Jubiläum Museumsverband „Den Saarländern fehlt Heimatbewusstsein“

Saarbrücken/Homburg · Etliche Dorfmuseen stehen auf der Kippe, moniert der saarländische Museumsverband anlässlich seines 30-jährigen Bestehens.

 Rainer Raber, der Geschäftsführer des Saar-Museumsverbandes.

Rainer Raber, der Geschäftsführer des Saar-Museumsverbandes.

Foto: Marion Schmidt

Sind die Saarländer Maulhelden? Zumindest rücken die Politiker den Bürgersinn, das Vereinsengagement und die Solidarität der Bevölkerung gern ins Schaufenster, wenn sie für das Saarland auf Werbetour gehen. Der Geschäftsführer des Saarländischen Museumsverbandes (SMV), der dieser Tage sein 30. Jubiläum begeht, hat eine andere Sicht auf die Saar-Welt. Rainer Raber vertritt 103 Mitglieder, vom Alsbacher „Hiwwelhaus“ über das Schwalbacher Schmiedemuseum bis zum Weltkulturerbe Völklinger Hütte. Er meint, das Bild des über die Maßen lokalpatriotischen Saarländers werde schön gefärbt, und verweist auf teilweise „dramatisch schlechte“ Besucherzahlen in den kleineren Häusern mit überalterten Strukturen. Deren Träger – oft Privatsammler oder Vereine – würden vielfach allein gelassen.

Raber: „Gewachsene Dörfer veröden, sie werden zu Siedlungen. Und in den Kommunen fehlt es an Gemeinschaftsgeist für die Museen.“ Wie viele der rund 60 Heimatmuseen akut existenzbedroht sind, sei noch nicht ermittelt. Besondere Sorgenkinder sind laut Raber das Museum für dörfliche Alltagskultur in Rubenheim und der Handwerkerhof in Ottweiler. Der Verband arbeite an Rettungslösungen und neuen Trägerstrukturen, rege die Häuser zu Kooperationen und Zusammenlegungen an. „Es macht wenig Sinn, wenn jeder alles sammelt.“ Ein Museumsentwicklungsplan soll Hilfestellung geben. Raber beobachtet, dass in anderen Bundesländern Überlieferung und Brauchtum einen höheren Stellenwert besitzen. Dort sei man stolz auf die lokalen Besonderheiten. Doch im Saarland mit seiner vielfach zerrissenen Historie existierten keine über Jahrhunderte verwurzelten Traditionen, ganz nach dem Motto des Reinhard-Klimmt-Buches „Richtig daheim waren wir nie.“

Die Liebe der Saarländer zu ihren Museen sei „ausbaufähig“, konstatiert Raber. Und die Zahlen geben ihm Recht. Laut Statistik des Instituts für Museumsforschung meldeten die saarländischen Institutionen 2015 einen Besucherrückgang um etwa drei Prozent (ca. 609 000 Besucher). Umso wichtiger deshalb die Projekte des Verbandes, die die breite Leistungsfähigkeit der Museen verdeutlichen, jenseits der reinen Ausstellungstätigkeit. So wurde beispielsweise eine Art Heimatkunde-Museumskoffer für die Grundschulen zusammengestellt: „Regional – Total“. Zudem wurde der SMV Mitglied im Allianz-Demenz-Netzwerk. Für Altenheime wurde ein „Koffer der Erinnerung“ konzipiert. Alte Puppen oder Babykleidung, historische Werkzeuge und Spielsachen aktivieren und beglücken demenzkranke Menschen, die in der Vergangenheit leben. Im Bereich Tourismus erfand der Verband die Bergbau-„Entdeckertouren“, die die Arbeitswege der Bergleute durch Zeitzeugenberichte im Internet lebendig werden lassen. „Wir sind ein Partner der saarländischen Gesellschaft“, sagt Raber selbstbewusst. Eines seiner Favoriten-Themen: die Digitalisierung des kulturellen Erbes. Raber ist nicht zufrieden mit dem Tempo: „Wir sind noch in der Steinzeit“, sagt er. Über das Pilotprojekt „digiCult“ wurden die Bestände von 38 Museen zumindest teilweise erfasst, 18 000 Datensätze sind veröffentlicht, etwa 70 000 Datensätze angelegt. 2017 fand ein Informationskongress mit der Deutschen Digitalen Bibliothek im Kultusministerium statt, Raber wurde ins Digitalisierungsforum der Ministerpräsidentin berufen. Viel Ehr‘, viel Heimat-Arbeit.

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