Französische Puppenmanufaktur Eine Zeitreise ins Land der Kinderträume

Étain · Ein Besuch in der letzten französischen Puppenmanufaktur bei Metz.

Glückliche Kindergesichter sind in Étain westlich von Metz wohl eher die Regel als die Ausnahme. Denn in der Puppenfabrik Petitcollin werden seit Mitte des 19. Jahrhunderts manuell Figuren hergestellt, die bei Mädchen oder Sammlern die Herzen höher schlagen lassen.

Die Manufaktur ist die letzte Fabrik ihrer Art in Frankreich, welche Puppen noch per Hand herstellt und sehr wahrscheinlich eine der ältesten Spielwarenfabriken Europas, die noch am Markt existiert. Es hat zweifellos etwas von einer Zeitreise, wenn man die etwas in die Jahre gekommene Fabrik im Département Meuse besucht. Die Manufaktur wurde 1860 von Nicolas Petitcollin und seinem Neffen Gustave gegründet. Zunächst stellte man Kämme und Friseurartikel her und war auf Kunststoffe wie Zelluloid spezialisiert. Einige Jahre später begann der Umstieg auf die Spielzeugproduktion. Ihre Blütezeit hatte die Fabrik zwischen 1925 und 1940. Zu jener Zeit war Petitcollin europäischer Marktführer in Sachen Puppenproduktion. Speziell Folklore-Puppen mit regionalen Trachten waren beliebt. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte sich Petitcollin in neuen Kunststoffen und entwickelte technische Verfahren und Montagesysteme. Puppen aus Zelluloid waren fortan Geschichte. Deren Herstellung wurde in den 1950er Jahren wegen der hohen Brandgefahr (Zelluloid ist leicht entzündlich) verboten. Der Abschied vom vertrauten Material schwächte die Firma erheblich, der Umsatz sank. Ende der 1970er Jahre stand Petitcollin vor dem Aus. Die Konkurrenz aus Asien und neu aufkommende Spielzeug-Supermärkte zwangen die Traditionsmanufaktur fast in die Knie. Angestellte und Händler kauften schließlich Teile der Muttergesellschaft und bewahrten das Unternehmen vor dem Ende. 1995 entstand die Umfirmierung in „Jouets Petitcollin“. Das Unternehmen wurde fortan Filiale des traditionsreichen Holzspielzeugherstellers Vilac (seit 1911) aus dem Jura und steht seitdem wieder auf einer gesunden Basis.

Heute produziert die Firma, die in der Produktion mit erstaunlich wenig Mitarbeitern (fünf Personen) auskommt, rund 30 000 Puppen pro Jahr. Vornehmlich aus Polyethylen und Vinyl werden die kleinen Kunstwerke mit den großen Augen hergestellt. Die Aufgabe von Linda Bréda ist es, die Puppen anzuziehen und für die Haarpracht zu sorgen, die aus Nylon besteht „Klar, der Job ist Routine. Aber es macht doch Spaß, wenn man an die Kinder denkt, welche die Puppen mal in den Händen halten werden. Und Friseurin zu spielen, wenn auch an einer Miniatur-Puppe, macht doch eigentlich jeder Frau Spaß“, sagt die Frau mit den blonden Haaren lachend.

Einige Schritte weiter in der Halle sitzt Beatrice Caiffard. Sie lackiert akkurat Püppchen die Fußnägel. Eine ruhige Hand brauche man dafür schon, erklärt die Lothringerin. Aber an und für sich sei das kein Problem. In der Manufaktur sieht man die Anweisung „Le decor“, auf der man die Schritte sieht, wie die Puppengesichter nach und nach ihr Make-up erhalten. Zuerst die Augen, dann der Mund und schließlich erhält die Haarpracht via Spray ihre Kolorierung. Für den Maschinenpark, der durchweg altertümlichen wirkenden Maschinen ist der einzige männliche Mitarbeiter der Produktion zuständig. Er schüttet Granulat in die Maschine, dort wird das Material erhitzt und schon nach kurzer Zeit schält er diverse Körperteile aus Polyethylen aus der Form. Die kleinste Puppe, die aus dem Petitcollin-Universum stammt, ist gerade mal sechs Zentimeter hoch, die Größte misst etwa 60 Zentimeter.

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