Saarländerin steuert Nasa-Fähre auf den Mars „Ich bin im Herzen ein Entdecker“

Saarbrücken/Pasadena · Start in Wiebelskirchen, Landung auf dem Mars: Eine Saarländerin ist bei der Nasa am Erfolg der InSight-Mission beteiligt.

 Moment der Freude am vergangenen Montag: Aline Zimmer (Mitte) schlägt im Kontrollraum die Hand vors Gesicht, ihrer Kollegin Julie Wertz-Chen kommen die Tränen, als die Daten bestätigen: InSight ist auf dem Mars gelandet, hat die „sieben Minuten des Schreckens“ überstanden. 

Moment der Freude am vergangenen Montag: Aline Zimmer (Mitte) schlägt im Kontrollraum die Hand vors Gesicht, ihrer Kollegin Julie Wertz-Chen kommen die Tränen, als die Daten bestätigen: InSight ist auf dem Mars gelandet, hat die „sieben Minuten des Schreckens“ überstanden. 

Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com/dpa Picture-Alliance / Bill Ingalls

Als vor einer Woche die Nasa-Experten in Kalifornien die Landung der Sonde InSight bejubelten, war eine Saarländerin mittendrin – und für den Erfolg mitverantwortlich. Dr. Aline Zimmer (33) wuchs in Wiebelskirchen auf und machte ihr Abi am Neunkircher Krebsberggymnasium, ehe sie Luft- und Raumfahrttechnik in Georgia und Stuttgart studierte. Seit sechs Jahren forscht sie am Nasa Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena. Bei der InSight-Mission war sie als System-Ingenieurin für „Entry, Descent und Landing“ im Boot. Wir haben Sie in Pasadena erreicht.

Frau Zimmer, wie geht es InSight?

ZIMMER InSight geht‘s gut. Die Landung hat wunderbar funktioniert. Die Solarpanels sind ausgefahren – das ist eine kritische Phase. Wäre das nicht gelungen, wären irgendwann die Batterien leer gewesen, das hätte das Ende der Mission bedeutet. Jetzt wird mehr Strom produziert als nötig. Das Surface Operations Team untersucht den Zustand der Instrumente: Haben sie die Landung gut überstanden, wie geht es dem Arm, der sie aussetzen soll? Und es sondiert das Terrain vor dem Landefahrzeug, um herauszufinden, wo man am besten die Instrumente platziert.

Hat die Mission jetzt das Gröbste überstanden?

ZIMMER Die Landung ist die kritischste Phase der Mission. Auf der Oberfläche können zwar immer noch Sachen schiefgehen. Aber wenn etwas nicht gleich funktioniert, kann man es noch mal probieren. Bei der Landung muss alles im ersten Versuch klappen.

Die Arbeit an dieser Mission ist sicher sehr spezialisiert. Was genau waren und sind Ihre Aufgaben?

ZIMMER Mein Schwerpunkt waren genau diese „Seven minutes of terror“, also die sieben Minuten des Schreckens vor dem Aufsetzen. Wir waren in den letzten Wochen extrem eng in die Operation eingebunden, mit vielen Überstunden. Mein Team bekam vor allem vor Ende des Fluges stündlich von den Navigatoren Updates, wo genau sich das Raumfahrzeug befindet und wie schnell es sich bewegt. Wir haben zehntausende Flugbahnen durch die Atmosphäre berechnet, um alle Ungenauigkeiten einzufangen, die man nicht vorhersehen kann: bei der Geschwindigkeit, den Winden, der Temperatur. Meine Aufgabe im Team war es, diese auf ein kleineres Daten-Set zu reduzieren. Wir mussten in einer Lande-Ellipse von 130 auf 25 Kilometer ankommen. Wir haben Empfehlungen gemacht, der Projektmanager hat entschieden.

Eine Marslandung war bisher selten, und meistens klappt sie nicht …

ZIMMER Wenn man alle Versuche zusammennimmt, also einschließlich InSight: Es wurde 18 Mal probiert, und acht Mal hat es funktioniert.

Wie gut war Ihr Gefühl am letzten Wochenende?

ZIMMER Ich war vor der Landung guter Dinge. Aber man weiß halt nie, was an dem Tag schiefläuft. Sachen, die uns am meisten Angst machen, sind die, die wir nicht vorhersehen können. Ich habe dafür kein Beispiel, sonst würden wie sie ja berechnen. Und dann die Frage: Haben wir beim Testen des Raumfahrzeugs etwas übersehen? Das sind die Dinge, die einen nachts nicht schlafen lassen.

Wann hatten Sie denn letztmals die Chance, das Schicksal von InSight noch zu beeinflussen?

ZIMMER Zwei Stunden vor dem Eintritt. Da kann man noch ein letztes Mal Dateien zum Raumfahrzeug schicken, um Parameter zu aktualisieren. Danach kann man nur noch zuschauen.

Was geschah dann noch im Kontrollraum bei der Landung, wo man Sie mit dem Team sehen konnte?

