Interview Christophe Arend „Wir brauchen einen klaren Ansprechpartner in Berlin“

Saarbrücken · Christophe Arend vertritt den Bezirk Forbach in der Nationalversammlung und ist Vorsitzender der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe.

 Christophe Arend sitzt für den Wahlbezirk Forbach in der französichen Nationalversammlung. Foto: Assemblée Nationale

Christophe Arend sitzt für den Wahlbezirk Forbach in der französichen Nationalversammlung. Foto: Assemblée Nationale

Foto: Assemblée Nationale

Herr Arend, würden Sie sagen, dass die Qualität der deutsch-französischen Beziehung von den Menschen abhängt, die für sie einstehen?

Arend: Seit dem Elysée-Vertrag wurde die Beziehung zwischen unseren beiden Ländern von berühmten deutsch-französischen „Paaren“ geprägt. Natürlich ist die Einigung zwischen beiden Staatschefs ausschlaggebend, um neue Impulse für eine verstärkte Kooperation zu geben. Seit der Wahl von Emmanuel Macron berichten die Medien beidseits der Grenze übrigens von der Rückkehr des deutsch-französischen Motors. Dies wird außerdem durch die Parlamente verstärkt. Daran habe ich bereits viel mit meinem Kollegen und Freund Andreas Jung (der Vorsitzende der Deutsch-Französischen Parlamentariergruppe im Bundestag) gearbeitet. Dazu darf man das große Engagement der Zivilgesellschaft nicht vergessen. Ohne sie könnte nichts umgesetzt werden. Dieser neue Elysée-Vertrag gibt Institutionen und Einrichtungen wie den Parlamenten, dem Deutsch-Französischen Jugendwerk und den Hochschulen noch mehr Raum.

Die Kooperation zwischen beiden Ländern ist ein breites Feld. Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Baustelle, die bereits 2018 angepackt werden soll, und durch welche konkreten Maßnahmen?

Arend: 2018 wird für Europa ein entscheidendes Jahr. Wir müssen den Bürgern besser zeigen, welche Vorteile die europäische Integration und die deutsch-französische Kooperation in ihren Alltag bringen. Mit der gemeinsamen Resolution beider Parlamente hoffe ich, dass wir in manchen Gebieten mehr Raum für Pilotprojekte und für eine Harmonisierung des Rechtes bekommen. Das sollte über die Eurodistricte und in jedem Bereich erfolgen: Gesundheitswesen, Bildung, Arbeitsmarkt, Umwelt. Ich habe vor, thematische Arbeitsgruppen mit Experten zu gründen, damit wir die Umsetzung solcher Maßnahmen beschleunigen können. Die Prioritäten sind die Harmonisierung der Berufsausbildung, um die Mobilität zu steigern, und das Erlernen der Nachbarsprache.

Die gemeinsame Resolution beider Parlamente betont, wie wichtig es ist, grenzüberschreitende Verkehrsnetze zu entwickeln. Bei uns hingegen wurde die Zahl der Schnellzüge zwischen Paris und Saarbrücken reduziert und St. Avold hat sich von der grenzüberschreitenden Buslinie MS zurückgezogen. Kann man diesen Trend noch umkehren?

Arend: Verkehrsmittel sind die Ader einer Region und tragen zu ihrer Dynamik bei. Man kann die grenzüberschreitende Kooperation also nicht stärken, wenn man die Infrastruktur abschafft, die eine Verbindung zwischen beiden Ländern im Grenzraum herstellt. Es stimmt schon, dass die Kosten solcher Linien regelmäßig in Frage gestellt werden. Sie sind aber unerlässlich und werden zudem jeden Tag von zahlreichen Pendlern benutzt. Der Eurodistrict muss sein Verkehrsnetz global überarbeiten. Heute müssen die Akteure auf beiden Seiten der Grenze im Klaren sein, wie wichtig Verkehrsmittel für die Vitalität einer Region sind. Wir werden schnell eine dauerhafte Lösung finden, um den Austausch zu ermutigen und damit alle lokalen Akteure davon profitieren können.

Wie dringend muss Deutschland eine neue Regierung bilden? Wie wirkt sich die aktuelle Übergangssituation über die deutsch-französische Kooperation aus?

Arend: Auch wenn wir verstehen, dass eine Koalitionsbildung komplex und zeitaufwendig ist, hoffen wir in Frankreich, dass bald eine stabile Regierung gebildet wird. Damit das deutsch-französische Tandem Initiativen ergreifen kann und als Motor in der Europäischen Union fungiert, brauchen wir einen klaren Ansprechpartner in Berlin. Ich vertraue dem deutschen politischen System und ich weiß, dass die Parteien dort die europäische Notwendigkeit sehen und die französischen Erwartungen verstehen. Wir müssen schnell handeln und konkrete Projekte umsetzen, bevor neue Wahlkämpfe anbrechen. Die Zukunft dieser Projekte über einen neuen Elysée-Vertrag 2019 hängt von der deutschen Entscheidung ab.

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