Perl Welche Landwirtschaft Zukunft hat

Perl · Um aktuelle Probleme und Zukunftsperspektiven der Landwirtschaft ging es bei einer Podiumsdiskussion in Perl.

 Diskutierten über den Erhalt der Landwirtschaft (von links): Joachim Boesen, Vorstandsmitglied im Bund deutscher Milchbauern, Hans Lauer, Geschäftsführer des Saar-Bauernverbandes, Markus Tressel, Vorsitzender der Grünen im Saarland, Harald Ebner, Mitglied im Agrarausschuss des Bundestages und Christian Krupp, Ökolandwirt vom Schlossgut Pillingen bei Perl und Vorstandsmitglied beim Landesverband Bioland Rheinland-Pfalz/Saarland.

Diskutierten über den Erhalt der Landwirtschaft (von links): Joachim Boesen, Vorstandsmitglied im Bund deutscher Milchbauern, Hans Lauer, Geschäftsführer des Saar-Bauernverbandes, Markus Tressel, Vorsitzender der Grünen im Saarland, Harald Ebner, Mitglied im Agrarausschuss des Bundestages und Christian Krupp, Ökolandwirt vom Schlossgut Pillingen bei Perl und Vorstandsmitglied beim Landesverband Bioland Rheinland-Pfalz/Saarland.

Foto: Tina Leistenschneider

Über die spannende Frage „Erhalten, was uns erhält – welche Landwirtschaft wollen wir?“ diskutierten im Perler Schengen-Lyzeum dieser Tage Hans Lauer, Geschäftsführer des Saar-Bauernverbandes, Joachim Boesen, Vorstandsmitglied im Bund deutscher Milchbauern, sowie Christian Krupp, Ökolandwirt und Vorstandsmitglied beim Landesverband Bioland Rheinland-Pfalz/Saarland. Ebenfalls eingeladen nach Perl war Harald Ebner, Mitglied des Bundestages (Bündnis 90/Die Grünen) im Agrarausschuss des Bundestages. Die Grünen im Saarland hatten die Podiumsdiskussion organisiert.

„Trotz dichter Besiedelung wird die Hälfte der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt“, eröffnete Grünen-Landeschef Markus Tressel die Diskussionsrunde. „Rund eine Million Menschen erzeugen in rund 270 000 landwirtschaftlichen Betrieben Waren im Wert von rund 50 Milliarden Euro im Jahr“, rekapitulierte er. Nichtsdestotrotz stehe die Landwirtschaft vor diversen Problemen: Industrialisierung in der Erzeugung, Klimawandel und Veränderungen im Konsum- und Ernährungsverhalten der Verbraucher. Während eine Hälfte der Kunden bewusst zu qualitativ hochwertigen Produkten greife, kauften andere zum günstigsten Preis ein, der Tierschutz bleibe meistens unbeachtet. „Wir haben eine Entwicklung in der Regionalvermarktung“, erläuterte Bauernverbands-Geschäftsführer Lauer und verwies auf die Chance für kleine Betriebe, die mit viel Engagement viel Erfolg erzielen. Nicht nur ihnen empfahl Lauer die Selbstvermarktung ihrer Produkte.

Tressel verwies auf die Kooperation zwischen dem Gütesiegel Bioland und der Discounterkette Lidl, die Anfang des Jahres angelaufen ist. „Wir müssen Bio da verkaufen, wo der Verbraucher ist, und die sind im Discounter“, sagte Christian Krupp, selbst Bioland-Bauer. Für ihn steht die Landwirtschaft vor drei Problemen: „Erstens: Das Einkommen der Betriebe muss gesichert sein. Zweitens muss die Gesellschaft Farbe bekennen zu dem, was sie will. Und drittens: Krisen lösen.“

Eine dieser Krisen sei das Ungleichgewicht in der Förderung der landwirtschaftlichen Betriebe. „Es darf nicht sein, dass der, der viel hat, viel bekommt“, rügte Ebner. Hintergrund ist, dass die Europäische Union Fördermittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an die Bauern zahlt. Ab 2021 plant die EU-Kommission Kürzungen um 25 Prozent für umweltbewusste Landwirte und Verbände, die auf Dünger und chemische Pflanzenschutzmittel verzichten. Dagegen lehnen sich viele Landwirte auf, auch Joachim Boesen, der die jetzigen Zahlungen als „unablässig“ ansieht, um den Fortbestand der Betriebe zu sichern.

Die Freiheit, für den Weltmarkt zu produzieren, haben kleinere Betriebe den Worten von Ebner zufolge nicht. Er forderte: „Mehr Wertschöpfung durch mehr Wertschätzung“ seitens der Verbraucher. Daran knüpfte Moderator Markus Tressel an, der einen Verlust der Wertschätzung der Produkte durch Großanbieter bemerke. „Gleichzeitig dürfen Discounter nicht die Macht über den Lebensmittelmarkt haben“, sagte Tressel. Ferner forderte Ebner ein verbindliches Tierhaltungsrecht, mehr Transparenz bei den Verpackungen und dass der Lebensmittelmarkt ehrlicher wird. „Es kann nicht sein, dass auf einer Milchverpackung eine Kuh auf der Wiese abgebildet ist, die nie eine Wiese gesehen hat“, kritisierte  er.

Als Vertreter einer der größten Lobby-Organisationen in Deutschland, nämlich dem Bauernverband, erntete Hans Lauer an diesem Abend die größte Kritik. Anlass war sein Bekenntnis: Von zu vielen Reglementierungen durch die Regierung halte er nichts: „Wir verbieten Glyphosat erst, wenn es weltweit verboten wird.“ Für diese Haltung kritisierte ihn Joachim Boesen: „Der Bauernverband reitet ein totes Pferd und will nicht absteigen“, rügte er. Christian Krupp schloss sich seinen Worten an und und forderte vom Bauernverband eine aktive Mitgestaltung für die Zukunft der Landwirte. Auch Ebner unterstützte diese Forderung und sprach sich überdies für ein Verbot von Glyphosat aus.

Seinen Impuls-Vortrag eröffnete Grünen-Parlamentarier Eber mit den der klaren Forderung: „Wir müssen etwas tun.“ Er sieht die Landwirtschaft in der Verpflichtung, ressourcenschonend zu arbeiten und den Treibstoffausstoß zu reduzieren. „Für Bauern ist der nährreiche Boden das Gold“, betonte er. Daher sei es notwendig, sich auf alle Wettereventualitäten vorzubereiten. Gleichzeitig verwies er auf ein gesundes Ökosystem und angesichts des Bienensterbens auf die Wichtigkeit der Insekten für die Umwelt, deren Leistung der Mensch erst würdige, werden diese nicht mehr erbracht. Daher beurteilt Ebner den Umgang mit Pestiziden kritisch. „Glyphosat könnte man eindämmen, ohne viele Erträge zu verlieren“, stand für ihr fest.

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