ZIMMER Es ging darum, sich so früh wie möglich die Daten anzuschauen. Wir haben auch eine Verantwortung, das mit der Öffentlichkeit zu teilen. Da braucht man mehrere Leute, um die Daten zu interpretieren.

Was war denn die besondere Herausforderung bei InSight?

ZIMMER InSight ist dem Phoenix-Raumfahrzeug nachempfunden und landete mit Fallschirm und Bremsraketen. Aber Phoenix kam sehr nah am Nordpol auf, wir sind mit InSight fast am Mars-Äquator – damit das Landegerät mehr Sonne abbekommt und damit Strom. Zudem war unser Hitzeschutzschild wegen der Sandstürme etwas dicker. Der Landeplatz war zudem höher als bei Phoenix, sodass man weniger Atmosphäre hat, um das Raumfahrzeug abzubremsen.

Sie arbeiten nun seit sechs Jahren am JPL. Wieviel Zeit haben sie in InSight investiert?

ZIMMER Ich war etwas über ein Jahr beteiligt. Vom Hintergrund her bin ich Missionsanalytiker, also spezialisiert auf Flugbahnberechnung und Optimierung. Da sind Marsmissionen für mich persönlich nicht so interessant, weil die Flugbahnen sehr vorhersehbar sind und sich alle ähneln. Ich habe in den letzten Jahren mehr an Outer-Planet-Missionen gearbeitet, also zu Monden wie Europa, Enceladus und Titan, zum Jupiter und Saturn – alles Vorphase A Studien für mögliche Missionen.

Jetzt, wo InSight vor sich hin forscht und nicht mehr fliegt, gehen Sie zum nächsten Projekt?

ZIMMER Ich werde sicher noch einige Zeit daran arbeiten, weil wir feststellen müssen, was genau in diesen sieben Minuten passiert ist. Wir wollen so viel wie möglich über die Landephase lernen. Ich werde die Mission aber schon deshalb weiter verfolgen, weil man viel Herzblut reingesteckt hat. Ich bin neulich hier in Pasadena nach Hause gefahren und habe nach dem Sonnenuntergang in den kalifornischen Sternenhimmel geblickt. Man sieht den Mars anders an als je zuvor. Ich weiß gar nicht, ob man das je richtig verstehen kann: Da ist ein Raumfahrzeug auf der Oberfläche eines anderen Planeten, mit dem man selber mal im gleichen Raum war!

Nicht weit von Wiebelskirchen, in Oberthal, ist jemand anderes groß geworden, der gerne zu den Sternen blickt: Matthias Maurer. Er ist Esa-Astronaut. Beneiden Sie ihn?

ZIMMER Als ich kleiner war, hat es mich auf jeden Fall gereizt, selbst ins All zu fliegen, und ich finde es beeindruckend, dass er es geschafft hat, dahin zu kommen, wo er jetzt ist. Aber ich muss ehrlich sagen: Das reizt mich nicht mehr. Als Kind hat man eine verklärte Vorstellung davon, was es heißt, Astronaut zu sein. Und obwohl ich es spannend fände, Schwerelosigkeit zu erfahren, reizt mich meine Arbeit hier auf der Erde mehr als die Arbeit von Astronauten auf der ISS.

... und obwohl Sie schon als Schülerin am Krebsberggymnasium eine Duschhaube für Astronauten entwickelt haben, die sogar mal bei Galileo im Fernsehen gezeigt wurde. Hat die Verwendung gefunden?

ZIMMER (lacht) Nicht dass ich wüsste. Die Haube, mit der sich Astronauten in der Schwerelosigkeit die Haare waschen können, habe ich damals für einen Wissenschaftswettbewerb entwickelt. Aber das war danach erledigt.

Ihr Vater ist Tierarzt, woher kam da das Interesse an der Weltraumfahrt?

ZIMMER Die Faszination für die Raumfahrt war immer schon da. Als ich klein war, haben mich Flugzeuge fasziniert, und wenn man rausfindet, dass man noch weiter wegfliegen kann als zum Himmel, und Dinge entdecken kann, will man das machen. Ich bin im Herzen ein Entdecker. Das ist auch ein Grund – die Neunkircher dürfen das jetzt nicht falsch verstehen –, warum ich in die Welt gegangen bin und jetzt in Kalifornien lebe.

Haben Sie damals die Sternwarte auf dem Peterberg genutzt, oder hatten Sie Ihr eigenes Fernrohr in Wiebelskirchen?

ZIMMER Ich habe besondere Ereignisse am Sternenhimmel oft mit meiner Familie von zu Hause aus beobachtet. Ich kann mich dunkel erinnern, als kleines Kind mit meiner Familie eine Mondfinsternis von einem Fenster meines Elternhauses zu beobachten. Da ging ich noch nicht zur Schule. Und die Sonnenfinsternis im Sommer 1999 hat mich wirklich beeindruckt.

