120 verschiedene Modelle Saarländer sammelt Auto-Winzlinge aus vergangenen Zeiten

St. Ingbert · Vom Goggo über die Isetta bis zum Messerschmitt Kabinenroller: Ein Ingenieur im Saarland hat dutzende Kleinstwagen aus den Anfängen der Bundesrepublik gesammelt. Viele hatten noch keinen Rückwärtsgang

Saarländer aus St.Ingbert sammelt Oldtimer
Foto: dpa/Harald Tittel

Es sind leichte Autos aus schweren Zeiten. Heute stehen sie in knallbunten Farben in der großen Halle des Ingenieurs Stefan Voit (75) im saarländischen St. Ingbert. Glänzend wie in einem Verkaufsraum. Vor 25 Jahren hatte sich Voit auf einer Motorradmesse in Saarbrücken in einen Messerschmitt Kabinenroller verguckt. Seither hat er eine private Sammlung von insgesamt 120 Kleinstautos und Motorrollern zusammengetragen: Leicht gebaut und schwach motorisiert erinnern sie an die Zeit nach dem Krieg und an das beginnende Wirtschaftswunder.

„An den Autos fasziniert mich, dass sie oft von einer einzigen Person entwickelt, konstruiert und gebaut worden sind“, sagt Voit. Meist aus einem Motorradmotor. „Das ist für mich wahre Ingenieurskunst. Davor habe ich allerhöchsten Respekt.“ Schließlich habe er als Student auch mal ein komplettes Auto selbst gebaut, es durch den TÜV gebracht und sei damit Rennen gefahren.

Sein Blick gleitet in der Halle über die Autos, von denen die BMW Isetta und der Messerschmitt Kabinenroller zu den prominentesten gehören. „Das sind fast alles Cabrios, weil ein Cabrio billiger war als ein Auto mit festem Dach. Dafür hätte man ein teures Presswerkzeug gebraucht“, sagt er. „Also hat man da lieber ein Stoffdach oder eine Glaskuppel draufgemacht.“

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Sein Lieblingsauto ist ein roter Kleinschnittger aus dem Jahr 1949. Der Motor kommt mit 125 Kubikzentimetern Hubraum auf fünf PS Leistung. „Mit dem fahre ich heute noch im Stadtverkehr locker mit“, sagt Voit. Schließlich war der gummigefederte Kleinschnittger das erste Kleinauto mit einer Aluminiumkarosserie. Es wiegt daher nur 150 Kilogramm. Das ist praktisch, weil der kleine rote Flitzer keinen Rückwärtsgang hat: Man hebt ihn am Heck einfach hoch und stellt ihn in die gewünschte Richtung.

Die Schmuckstücke hat Voit vor allem aus Deutschland und Frankreich zusammengetragen. Oft stammten sie aus Nachlässen - und sahen anfangs gar nicht so fesch aus. „Sie holt man aus Scheunen raus. Dann müssen sie restauriert werden“, sagt der Unternehmer. Der Wert der Sammlung, die auf Anfrage besichtigt werden kann, sei schwer zu beziffern. Manche Gefährte seien ein paar zehntausend Euro wert, andere wie der TG 500 - der im Volksmund „Tiger“ genannt wurde - liegen bei mehr als 100 000 Euro.

Der gelernte Werkzeugmacher und studierte Maschinenbauer staunt über die Autokonstrukteure der Nachkriegszeit: „Was diese Leute sich alles ausgedacht haben!“ Er zeigt auf den Zündapp Janus: Ein Auto mit einer Tür vorne und einer Tür hinten, die hinteren Passagiere saßen mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Der Motor befand sich genau zwischen den Lehnen der vorderen und der hinteren Sitzbank. „Das ist der einzige jemals gebaute wirkliche Mittelmotorwagen“, erzählt Voit.

Das Goggomobil von Hans Glas entstand aus dem Wunsch von Motorradfahrern, endlich ein halbwegs festes Dach über dem Kopf zu haben. Und für viele Deutsche war der auch ausgestellte NSU-Prinz mit seinem Zweizylindermotor das erste Auto überhaupt. Für Voit war es das „Cremeschnittchen“: So wurde im damals noch französischen Saarland der Renault 4CV genannt, der deutlich billiger war als aus Deutschland importierte Autos.

Die Autos seien damals so klein gewesen, weil sie ja nur kleine Motoren mit wenig PS hatten, erklärt der Ingenieur. „Da musste man darauf achten, dass das Fahrzeug nicht schwer wird.“ Den historischen Autos von Herstellern, die längst nicht mehr existieren, hat der Saarländer auf rund 1000 Quadratmetern mit angrenzender Werkstatt ein stattliches Denkmal gesetzt. Ein Museum will er nicht daraus machen - aber angemeldete Besucher führe er gerne, sagt er.

Für seine Sammlung träumt Voit noch von einem französischen Reyonnah, von dem nur 16 Exemplare gebaut wurden. Wenn man ihn vorne hochhebt, klappen die Vorderräder zusammen, dass er nicht mehr Platz benötigt als ein Motorrad. Und gerne hätte er den Piccolo, einen Anhänger für die auch als „Knutschkugel“ bekannte Isetta: Man kann deren Oberteil abnehmen und wie ein festes Zelt auf die Wiese stellen, während das Unterteil als Boot zu Wasser gelassen werden kann. „Wenn ich das bekommen könnte, gäbe ich dafür mein letztes Hemd“, sagt er.

Der Statistik des Kraftfahrtbundesamtes zufolge gab es 2018 in Deutschland gut 477 000 Fahrzeuge und Anhänger, die mindestens 30 Jahre alt waren und damit als Oldtimer galten. Dabei handelte es sich um Gefährte, die mit einem Historienkennzeichen im Straßenverkehr unterwegs sein durften. Von diesen Exemplaren waren rund 7,4 Prozent (35 539) 60 Jahre und älter. Die große Sammlung der Autochen von Voit ist somit eine ganze besondere, auch wenn er sagt: „Es ist nicht die Einzige. Ich habe Freunde, die auch noch sammeln. Zum Glück.“

(dpa)
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