Kirchen Als auch in Metz die Kathedrale brannte

Metz · Das Feuer in der Pariser Notre Dame erinnert auch an den Brand der Kathedrale von Metz 1877. Ausgelöst durch ein Feuerwerk zu Ehren des Besuchs von Kaiser Wilhelm I..

 Die Kathedrale von Metz.

Die Kathedrale von Metz.

Foto: rup/Ruppenthal

Die Kathedrale Saint-Étienne in Metz wurde zwischen 1220 und 1520 erbaut und ist eine der größten gotischen Kirchen Frankreichs. Am 7. Mai 1877 besuchte Kaiser Wilhelm I. erstmals Metz, sieben Jahre nach der Annexion des Elsaß’ und Lothringens durch Deutschland. Um seine Ankunft zu ehren, hatten sich städtische Angestellte, alles Deutsche, auf dem Dach der Kathedrale eingefunden, um ein Feuerwerk abzufeuern. Um vier Uhr morgens brach dann auf dem Dachboden des Stephansdoms ein Feuer aus, das wie in der Notre Dame in Paris einen Turm und die alte hölzerne Dachkonstruktion vollständig verschlang. Feuerwerksraketen waren für den Brand verantwortlich. Gegen sechs Uhr morgens beherrschten die Feuerwehrleute unterstützt von der kaiserlichen Reichswehr endlich die Situation, gegen zehn Uhr war der Brand gelöscht. Aber das Dach war zerstört. Der Kaiser war noch in der Nacht zum Brandort zurückgekehrt und hatte sogar während des Feuers das Innere des Domes besichtigt.

Wilhelm I., der bereits erlebt hatte, dass bei seinem Besuch in Frankfurt am Main 1866 der dortige Kaiserdom abgebrannt war, fühlte sich für die Katastrophe persönlich verantwortlich. Er versprach, die gesamte Restaurierung des Doms aus seiner persönlichen Schatulle zu bezahlen. Dennoch wurde gleichzeitig zu Spenden aufgerufen. Die Arbeiten dauerten fast 30 Jahre, auch sein Enkel, Kaiser Wilhelm II., der von 1888 an regierte, stand zum Wort seines Großvaters.

Der Brand vom 7. Mai 1877 führte zur Renovierung des gesamten Doms, der seit dem Mittelalter nicht mehr umgebaut worden war und aus mehreren nur schlecht zusammengefügten Vorgänger-Kirchen und Bauteilen bestand. Beauftragt wurde der Deutsche Paul Tornow (1848-1921), der seit 1874 Staatsarchitekt des „Reichslandes Lothringen“ war. Tornow errichtete zunächst ein Notdach. Dann unternahm er eine Studienreise zu den Kathedralen Frankreichs, um sich für die Neugestaltung des Liebfrauenportals inspirieren zu lassen.

Im 19. Jahrhundert sahen Architekten in Restaurierungen auch eine Möglichkeit, ein Gebäude zu verbessern. So errichtete Tornow nach gotischem Muster einen neuen, steileren Dachstuhl mit einer Metallkonstruktion. Was dazu führte, dass die Kirche höher wirkte. Sein größtes Werk war aber die Wiederherstellung des gotischen Liebfrauenportals, ein Projekt, das bereits vor der deutschen Annexion geplant worden war. Dazu mussten zunächst die Umbauungen des Domes aus der Zeit des 18. Jahrhunderts abgebrochen werden. In den Jahren von 1897 bis 1903 ersetzte er dann den klassizistischen Portikus des Liebfrauenportals des Franzosen Jacques-François Blondel, das durch den Brand gar nicht zu Schaden gekommen war, durch ein neogotisches Marienportal mit Skulpturenschmuck. So kommt es, dass das heute verschlossene Westportal auf den Besucher den Eindruck macht, als stamme es aus dem Mittelalter. Dabei ist es nur gute 100 Jahre alt.

Im jungen Kaiserreich verstand man irrtümlich die Gotik als original deutsche Baukunst. Und ans Mittelalter wollte das 1871 begründete neue Kaiserreich anschließen, und die Rufe nach Vollendung der seinerzeit noch unfertigen gotischen Kathedralen, wie etwa des Ulmer Münsters, mehrten sich. Unter der Leitung von Dombauhüttenmeister Dujardin, der aus Paris stammte, wurden nach dem Vorbild nordfranzösischer Kathedralen auch 232 Figuren gemeißelt, die sich thematisch auf die Muttergottes bezogen. Auf persönlichen Wunsch von Kaiser Wilhelm II. erhielt die Skulptur des Propheten Daniel, einer der vier Kolossalfiguren des Marien-Portals, die Gesichtszüge des kaiserlichen Auftraggebers mit hochgezwirbeltem Schnurrbart. Der Kaiser liebte es, sich bei neu errichteten Bauten bildlich verewigen zu lassen. Auch der Turm des damals errichteten neuen Bahnhofs in Metz, trägt die Züge des kaiserlichen Kopfes mit Pickelhaube.

 Kaiser Wilhelm II. ließ sich (als Prophet) in Stein an der Metzer Kathedrale verewigen.

Kaiser Wilhelm II. ließ sich (als Prophet) in Stein an der Metzer Kathedrale verewigen.

Foto: Bodo Bost

 Dem deutschen Architekt Tornow, der auch verwandtschaftliche Beziehungen ins Saarland hatte, war es zu verdanken, dass der gotische, eigentlich französische Stil der Metzer Kathedrale wieder mehr zur Geltung kam. Die Lothringer dankten es ihm. Als 1918 alle zugewanderten Deutschen nach Deutschland zurückkehren mussten, durfte Tornow in Lothringen bleiben.

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