Der Waldstreit hat in St. Ingbert Tradition

Unsere Woche · Ein Kahlschlag auf Sechs Eichen hat wieder einmal gezeigt: Wenn es um ihre natürliche Umgebung geht, sind die St. Ingberter schnell alarmiert. Diese Grundhaltung hat in der Stadt des Waldstreits Tradition. Der Förster war wieder gefordert – als Rechtfertiger der Waldnutzung.

Die St. Ingberter und ihr Wald, das ist eine besondere Beziehung. In einer Stadt, in der mehr als die Hälfte der knapp 50 Quadratkilometer Stadtgebiet mit Wald bestanden ist, findet sich schnell ein Anlass zur Sorge um Bäume. Das idyllische Grün scheint immer in Gefahr. Und wenn in St. Ingbert um Baumfällungen gestritten wird, geht es gerne emotional und auch schon mal holzschnittartig zu. Jüngstes Beispiel in dieser Woche: Ein Einschlag im Waldgebiet auf Sechs Eichen, der auf die Kappe von Borkenkäfern ging. Die Vorwürfe, die diesmal folgten, waren aber besonders starker Tobak. Um die vermeintliche Illegalität des Kahlschlags zu entlarven, wurde dieser Frevel auch noch den Forstarbeitern in die Schuhe geschoben, die aus Polen stammen. Das ist eine Form von Naturschutz, von der man gerne verschont bleibt.

Umso erstaunlicher, wie Förster Bodo Marschall mal wieder seine Paraderolle übernahm und zeigte, was Förster sein heute heißt. Aus der Respektsperson im Grünrock ist längst der permanente Rechtfertiger der Waldwirtschaft geworden. Als solcher wiederholt Marschall gebetsmühlenhaft den Hinweis, dass zwischen Stiefel und Schüren kein Baum ohne Grund gefällt werde. Doch damit nicht genug. Die regelmäßigen Zweifel am Tun der Forstleute findet er sogar positiv, weil Vorwürfe zum Geschehen im Wald ja auch Interesse am Wald bedeuteten. Das Arbeiten in der Natur und an der frischen Luft macht offenbar tiefenentspannt.

Gelassenheit gehört in St. Ingbert aber wohl zur unabdingbaren Försterpflicht. Und das sozusagen traditionell. Hat doch der "Waldstreit" seinen festen Platz in der Stadtgeschichte. Von 1754 bis 1791 stritten St. Ingberter durch alle Instanzen, welche Holznutzungsrechte dem gemeinen Volk in den Waldungen der Reichsgrafen von der Leyen auf ihrer Gemarkung zustanden. Okay, die Helden des historischen Waldstreits wie Heinrich Henrion, Hanspeter Hellenthal oder Peter Eich blickten auf den Brennwert des Baumbestands und Worte wie Nachhaltigkeit oder Ökologie waren für sie keine Begriffe. Mit dem wohlwollenden Verständnis von Bodo Marschall gedeutet, war aber allein schon ihr frühes Bewusstsein für den Wert des Waldes eine gute Sache.

Aus den Waldnutzern sind im Lauf der Stadthistorie Waldliebhaber geworden. Die Lust am Waldstreit ist aber, heute getragen von Umwelt- und Naturschutzgedanken, über Generationen geblieben. Die nächste Fällung in der Stadt inmitten von Wäldern und Höhen wird kommen - und mit ihr neuer Waldstreit. Förster Bodo und seine Kollegen bleiben gefordert.

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