Großmutter in Donezk Christen protestieren gegen Abschiebung

Tholey/Marpingen · Die Abschiebung der 73-jährigen Nina Ivoilova in die Ukraine stößt in der katholischen Pfarreiengemeinschaft am Schaumberg auf Kritik.

 Die 73-jährige Nina Ivoilova (re.) mit ihren Enkeln Sophia (li.) und Anastasia im Saarland.

Die 73-jährige Nina Ivoilova (re.) mit ihren Enkeln Sophia (li.) und Anastasia im Saarland.

Foto: Tetjana Beuerlein

Die katholischen Christen der Pfarreiengemeinschaft am Schaumberg sind sauer auf die CDU/SPD-Landesregierung in Saarbrücken. „Wir sind entsetzt über die große menschliche Kälte der Abschiebungsentscheidung“, sagt Tobias Schunk von der Flüchtlingshilfe der Pfarreiengemeinschaft. Die Abschiebung der 73-jährigen Nina Ivoilova in die Ukraine (die SZ berichtete) sei im Rat der katholischen Pfarreiengemeinschaft am Schaumberg „einhellig auf Ablehnung und Protest gestoßen“, haben jetzt Pfarrverwalter Hans-Ludwig Leininger, die Pfarreienratsvorsitzende Ute Morbach und Schunk in fast gleichlautenden offenen Briefen, die der SZ vorliegen, an Innenminister Klaus Bouillon, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, den St. Wendeler Landtagsabgeordneten Alexander Zeyer (alle CDU) und die SPD-Generalsekretärin und Landtagsabgeordnete Petra Berg geschrieben.

Nina Ivoilova war um vier Uhr morgens am 26. September von Polizisten aus dem Haus der Familie ihrer Tochter Tetjana Beuerlein in Tholey geholt worden. Binnen 50 Minuten musste die Großmutter von Anastasia (16) und Sophia (12) Beuerlein ihren Koffer packen. Dann ging es über Frankfurt nach Kiew. Dort hat Nina Ivoilova keine Bleibe, so dass sie notgedrungen ins Kriegsgebiet in Donezk zurückkehrte, wo sie eine Wohnung hat. Dort gibt es kein Trinkwasser im Haus, täglich ist das nahe Artilleriefeuer zu spüren. Angst ist ihr ständiger Begleiter.

„Bei den Gläubigen in der Pfarreiengemeinschaft sowie darüber hinaus in der gesamten Zivilgemeinde ist das Unverständnis über die zwangsweise Rückführung sehr groß“, schreiben Leininger, Morbach und Schunk. „Die gesamte Familie Beuerlein ist im Ort hervorragend integriert und beliebt“, heißt es. So hätten beispielsweise die Enkelkinder der abgeschobenen Großmutter Nina Ivoilova ihre Kommunion in der Pfarrei Tholey gefeiert.

Nina Ivoilova sei in den vergangenen Jahren häufig zu Besuch bei der Familie Beuerlein gewesen. „Sie war auch vor dem Hintergrund hier, ihre einzige Tochter, Tetjana Beuerlein, deren Ehemann Carlo schwer erkrankt ist, bei der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen. Hierdurch ist auch Frau Ivoilova in Tholey ein bekanntes Gesicht“, schreiben die Vertreter der Pfarreiengemeinschaft. Die ukrainische Rentnerin sei regelmäßig vor Ablauf des Visums nach Donezk zurückgekehrt. Doch im Frühjahr 2014 habe der Kriegsausbruch in der Ost-Ukraine eine Rückkehr unter menschenwürdigen Umständen unmöglich gemacht.

Die drei Unterzeichner des offenen Briefes zeigten sich erschüttert, „dass eine wehrlose und gesundheitlich angeschlagene Frau nachts um vier Uhr abgeholt wird“ – damit sie ins Kriegsgebiet zurückkehrt. „Das Vorgehen der Ausländerbehörde schockiert uns, da aus diesen Entscheidungen eine menschliche Kälte zu Tage tritt, die für uns mit der im Grundgesetz verbürgten Würde eines jeden Menschen nicht vereinbar ist,“ so Leininger, Morbach und Schunk. „Für was brauchen wir eine Kirche, wenn wir uns nicht für eine Familie, die Keimzelle der Gesellschaft, in einer solchen Lage einsetzen?!“, betonte Schunk gegenüber der SZ.

Die Pfarreiengemeinschaft fordert nun von Innenminister Bouillon und Kramp-Karrenbauer, die gegen Nina Ivoilova verhängte Einreisesperre unverzüglich aufzuheben und ihr aus humanitären Gründen einen dauerhaften Aufenthalt in Tholey bei den einzigen Angehörigen, die sie hat, zu erlauben.

Dazu hat die katholische Pfarreiengemeinschaft am Schaumberg zusammen mit der evangelischen Gemeinde St. Wendel eine Unterschriftenaktion gestartet. In den Kirchen liegen die Listen bei den Gottesdiensten aus. Zudem können Unterstützer der Petition auch auf der Internetseite change.org eine entsprechende Unterschrift für Nina Ivoilova leisten. Bis gestern hatten dort 123 Menschen unterschrieben.

Zudem wird am Freitagmorgen die Klasse 11a der Gemeinschaftsschule Marpingen zum Landtag in Saarbrücken fahren. Wie deren Lehrer Markus Mörsdorf der SZ mitteilte, will die Klasse ihrer Mitschülerin Anastasia Beuerlein dabei helfen, dass ihre Großmutter aus der Ukraine zurückkommen kann. Die Klasse 11a will Gespräche führen im  Landtag. Auch Alexander Zeyer (CDU), der wie Petra Berg (SPD) die Abschiebung für rechtens erklärt hatte, wolle mit den Schülern sprechen, sagte Mörsdorf.

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