Buch über Aberglaube im Saarland „Auslöser ist immer die Angst“

Gersheim · Ob Glücksschweinchen, Blitzamulett oder Tattoo: Aberglaube blüht bis heute. Gunter Altenkirch hat darüber ein neues Buch geschrieben.

 Gunter Altenkirch schrieb sowohl das Buch über „Volks- und Aberglaube“ als auch das Werk über Saarländische Märchen.

Gunter Altenkirch schrieb sowohl das Buch über „Volks- und Aberglaube“ als auch das Werk über Saarländische Märchen.

Foto: Lasse Altenkirch/Marcus Altenkirch-FessErfweiler

Ob Glücksschweinchen mit Kleeblatt und Hufeisen oder Halsamuletts und Tattoos auf der Haut: Der schon Jahrhunderte alte Aberglaube der Menschen samt Hoffnung auf Friede, Wohlergehen und Liebe begegnet uns im Weihnachts- und Silvestermonat Dezember bis heute. Der saarländische Volkskundler Gunter Altenkirch (75), der seit Jahren den Volks- und Aberglauben in unserer Region erforscht, hat seine Erkenntnisse jetzt zwischen zwei Buchdeckel mit 216 Seiten und 224 Farbfotos unter dem Titel „Volks- und Aberglauben. Gegenständliche Belege aus dem Saarland und angrenzenden Gebieten“ gepackt.

Altenkirch, der mit seiner Frau Denise in einem alten Bauernhaus in Gersheim-Rubenheim auch das „Museum des Saarländischen Aberglaubens“ unterhält, hat die wichtigsten dort ausgestellten Exponate und die Aufzeichnungen von bis heute schon über einer halben Million Karteikarten in dem Buch komprimiert und anschaulich dargestellt. Ein siebenseitiges Stichwortverzeichnis am Ende des Buches hilft bei der Suche nach Erklärungen für mehr als 500 Begriffe wie (A)abracadabra, Bleigießen, Esoterik, Geister, Geldhüter, Himmelsbrief, Kruzifix, Penis, Sauerkraut, Vaterunser, Verwünschen und Wahrsagen bis zu (Z)ukunft. Als faszinierendste Stücke seiner Sammlung zeigt das Buch Bilder eines 1950 im Dachbalken eines Hauses in Rehlingen gefundenen Schutzamuletts gegen Blitzeinschlag (bestehend aus einer Fuchszunge und Rosenkranz-Kreuz), ein Karfreitagsei aus dem Jahr 1927 mit Dornenkrone, ein achtlöchriges Hufeisen mit eingeschlagenen Kreuzchen sowie einen als Bauopfer in die Hauswand eingemauerten Frosch.­

„Der Auslöser des Aberglaubens war und ist immer die Angst“, sagt Altenkirch. „Angst steht für Enge, Mangel, missliche Lage, Bedrückung, Beunruhigung, Beklemmung und ähnliche Zustände“ – und seit Jahrtausenden sieht sich der Mensch von einer bedrohten Welt umgeben. Nur so lassen sich die Gegenstände und Rituale erklären, die vom Bauopfer über den Buchsbaum bis zum Talisman vor Unheil und Bösem schützen und so Glück bringen sollen. In Vorzeiten fehlten den Menschen noch Religion und die dazugehörige Existenz von Göttern als Glaube- und Hoffnungsanker. Und Aberglaube, so Altenkirch, sei für die monotheistischen Religionen Christentum, Judentum und Islam alles das, was nicht in Bibel, Thora oder Koran steht. „Die Vorsilben aber und Eber heißen laut Grimm‘schen Deutschen Wörterbuch falsch“, also steht Aberglaube für falschen Glauben.

„Um den Aberglauben unseres Raumes besser zu verstehen, muss man sich mit den drei höchsten göttlichen Wesen unseres Raumes auseinandersetzen, den gallogermanischen Gottheiten Wodan, Donar und Holda“, betont Altenkirch. Schon im 14. Jahrhundert habe die christliche Kirche versucht, Wodan zu beseitigen, doch in unserem Raum habe ihn das Volk bis in die 1970er Jahre hinein als den „alten Herrgott“ beibehalten, und ihn vom „lieben Gott“ unterschieden. Wodan und Donar, im Mittelalter liebste Gottheit der Bauern, und die „alte Spinnfrau“ Holda tauchten früher im Saarraum häufig in Sagen und Märchen auf. Wodan ist in Altenkirchs Museum und Buch auf einem Pferd dargestellt, das acht Beine gehabt haben soll. Vier zum schnellen Galoppieren, vier zum Ausruhen. „Wenn man den alten Herrgott gerufen hat, war er damit sofort da“, sagt der Volkskundler. Heute glaube dagegen kaum noch jemand an ein ewiges Leben, bei dem man neben dem lieben Gott sitze oder als Engel im Himmel herumschwirre: „Der christliche Glaube geht zurück. Umgekehrt gibt es eine Zunahme von Aberglauben“.

 Volks- und Aberglauben von Gunter Altenkirch, erschienen im Geistkirch-Verlag

Volks- und Aberglauben von Gunter Altenkirch, erschienen im Geistkirch-Verlag

Foto: Geistkirch-Verlag

Gunter Altenkirch, Volks- und Aberglauben. Gegenständliche Belege aus dem Saarland und angrenzenden Gebieten. Geistkirch-Verlag 216 Seiten, 37,80 Euro.

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