Europa- und Kommunalwahl Betreute Behinderte müssen für Wahlteilnahme Antrag stellen

Saarbrücken · Nach dem Urteil aus Karlsruhe wird der Landtag am Montag in einer Sondersitzung das Wahlrecht ändern. Der Linken geht das nicht weit genug.

 Antrag stellen, wer wählen will. (Symbolbild)

Antrag stellen, wer wählen will. (Symbolbild)

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die 850 erwachsenen Saarländer, die bisher nicht an Wahlen teilnehmen dürfen, sollen bei der Kommunal- und Europawahl am 26. Mai mitwählen können. Sie müssen dazu allerdings den Antrag stellen, ins Wählerverzeichnis aufgenommen zu werden. Das sieht der Gesetzentwurf vor, auf den sich CDU- und SPD-Fraktion geeinigt haben. Er soll am Montag in einer Sondersitzung des Landtags im Schnellverfahren beraten und beschlossen werden, so dass er rechtzeitig zur Wahl in Kraft treten kann.

Menschen, für die ein Gericht eine Betreuung in allen Angelegenheiten angeordnet hat, sowie Straftäter, die wegen Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, sind bisher pauschal vom Wahlrecht ausgeschlossen. Dies ist in den Wahlgesetzen des Bundes und des Landes verankert. Das Bundesverfassungsgericht hatte am 29. Januar und am 15. April jedoch festgestellt, dass die entsprechenden Passagen in den Gesetzen für die Bundestags- und die Europawahl verfassungswidrig sind.

Im Saarland, das in diesem Punkt identische rechtliche Vorgaben hat wie der Bund, ist nun konkret Folgendes geplant: Bisher vom Wahlrecht ausgeschlossene Menschen, die einen Antrag auf Eintragung ins Wählerverzeichnis der EU-Wahl stellen, dürfen automatisch auch bei der Kommunalwahl am gleichen Tag wählen. Wer nur bei der Kommunalwahl wählen will, kann das ebenfalls beantragen. „Es reicht, wenn die Person sagt: Ich will wählen“, sagte die SPD-Innenexpertin Petra Berg. Deshalb gebe es keine echte Hürde für diese Personen. Meist handelt es sich um psychisch oder geistig beeinträchtigte Menschen. Eine Hilfsperson könne diesen Antrag an die jeweilige Kommune richten, sagte Berg, sie dürfe aber nicht das Wahlrecht anstelle der Person ausüben.

Diese Regelungen, die am Montag beschlossen werden sollen, sollen für alle Wahlen und auch für Bürgerentscheide und Bürgerbegehren gelten, bis das Landtags- und das Kommunalwahlgesetz entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts überarbeitet sind.

Die Linke will am Montag einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen, in dem sie fordert, die Wahlaus-
schlüsse komplett aus dem Gesetz zu streichen. Ralf Georgi, behindertenpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion, teilte mit: „Es darf nicht zweierlei Wahlrecht auf kommunaler Ebene geben: einmal das volle Wahlrecht für Menschen ohne Behinderung und einmal nur auf Antrag für Menschen unter Betreuung oder in psychiatrischen Krankenhäusern.“

Aus der Sicht von Petra Berg würde dies aber rechtliche Probleme im Hinblick auf eine spätere Novellierung des Gesetzes aufwerfen. Denn ganz gestrichen sollen die Wahlrechtsausschlüsse nicht, das Bundesverfassungsgericht habe lediglich den pauschalen Ausschluss des genannten Personenkreises vom Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt, nicht aber Einzelfälle. Auch künftig sollen laut Berg nämlich Menschen, die sich keinen Willen bilden und keinen Willen äußern können, vom Wahlrecht ausgeschlossen bleiben. Das betrifft zum Beispiel Menschen im Wachkoma oder mit starker Demenz.

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