Reaktionen auf seinen Artikel das bestätigt, was er anprangert und glaubt, zunehmend wahrzunehmen: ein Bröckeln der Meinungsfreiheit.

Um die macht sich auch die ehrenamtliche Flüchtlingshelferin Christine Sauer Sorgen, die Abboud seit Januar 2016 kennt. Sie sagt: „Demokratie bedeutet auch, dass ich auch andere Meinungen respektiere. Die Reaktionen zeigen, dass das von vielen noch nicht erlernt wurde.“

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