Was hat Sie damals mehr für die Raumfahrt eingenommen: der Spaß an Mathe und Physik – oder doch Captain Kirk und die Enterprise?

ZIMMER Im Prinzip beides. Mich hat Mathe und Physik immer interessiert, es ist mir auch leicht gefallen. Aber ich mag Science Fiction, eigentlich alles. Ein Trekkie bin ich mittlerweile zwar auch, aber Star Wars hat mich schon früher fasziniert.

Wenn wir schon von Science Fiction reden: Was halten Sie von den Projekten Elon Musks, der verkündet, in wenigen Jahren selbst zum Mars zu fliegen? Man könnte denken, der blufft?

ZIMMER Ich verfolge schon mit großem Interesse, was Elon Musk macht, schon weil mein Mann bei seiner Firma Space X arbeitet, die immerhin über die stärkste existierende Trägerrakete verfügt. Musk ist ein Unternehmer, ein Macher, und er ist ein Visionär. Ihm ist schon vieles gelungen.

Halten Sie denn einen bemannten Mars-Flug überhaupt für machbar, wo es schon eine Kunst ist, einen kleinen Lander abzusetzen – der nicht mal zurückfliegen muss?

ZIMMER Es ist komplex, aber es ist möglich. Und das wird es auch sicher geben. Wann das genau sein wird, kann ich nicht sagen. Ich selbst beschäftige mich ja beruflich mit unbemannten Missionen.

… haben sich im Studium aber mit bemannten Flügen zu Asteroiden beschäftigt, dafür den Leopoldina-Preis erhalten. Kommt sowas, und wozu?

ZIMMER Zu der Zeit waren bemannte Flüge zu Asteroiden das Ziel der Nasa. Ich habe in meiner Promotion dazu Flugbahnen berechnet. Asteroiden sind in Hinblick auf technologischen Schwierigkeitsgrad und Missionsdauer attraktive Missionsziele und technisch durchaus machbar. Sie bieten zusätzlich die Möglichkeit, die Grenzen der bemannten Raumfahrt über das Erde-Mond-System hinaus zu erweitern. Bei derartigen Missionen können Kompetenzen erlangt werden, die für bemannte Missionen zu ferneren Zielen wie dem Mars notwendig sind.

Und man kann nach Berechnungen, an denen Sie beteiligt waren, Asteroiden in den Mondorbit lenken? Wie macht man das und wozu?

ZIMMER Um Asteroiden umzulenken, benötigt man ein extrem starkes Antriebssystem, stärker als alle zurzeit existierenden. Ein Ziel einer solchen Mission ist es, ein eben solches System zu entwickelt, das man dann auch für zahlreiche andere Anwendungszwecke benutzen könne. Zusätzlich macht man sich die Gravitation der Erde und des Mondes zu Nutze, um den Asteroiden umzulenken. Sobald der Asteroid sich in einer Mondumlaufbahn befindet, dient er als attraktives Ziel für bemannte Missionen, da er sich leichter erreichen lässt als die Mond- oder Marsoberfläche oder weiter entfernte Asteroiden. Außerdem kann man Proben entnehmen und zur Erde zurückbringen für Analysen, die man im Weltraum nicht durchführen kann.

Sie sind jetzt seit sechs Jahren bei der Nasa. Ein Lebenstraum?

ZIMMER Ja, schon immer. Und es war auch Glück dabei, dass ich überhaupt vor einigen Jahren an ein Praktikum beim JPL gekommen bin – wo ich übrigens auch meinen Mann kennengelernt habe. Und ich bin dankbar, dass sich dort jemand entschieden hat, all die vielen Formalitäten auf sich zu nehmen, die anfallen, wenn man einen Nicht-Amerikaner anstellt. Anfangs war es auch schwierig, da ich keine Green-Card hatte, da bleiben einem Informationen vorenthalten, weil jeder Austausch mit einem Nicht-Amerikaner unter das Waffenexportgesetz fällt. Aber jetzt habe ich den nötigen Status.

So sehr Sie gerne in die Ferne schweifen: Zieht es Sie mal wieder nach Europa, weg von der Nasa?

ZIMMER Ich habe hohen Respekt vor der Arbeit der europäischen Weltraumforschung. Sie bietet viele Perspektiven. Bei der Nasa steht zwar viel mehr Geld zur Verfügung, die Esa hat geringere finanzielle Mittel. Aber dafür konzentriert sie sich stärker auf bestimmte Ziele und bleibt dabei. In den USA ändern sich die Prioritäten oft, und man muss jedes Jahr schauen, welche Mittel der Kongress bewilligt, welche Ziele der Präsident hat. Mein Mann ist Holländer, und unsere Familien leben in Europa. Daher können wir uns beide sehr gut vorstellen, wieder in Europa zu arbeiten: Nicht jetzt, aber irgendwann. Auf jeden Fall bin ich zu Weihnachten aber bei meiner Familie in Wiebelskirchen.

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