Vietnamkrieg Der traurige Lohn für ihre Menschlichkeit

Lebach · Vor 50 Jahren wurde die saarländische Krankenschwester Monika Schwinn vom Vietcong als Geisel genommen. Bloß, weil sie helfen wollte. Nun ist sie gestorben.

  Die Lebacher Karnkenschwester Monika Schwinn und Bernhard Diehl nach ihrer Freilassung aus nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft am 7. März 1973.

Die Lebacher Karnkenschwester Monika Schwinn und Bernhard Diehl nach ihrer Freilassung aus nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft am 7. März 1973.

Foto: picture alliance / United Press/dpa Picture-Alliance / United Press International (UPI)

Was bleibt von einem Leben, wenn sich schon zu viel Vergangenheit zwischen das Damals und das Heute geschoben hat? In Monika Schwinns Fall wohl auch die traurige Erkenntnis, dass Erinnerung, auch wenn es noch so wichtig wäre, sie wach zu halten, leider verblasst. Und allzu leicht vergessen wird, was Menschen alles auf sich nehmen, um anderen zu helfen.

Monika Schwinn, die am Montag im Alter von 76 Jahren im Lebacher Krankenhaus gestorben ist, dort, wo sie lange auch als Kinderkrankenschwester arbeitete, hat Unvorstellbares durchlitten. Bloß, weil es für sie selbstverständlich war, Menschen in Not beizustehen. „Äußerst hilfsbereit war sie schon immer“, erinnert sich ihr Cousin Adolf Spaniol. Die junge Frau aus Lebach lernt erst Friseurin. Ihre eigentliche Berufung aber ist Krankenschwester, Säuglingsschwester. Für die Familie kam es da nicht überraschend, dass die 26-Jährige 1968 gern dem Aufruf des Malteser Hilfsdienstes folgt: Man braucht Ärzte und Pflegekräfte für Kliniken in Südvietnam, um der Zivilbevölkerung zu helfen, die unter dem nicht enden wollenden Krieg leidet. Monika Schwinn ist glücklich. Sie arbeitet auf einer Kinderstation im Hospital von Da Nang.

Der 27. April 1969 aber wird für sie zum Schicksalstag. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Marie-Louise Kerber aus Nohfelden-Türkismühle, dem Arzt Bernhard Diehl und zwei weiteren Krankenschwestern macht sie einen Ausflug – und gerät in die Fänge des kommunistischen Vietcong. Die Fünf werden nach Nordvietnam verschleppt. Dort quält man sie wie die zutiefst verhassten Amerikaner. Seit 15 Jahren tobt da der Bruderkrieg schon, eine Stellvertreterschlacht auch der Supermächte. Die USA schlagen mit der vollen Wucht ihrer Militärmaschinerie zu, feuern, bomben, säen Tod und millionenfaches Leid. Doch der Vietcong lässt sich so nicht besiegen. Die Nordvietnamesen perfektionieren den Guerilla-Krieg, nehmen auch Geiseln. Und es trifft auch Unschuldige.

Monika Schwinn und ihre Leidensgefährten müssen immer wieder marschieren, man steckt sie in diverse Dschungellager. „Es war eine kleine Zelle, etwa eineinhalb Meter breit und zweieinhalb Meter lang. In 20 bis 25 Zentimeter Höhe lagen ein paar Bretter auf Beton: das Bett. Ein halber Meter Platz war für einen Toiletteneimer“, schreibt die Lebacherin nach ihrer Freilassung 1973 im „Spiegel“. Sie werden verhört, gefoltert, bekommen kaum ’was zu essen. Krankheit und Demütigung sind ständige Begleiter. Drei der Fünf werden das nicht überleben. Marie-Louise Kerber stirbt 1969 in Gefangenschaft. Erst 1997 ist es möglich, ihre Gebeine ins Saarland zu überführen, sie hier zu bestatten. Auch Monika Schwinn ist dem Tod oft näher als dem Leben. Doch sie kämpft, will sich nicht erniedrigen lassen. „An mir beißen sie sich die Zähne aus“, notiert sie.

Nach langen vier Jahren bringt das Pariser Abkommen über die Beendigung des Vietnam-Krieges Schwinn und Diehl 1973 endlich die Freiheit. Am Flughafen in Frankfurt werden sie mit Plakaten begrüßt. Funk und Presse reißen sich um sie. Der „Stern“ macht eine Titelstory, im „Spiegel“ schreibt Schwinn bemerkenswert reflektiert über ihre Leidenszeit. Zusammen mit Bernhard Diehl entsteht sogar ein eindrückliches Buch: „Eine Handvoll Menschlichkeit“. Im Saarland empfängt sie Ministerpräsident Franz-Josef Röder (CDU), die Stadt Lebach macht sie zur Ehrenbürgerin.

Irgendwann aber klingt das Interesse ab. Und Monika Schwinn arbeitet wieder als Krankenschwester in Lebach, kümmert sich um Säuglinge. Sie hilft, auch als vietnamesische Flüchtlinge nach Lebach kommen. Ganz selbstverständlich. „Sie hat auf mich immer einen munteren Eindruck gemacht“, sagt ihr Cousin Adolf Spaniol. Doch nach solchen Erlebnissen kann für sie für nichts mehr so sein wie früher. Eine eigene Familie wird sie nicht gründen. Und mit 55 Jahren geht sie bereits in Ruhestand. „Sie war oft krank“, sagt ihr Cousin, „vielleicht hat es sie auch geschmerzt, das man sich nicht mehr so an sie erinnert hat“. Dass man vergessen hat, welchen Preis sie für ihre Hilfsbereitschaft zahlte. Für die Jahre ihrer Gefangenschaft im Dschungel bekam sie keine Rente, obwohl die Bundesrepublik damals so stolz darauf war, dass Monika Schwinn in das Kriegsgebiet ging, um zu helfen. Nun ist es für diese Anerkennung zu spät.

 Die deutschen Malteser-Helfer Monika Schwinn und Bernhard Diehl treffen nach ihrer Freilassung aus nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft am 05.03.1973 mit einem US-Sanitätsflugzeug auf den Philippinen ein. Das Bild zeigt die deutschstämmige Ehefrauen der amerikanischen Soldaten mit einer deutschen Flagge und Willkommensschildern. [ Rechtehinweis: picture alliance ] *** Local Caption *** 40505198

Die deutschen Malteser-Helfer Monika Schwinn und Bernhard Diehl treffen nach ihrer Freilassung aus nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft am 05.03.1973 mit einem US-Sanitätsflugzeug auf den Philippinen ein. Das Bild zeigt die deutschstämmige Ehefrauen der amerikanischen Soldaten mit einer deutschen Flagge und Willkommensschildern. [ Rechtehinweis: picture alliance ] *** Local Caption *** 40505198

Foto: picture alliance / United Press/dpa Picture-Alliance / United Press International (UPI)

Am Donnerstag, 21. März, 13. Uhr, findet in der Lebacher Pfarrkirche eine Trauerandacht für Monika Schwinn statt.

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