Verstärkung für den Zoll Scholz rüstet auf gegen den „Arbeiterstrich“

Berlin · Der Bundesfinanzminister will den Zoll verstärken, um Schwarzarbeit zu bekämpfen. Und andere Übel wie Betrug beim Kindergeld.

 Schwarzarbeit-Kontrolle auf einer Großbaustelle bei Frankfurt: Künftig soll der Zoll im Kampf gegen illegale Beschäftigung, Mindestlohnverstöße und Sozialleistungsmissbrauch mehr Personal und mehr Befugnisse erhalten.

Schwarzarbeit-Kontrolle auf einer Großbaustelle bei Frankfurt: Künftig soll der Zoll im Kampf gegen illegale Beschäftigung, Mindestlohnverstöße und Sozialleistungsmissbrauch mehr Personal und mehr Befugnisse erhalten.

Foto: dpa/Arne Dedert

Die einen arbeiten illegal für viel zu wenig Geld, die anderen erhalten Kindergeld, obwohl sie gar nicht berechtigt sind: Mit mehr Personal und mehr Befugnissen für die zuständigen Kontrollbehörden will die Bundesregierung gegen Schwarzarbeit und Sozialleistungsbetrug in Deutschland vorgehen. Dazu hat das Kabinett am gestrigen Mittwoch einen Gesetzentwurf verabschiedet, der noch vor der Sommerpause im Parlament verabschiedet werden soll.

Die Verluste bei Steuern und Sozialabgaben durch die Schattenwirtschaft lassen sich nur schätzen. Allein für die vergangenen zwei Jahre hat der Zoll eine Schadenssumme von rund 1,8 Milliarden Euro ermittelt. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Für den zuständigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz Grund genug, die Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung deutlich zu verschärfen. „Wir werden viel mehr Missbrauch identifizieren und aufdecken“, versprach der SPD-Politiker gestern bei der Vorstellung seiner Pläne.

Fest stand schon vorher, dass die zuständige Sondereinheit „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“ (FKS) bis zum Jahr 2026 um 2100 auf dann rund 10 000 Stellen aufgestockt werden soll. Nun ist geplant, die Zahl der Mitarbeiter bis 2030 auf insgesamt mehr als 13 500 zu erweitern. Sie sollen insbesondere in vier Problembereichen stärker aktiv werden. Ein Überblick:

Mindestlohn: Oft werden Menschen aus dem EU-Ausland mit vermeintlich lukrativen Arbeitsangeboten nach Deutschland gelockt, etwa auf dem Bau. Doch am Ende gibt es nicht einmal den Mindestlohn für die Arbeiter, und die Unterkünfte gleichen eher Matratzenlagern. Nach Scholz’ Plänen soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit künftig auch schon bei einem Verdacht auf Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel ermitteln können und damit die Polizeiarbeit ergänzen. Darüber hinaus kann die Sondereinheit künftig auch die Unterkünfte überprüfen.

„Arbeiterstrich“: In vielen Städten verdingen sich Arbeitskräfte als Tagelöhner – das System wird auch „Arbeiterstrich“ genannt. Wie das funktioniert, zeigt ein Beispiel aus Köln. Dort sammelten sich jeden Morgen an einer Ausfallstraße Männergruppen, die nach kurzen Verhandlungen in Fahrzeuge stiegen. Ein Ziel war eine Fabrik, in der ein Betroffener für weniger als fünf Euro pro Stunde bis zum Abend arbeitete. Bislang kann der Zoll erst eingreifen, wenn er bei einer illegalen Beschäftigung fündig wird. Künftig darf er schon bei der Anbahnung solcher Abmachungen einschreiten.

Organisierte Kriminalität: Schwarzarbeit und organisierte Kriminalität gehen nach Erkenntnissen der FKS immer stärker Hand in Hand. So versuchen zum Beispiel Subunternehmen in der Baubranche, mittels fingierter Rechnungen die Verantwortlichkeit für das eingesetzte Personal zu verschleiern, um Steuern und Sozialabgaben zu „sparen“. Hier soll der Zoll unter anderem mehr Befugnisse bei der Telefonüberwachung und der Erfassung personenbezogener Daten von Verdächtigen bekommen.

Kindergeld: Nach Scholz’ Angaben registrieren die Familienkassen immer häufiger einen organisierten Missbrauch beim Kindergeld. So werden EU-Ausländer mit gefälschten Dokumenten ausgestattet, um unberechtigt Kindergeld zu kassieren. Künftig soll der Zoll stärker kontrollieren können, ob die Betroffenen wirklich einer Arbeit nachgehen. Auch soll das Kindergeld nur dann für die ersten drei Monate ausgezahlt werden, wenn inländische Einkünfte nachweisbar sind.

Reaktionen: Die Gewerkschaften haben die Gesetzespläne im Grundsatz begrüßt. Verbesserte Kontrollen seien dringend notwendig, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach unserer Redaktion. Deshalb sei es richtig und überfällig, den Zoll mit mehr Personal auszustatten. Die Kindergeld-Regelung stieß bei ihr jedoch auf Kritik. „Menschen, die hier in Deutschland leben und Kinder haben, müssen auch Kindergeld bekommen“, meinte Buntenbach. Eine Wartezeit von drei Monaten sei unangemessen und benachteilige vor allem die Kinder.

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