Beckingen Altes Wissen aus dem Haustadter Tal

WADERN/BECKINGEN · Schülerinnen des Hochwald-Gymnasiums in Wadern arbeiten für einen Wettbewerb die Geschichte des Landkreises wieder auf.

 Die Mädchengruppe vom HWG Wadern fand in der Zeitzeugin Erika Wagner (links) eine gute Informantin für ihr Geschichtsprojekt.

Die Mädchengruppe vom HWG Wadern fand in der Zeitzeugin Erika Wagner (links) eine gute Informantin für ihr Geschichtsprojekt.

Foto: Tina Schweitzer/HWG

 Alle zwei Jahre schreibt der jeweilige deutsche Bundespräsident zu wechselnden Themen einen Geschichtswettbewerb aus. Diese Tradition wird auch vom derzeitigen Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier fortgesetzt.

Das Thema seiner aktuellen Auflage des Wettbewerbs, der  von September 2018 bis Februar 2019 läuft, lautet: „So geht`s nicht weiter. Krise; Umbruch; Aufbruch“. Teilnehmer an diesem Projekt, dem größten historischen Geschichtsforschungswettbewerb für Kinder und Jugendliche bis 21 Jahre, sind auch die Klassen 7c und 7d des Hochwaldgymnasiums Wadern unter Leitung der beiden Studienrätinnen Aline Baltes und Dr. Tina Schweitzer als Tutorinnen. Auf die Frage nach dem Sinn des Projektes zum vorgenannten Thema erklären sie, dass dabei Schüler bundesweit die Geschichte ihrer Region, ihrer Familien und Heimatorte erforschen und betonen: „Die Schülerinnen und Schüler des HWG Wadern beschäftigen sich dabei speziell mit der Geschichte des Landkreises Merzig-Wadern in den 1920er und 1930er Jahren.“ Infolge des Versailler Vertrages nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Kreis in einen Stamm- und einen Restkreis geteilt. Während die Bürgermeistereien Losheim, Weiskirchen und Wadern als Restkreis Merzig (–Wadern) bei dem Deutschen Reich verblieben, wurde der Stammkreis Merzig wie auch das übrige „Saargebiet“ der Verwaltung des Völkerbundes unterstellt. Die Trennung des ursprünglichen Landkreises gilt damit als Sinnbild der Krise, die mit einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruch verbunden ist. Der Frage, welche Auswirkungen diese neue Grenze durch unseren Kreis auf die Bewohner der Regionen hatte, gehen die Schülerinnen und Schüler des HWG gerade nach.

So stießen sie mit ihren Tutorinnen zu Beginn ihrer Recherchen auf einen SZ-Artikel, der am 14. Januar 2010 unter der Überschrift „Als Hargarten ein Grenzort war“ erschienen war und eine für das Projektthema interessante Lektüre darstellte. Auf eine Nachfrage bei dem Verfasser verwies dieser sie an seinen ehemaligen Rathauskollegen Herbert Dewes aus Hargarten, der als zweiter Vorsitzender des dortigen Heimat- und Kulturvereins sowie Organisator vieler Brauchtumsveranstaltungen auch mit der Geschichte seines Heimatortes, also auch der Zeit als Grenzort, bestens vertraut ist. Gerne bot dieser seine Hilfe an. So machte sich kürzlich eine Arbeitsgruppe von sechs Schülerinnen des HWG mit ihren beiden Tutorinnen per Kleinbus auf in das Haustadter Tal, das von der ehemaligen, von 1920 bis 1935 dort existierenden Grenze zwischen dem Deutschen Reich und dem unter der Verwaltung des Völkerbundes stehenden Saargebiet betroffen war.

In Hargarten wurden sie von Dewes herzlich begrüßt und hatten mit ihm dann verschiedene markante Punkte der ehemaligen Grenze besichtigt. Erster Treffpunkt war ein Hausbesuch bei der 96-jährigen  Zeitzeugin Erika Wagner geborene Göttert. Sie wurde zu der einstigen Grenzsituation, insbesondere zu den Schmuggelgeschichten und dem Verhältnis der Hargarter Dorfbevölkerung zu den französischen Zollbeamten, befragt und schilderte den Schülerinnen manche eigene oder von anderen erlebte Zoll- und Schmuggelgeschichten. So sei auch sie als junges Mädchen einem professionellen Schmuggler behilflich gewesen, bis es ihre Mutter untersagt hätte. Ebenfalls gut in Erinnerung ist ihr, wie ein Ferkel ihres Onkels aus Zwalbach per Handwagen über die Grenze gebracht wurde. Als Schmuggelmöglichkeit wurden unter anderem auch kleine, in Rissenthal beladene Flöße auf dem nach Hargarten fließenden Hahnenbach genutzt. Ansonsten berichtete die Zeitzeugin Wagner von einem entspannten Verhältnis zwischen der Dorfbevölkerung und den Zollbeamten.

