Archäologie Bronzezeit-Siedlung unter Industriegebiet

Saarbrücken · Es ist kein Geheimnis, sondern eine verborgene Sensation: Die älteste saarländische Siedlung unter einem Industriegebiet in Saarbrücken-Brebach.

 Funde der ältesten Siedlung des Saarlandes: Keramikscherben und eine bronzene Radnadel, die Frauen als Schmuck diente.

Funde der ältesten Siedlung des Saarlandes: Keramikscherben und eine bronzene Radnadel, die Frauen als Schmuck diente.

Foto: Museum für Vor- und Frühgeschichte Saarbrücken

Kaum jemand im Saarland weiß es, doch in der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“ und beim Landesdenkmalamt, Abteilung Bodendenkmalpflege, ist es seit über einem Vierteljahrhundert dokumentiert: Die älteste größere Siedlung des Saarlandes mit mehreren rechteckigen lehmverputzten Pfostenhäusern und Speicherbauten stammt aus der mittleren Bronzezeit, etwa 1400 bis 1000 vor Christus, und liegt am südöstlichen Stadtrand von Saarbrücken an der Grenze zwischen Güdingen und Brebach. Heute ist dort Industriegebiet, und die mehr als 3000 Jahre alte Saar-Siedlung schlummert Jahrzehnte nach den ersten Grabungen wieder im Dornröschenschlaf unter der Erde. Die bemerkenswertesten Funde von einst – ein paar zusammengesetzte Keramikscherben und eine bronzene Radnadel, die Frauen als Schmuck diente – sind in einer Glasvitrine im Museum für Vor- und Frühgeschichte am Saarbrücker Schloßplatz zu bestaunen.

„Die älteste Saar-Siedlung wird ausgegraben“, titelte die Saarbrücker Zeitung, als am 19. September 1989 Archäologen mit Unterstützung von 14 Langzeitarbeitslosen einer staatlich finanzierten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bis 1991 in dem Güdinger Ackergelände westlich des Rathauses Brebach („Gemarkung Hinterster Brühl“, wie sich der Ortshistoriker Oskar Schley erinnert) nach der Prähistorie buddelten und dabei auch fündig wurden. Beschreibungen der Grabungen – einem Projekt von damals über einer halben Million D-Mark – gibt es dazu auch in Band 1 der „Geschichte der Stadt Saarbrücken“, herausgegeben zur Jahrhundertfeier der Landeshauptstadt von Rolf Wittenbrock.

„Die Grabung hat damals in der heutigen Kurt-Schumacher-Straße stattgefunden – insbesondere im Bereich der heutigen Hausnummer 26“, berichtet die Archäologin Constanze Höpken vom Landesdenkmalamt. Das Grabungsgebiet, bei dem der damalige Landesarchäologe Andrei Miron die bislang ältesten Siedlungsfunde des Saarlandes samt Erdverfärbungen, vermoderten Holzpfostenlöchern der großflächigen Behausungen, Keramikscherben und Feuersteinartefakten dokumentierte, ist inzwischen längst Güdinger Industriegebiet. Haus Nr. 26 in der Kurt-Schumacher-Straße ist aktuell mit Wasserspielen und Grünflächen umgebener reizvoller Firmensitz der Fahrzeugteile- und Industriebedarf-Firma Strauch GmbH. Direkt gegenüber liegt das Unternehmen Saarland Metzgereibedarf Strobel GmbH & Co., aus dem als geschäftsführender Gesellschafter der neue Saar-Finanzminister Peter Strobel (CDU) stammt.

Strauch GmbH-Chef Alfred Strauch ist mit seinem Betrieb 1996 in das heutige Industriegebiet gekommen, unter dem die älteste großflächige Saar-Siedlung liegt. Er zeigt sich völlig überrascht, als er davon erfährt. „Hier war überhaupt nichts sichtbar von Grabungen oder Siedlung. Alles Acker, als wir anfingen zu bauen. Aber direkt hier ist der Fechinger Bach – und die ersten Siedlungen hat es bekanntlich seit jeher in Wassernähe gegeben“, sagt er.

Der jetzige Leiter Bodendenkmalpflege beim Landesdenkmalamt, Professor Wolfgang Adler, erklärt auf SZ-Nachfrage: „Die Dokumentation der Grabung (von 1989/90) befindet sich in unserem Archiv. Es sind knapp zehn Ordner. Die Funde sind in unserem Magazin. Eine abschließende wissenschaftliche Bearbeitung steht leider immer noch aus.“ Zunächst, so Adler, hatte ein Kieler Student die Aufarbeitung im Rahmen einer Dissertation begonnen, „aber leider nicht abgeschlossen“. Für eine detaillierte Aufarbeitung fehlte es wohl auch an Geld und Personal, heißt es dazu aus dem zum saarländischen Bildungs- und Kulturministerium gehörenden Landesdenkmalamt. „Die Ausgrabung einer so alten Siedlung gestaltet sich recht schwierig, da die vor- und frühgeschichtlichen Häuser nicht wie in der Römerzeit aus Stein gebaut waren, sondern aus Holzpfosten, lehmverschmierten Weidengeflecht-Wänden und Strohabdeckungen bestanden“, hieß es damals.

„Die für den Laien recht unscheinbaren Funde, Gruben unterschiedlicher Größe, Form und Funktion sowie Erdverfärbungen stellen für die saarländische Bodenpflege eine kleine Sensation dar“, schrieb aber seinerzeit schon der damalige Landesarchäologe Miron unter der Überschrift „Die älteste Siedlung des Saarlandes“ in Heft 1/1990 der Zeitschrift „Archäologie in Deutschland“. Zu den schönsten Funden selbst zählte er eine „bronzene Radnadel“, die zusammen mit charakteristischen Keramikgefäßscherben aus einer der vielen Gruben im damaligen Grabungsgebiet geborgen werden konnte.

Diese etwa 15 Zentimeter große Schmucknadel und einige eher unspektakuläre Fundstücke der ältesten Saar-Siedlung sind hinter Glas im Museum für Vor- und Frühgeschichte in Saarbrücken zu sehen, andere lagern im Dienstgebäude des Landesarchäologen Am Bergwerk Reden in Schiffweiler. „Ansonsten war von den Grabungen nach der Saar-Siedlung so gut wie nichts erhaltenswert“, sagt Museums-Sammlungsleiter Franz-Josef Schumacher: „Fast nur Pfostenlöcher und Abfallgruben.“ Das war dann später auch der Grund, dass Bodendenkmalschützer und Archäologen keinerlei Einwände dagegen erhoben, über der Erde der ältesten Saar-Siedlung das Güdinger Industriegebiet entstehen zu lassen. „Die Befunde, die ausgegraben sind, sind weg“, sagt Archäologin Höpken: „Ausgraben bedeutet immer auch zerstören.“

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