Homburger Meisterkonzerte Mit technischer Brillanz und Poesie

Homburg · Der Pianist Igor Levit begeisterte im ausverkauften Homburger Saalbau mit Klavierwerken von Bach, Brahms und Beethoven. Vom Publikum gab’s viel Beifall für den Dichter an den Tasten.

 Igor Levit begeisterte auch im Homburger Saalbau das Publikum.

Igor Levit begeisterte auch im Homburger Saalbau das Publikum.

Foto: Robbie Lawrence

Igor Levit spielte, nein zauberte im Homburger Meisterkonzert am vergangenen Donnerstag in Klavierwerken der „Großen B’s“ Bach, Brahms und Beethoven. Nach Beethovens gefürchteten Diabelli-Variationen zum Programmschluss wollten Beifall und Bravorufe kein Ende nehmen. So zauberte der aus dem russischen Nishni Nowgorod stammende, aber seit seinem achten Lebensjahr in Deutschland ausgebildete Pianist ein letztes Mal und porträtierte sich selbst in Schumanns letzter Kinderszene „Der Dichter spricht“. Was für eine subtile Anschlagskunst, welch hauchzarte Balance zwischen den vorgeschriebenen Piano- und Pianissimo-Werten, was für eine gedankentiefe Poesie.
Technische Brillanz zeichneten hingegen die vorausgegangenen Klavierwerke aus. Johannes Brahms hatte 1877 die Chaconne d-Moll aus der Partita für Violine alleine von Johann Sebastian Bach für Klavier bearbeitet, genauer: für die linke Hand auf dem Klavier, um dem Violin-Original möglichst nahe zu kommen. Nach ein paar kleinen Vergriffen in den weitgespannten Arpeggien zu Anfang tastete sich der junge Pianist immer sicherer durch die 64 (!) Veränderungen über der ständig wiederkehrenden Bass- und Harmoniefolge und ließ ein verblüfftes Publikum zurück.
Bezaubernd elegant, voll Licht und Grazie war die Interpretation der Sonate G-Dur opus 14/2 von Ludwig van Beethoven, ganz im Sinne des russischen Musikologen Jurij Cholopow. Igor Levit betonte aber auch den typisch Beethovenschen Humor im männlich-weiblichen Streit um „Principien“ im Kopfsatz, in den „falschen“ Betonungen des langsamen Variationensatzes und in den flirrenden Anapäst-Rhythmen des finalen Rondos.
Und zuletzt das aufgetürmte Gebirge der „33 Veränderungen über einen Walzer von Anton Diabelli“, opus 120, mit dem sich Ludwig van Beethoven zwischen 1819 und 1823 mit 49 anderen zeitgenössischen Komponisten an einem Sammelauftrag beteiligte. Welche Seelenlandschaften taten sich unter den Händen des russischen Gastes auf, was für ein Lebensweg zwischen liebevollen, hauchzart angedeuteten Walzer-Klängen und rabiaten Zerstörungsanfällen über dem vorgegebenen Thema, aber auch welcher Behauptungswille gegenüber allen Widrigkeiten.
Im ausverkauften Kulturzentrum Homburger Saalbau erlebte man weniger einen guten Pianisten als einen nachschaffenden Poeten, dem alle Ausdrucksmittel zur Verfügung stehen.

Schumanns so schlichtes wie geniales Klavierwerkchen bekam im Nachkonzert bei vielen den leicht abgeänderten Titel „Ein Dichter sprach“.

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