Als nächstes ging es dann zum französischen Zollhaus an der Abzweigung nach Rissenthal. Heimatkundler Dewes erzählte hier, dass die Zöllner 1920 nach Hargarten kamen und anfänglich in Privatquartieren wohnten, bis im Jahre 1925 das Zollhaus fertig war, wie viele Familien dort wohnten und wo das heute noch sichtbare Büro der Zöllner war. Von dem Anschluss der fertigen Zollhäuser an die Wasserversorgung profitierte ebenso das Unterdorf von Hargarten. Dewes berichtete auch von dem gelungenen Zöllnerfest, das am 5. Juni 2010 mit einem entsprechenden historischen Programm als Erinnerung an die ehemalige Grenzsituation gefeiert wurde.

Beim dritten Treffpunkt konnte ein alter Grenzstein mit seiner Nummer sowie den Zeichen D (für Deutschland) und S (für Saargebiet) in Augenschein genommen werden. Auch hier gab der seiner Heimat sehr verbundene Hargarter die  entsprechenden Informationen, dass die Steine entlang der seinerzeitigen Grenze aufgestellt waren und heute noch zahlreiche, teils im Wald oder Gebüsch versteckt sind. Ferner konnten die wissbegierigen Besucher erfahren, wie die Grenze zwischen Hargarten und Rimlingen kontrolliert wurde und wo sich die Unterstände der französischen Zollbeamte befanden.

Vorab durch entsprechende Karten informiert, begab man sich gemeinsam zu Fuß zur Grenzregulierung auf dem Hungerberg als viertem Treffpunkt, wo Dewes hierzu nähere Details erklärte. Die fünfte Station sah eine Besichtigung des ehemaligen Grenzverlaufs zwischen dem Saargebiet und dem Deutschen Reich an der Straße von Hargarten nach Rissenthal vor.  Dabei gab es von Dewes auch Auskunft darüber, was ein „kleiner Grenzverkehr“, insbesondere für die Bauern bedeutete. Er zeigte zudem das deutsche Zollhaus am Ortseingang von Rissenthal, das heute als Wohnhaus genutzt wird.

Sehr interessant für die Schülerinnen und ihre beiden Lehrerinnen war auch die sechste und letzte Station des geschichtlichen Info-Besuches in der Gemeinde Beckingen. Dabei ging es um den Verlauf der ehemaligen Grenze zwischen dem damals noch zur Bürgermeisterei Losheim gehörenden Oppen (früher selbstständige Gemeinde und seit 1974 Ortsteil von Beckingen) und dem Nachbarort Reimsbach. Reimsbach gehörte als Teil der Bürgermeisterei Haustadt zum Saargebiet, heute ist es ebenfalls Teil der Gemeinde Beckingen. Diese historischen Informationen hatte Herbert Dewes bei seinem früheren Kollegen, Kulturamtsleiter und gebürtigen Oppener, Armin Buchheit, in Erfahrung gebracht. Kaum vorstellbar war den Schülerinnen, dass auf einem bestimmten Teil der Straße, die beide Orte verbindet, auf der einen Straßenseite Wohnhäuser zu Oppen und auf der anderen Straßenseite zu Reimsbach gehörten und wie die Grenze weiter ins freie Feld führte. Auch das deutsche Zollhaus, das damals eine richtige Station mit Schlagbaum war, wurde in Augenschein genommen.

Mit leckeren, hausbackenem Lebkuchen aus dem einstigen Grenzort Hargarten bedankte sich Herbert Dewes abschließend bei den Schülerinnen und bei ihren Lehrerinnen für deren  Aufmerksamkeit. Diese gaben mit Applaus das Lob für die sehr interessante und lehrreiche Führung gerne an ihn zurück.

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