Was Diakonissen machen Die verschwundenen Schwestern

Saarbrücken · Diakonissen waren früher kaum wegzudenken aus protestantischen Gemeinden. Sie haben die Krankenpflege mit auf den Weg gebracht.

 Diakonieschwester und Diakonissen: Auf dem Foto sieht man die Unterschiede der Tracht zwischen zwei Diakonissen und der Diakonieschwester Gisela Becker (rechts).

Diakonieschwester und Diakonissen: Auf dem Foto sieht man die Unterschiede der Tracht zwischen zwei Diakonissen und der Diakonieschwester Gisela Becker (rechts).

Foto: Gisela Becker/Privat

Krankenpflegerinnen werden heute oft noch mit „Schwester“ angesprochen – das stammt noch aus der Zeit, als in Krankenhäusern so genannte Ordensschwestern tätig waren, die meist der katholischen Kirche angehörten.

Als Pendant auf protestantischer Seite gab es die Diakonissen. Ihre Etablierung geht auf den Pastor und Sozialreformer Theodor Fliedner zurück. Sie waren wie die katholischen Schwestern zu Armut, Keuschheit und Gehorsam verpflichtet. Da gebe es viele Gemeinsamkeiten, meint Norbert Friedrich, Historiker der Fliedner-Kulturstiftung Kaiserswerth. Auch weil Fliedner viel von katholischen Vorbildern übernommen habe. Dennoch habe er „gerade theologisch“ große Unterschiede gesehen; er habe immer wieder die „evangelische Freiheit“ der Diakonissen betont, auch wenn dies in der Praxis nicht immer gepasst habe. Heute hat sich die Situation im Übrigen geändert: Die evangelische Kirche hat die „Diakonisse neuer Form“ eingeführt: Diese muss keine Tracht mehr tragen und weder Ehelosigkeit noch Gehaltsverzicht versprechen.

Früher waren Diakonissen kaum wegzudenken aus protestantischen Gemeinden und Krankenhäusern – heute jedoch sind sie im Saarland verschwunden aus der Diakonie. Die noch lebenden Schwestern verbringen hochbetagt ihren Ruhestand in Seniorenheimen. Fliedners Frau Friederike, die damalige Vorsteherin der Kaiserswerther Diakonissenanstalt, brachte 1841 die ersten Schwestern nach Saarbrücken. Im dortigen Bürgerhospital sollten sie die Krankenpflege neu organisieren. „Dies waren ganz entscheidende frühe Weichenstellungen für eine Professionalisierung der Krankenpflege“, meint Norbert Friedrich. Bis in die 1960er Jahre wurden immer wieder Diakonissen in Gemeinden und Kinderheime geschickt; ausgebildet wurden sie in ihren Mutterhäusern. Das waren, was das Saarland betrifft, neben Kaiserswerth vor allem die Diakonissenhäuser in Bad Kreuznach und Speyer.

Eine von ihnen ist Schwester Gisela Kloos, die aus Bad Kreuznach stammt und ebenda wieder lebt. Die 92-jährige kam kurz nach der Wiedereingliederung des Saarlands 1957 nach Bübingen, wo sie bis 1961 als Gemeindeschwester tätig war. Ans Saarland hat sie sehr gute Erinnerungen: „Ich wurde mit offenen Armen von allen Leuten empfangen, die waren sehr zugänglich, das war toll.“ Bleiben durfte sie aber nicht: „Ich musste dann wieder weg, das ist bei uns so.“ Als Diakonisse war sie streng an die Weisungen ihres Mutterhauses gebunden. Direkt nach dem Krieg, mit 21 Jahren, hatte sie nach etwas Passendem für sich gesucht. „Ich war schon ein bisschen sozial tätig, war vorher schon Kindergärtnerin.“ Nach den Erfahrungen mit dem Dritten Reich habe sie nach einem festen Halt gesucht - und sich „nicht so dolle Gedanken gemacht über Familie und Kinder.“ Also wurde sie Diakonisse. Ob sie das nie bereut hat? „Ach, man denkt immer mal, hättest ja auch einen anderen Weg gehen können – das denkt ja jeder mal“, sagt sie. Heute ist so ein Lebensweg für die meisten jungen Frauen undenkbar. „Das war damals anders, da hat man gesagt: Ja, ich kann das machen mein Leben lang.“ Durchzuhalten hätten laut Schwester Gisela Kloos nicht alle geschafft: „Manche sind auch wieder gegangen.“

 Gisela Kloos arbeitete einige Jahre als Diakonisse im Saarland.

Gisela Kloos arbeitete einige Jahre als Diakonisse im Saarland.

Foto: Gisela Kloos/Privat
 Gisela Becker lebt heute im Seniorenzentrum Illingen.

Gisela Becker lebt heute im Seniorenzentrum Illingen.

Foto: Sebastian Dingler

Verwechseln kann man Diakonissen leicht mit Diakonieschwestern. Die Unterschiede seien auch nicht sehr groß, wie die ehemalige Diakonieschwester Gisela Becker erklärt: „Bei den Diakonissen war alles etwas strenger in Glaubensfragen. Die waren etwas kleinlich, hatte ich den Eindruck.“ Trotzdem durfte auch sie keine Familie gründen. Die 91-jährige, die heute im Seniorenzentrum Illingen lebt, hatte sich nach dem Krieg den Zehlendorfer Schwestern angeschlossen. Diese waren im Hüttenkrankenhaus in Völklingen tätig. Später wirkte sie noch als Gemeindeschwester in Uchtelfangen. „Ich habe mich immer um Menschen gekümmert“, sagt sie, „und das ist wichtig.“

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