Windenergie „Die Stadt Wadern hat nur den Verdruss“

Jochen Kuttler, Bürgermeister der Stadt Wadern, bezieht Stellung zu den jüngsten Vorgängen rund um den Windpark Wenzelstein.

 Jochen Kuttler

Jochen Kuttler

Foto: TINA MANN

Das saarländische Innenministerium hat Ihren Teilflächennutzungsplan nun doch noch durchgewunken, nachdem es im Frühjahr 2018 noch die Genehmigung versagt hat. Wie kam es zu dem Sinneswandel in Saarbrücken?

Jochen Kuttler: Ich gehe einmal davon aus, dass sich im Innenministerium die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass unsere Klage gegen die Versagung der Genehmigung Erfolg gehabt hätte. Daran habe ich im Übrigen auch keine Sekunde gezweifelt. Vielleicht hat sie auch die Befürchtung, dass mit unserer Klage die höchst umstrittene Novellierung des Landeswaldgesetzes in Gänze kippen könnte, den Ausschlag gegeben.

Warum hatte die Stadt gegen die Versagung der Genehmigung geklagt?

Kuttler Uns wurde seinerzeit der Kompromissvorschlag gemacht, unseren sachlichen Teilflächennutzungsplan (sTFNP) doch zu genehmigen, wenn wir in Bezug auf das Gebiet Wenzelstein nachweisen könnten, dass die Bedingungen des Landeswaldgesetzes erfüllt sein. Das heißt, wir sollten hier den Schwarzen Peter bekommen und uns zudem auf rechtsunsicheres Terrain begeben. Das kam weder für den Rat noch für die Verwaltung in Betracht. Erstens haben wir die Frage gestellt, ob das Gesetz auf unseren Flächennutzungsplan überhaupt anwendbar ist, weil es nach dessen Verabschiedung in Kraft getreten ist. Und zweitens ist es nicht Gegenstand eines Flächennutzungsplanes, Detailfragen wie Zuwegung, Vorbelastung und Ähnliches zu klären.

Warum so stur?

Kuttler Das hat mit Sturheit nichts zu tun, eher etwas mit Gradlinigkeit. Weil wir, völlig unabhängig davon, wie jeder Einzelne zur Windkraft steht, und da kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein, Rechtssicherheit brauchen. Hätten wir die Novellierung des Landeswaldgesetzes bei unserer Planung – obwohl es noch gar nicht in Kraft war – berücksichtigt und wären zu dem Schluss gekommen, dass die Fläche Wenzelstein nicht geeignet ist, wären wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Abo-Wind AG verklagt worden, da man dort natürlich ein größtmögliches Interesse daran hat, möglichst rasch zu bauen.

Sie hätten doch die Erkenntnisse, die Abo-Wind gesammelt hat und die belegen sollen, dass das Projekt des Unternehmens sich auf die Ausnahmen aus dem neuen Landeswaldgesetz berufen kann, einfach übernehmen können. Das war doch der Kompromissvorschlag des Innenministeriums.

Kuttler Ein fauler Kompromiss, weil wir dann zum einen hätten privaten Gutachten vertrauen müssen und zum anderen weil solche Detailarbeiten in einer Flächennutzungsplanung nichts zu suchen haben. Genau das hätte nämlich der Anlass zu einer weiteren Klage geben können.

Sie sind aber auch so verklagt worden…

Kuttler In der Tat. Und zwar gleich zwei Mal. Zum einen hat uns die Abo-Wind AG vorgeworfen, dass wir es mit der Klage gegen das Innenministerium nicht ernst meinen.

Warum das denn? Eigentlich müsste Ihre Klage doch im Interesse des Windpark-Investors sein?

Kuttler Im Grunde schon. Aber ich vermute, dass der Abo-Wind AG die mögliche Dauer eines Klageverfahrens ein Dorn im Auge ist. So ein Prozess kann dauern. Und da es hier um Geld geht und zwar um viel Geld, zählt für den Investor jeder Tag. Man könnte den Vorwurf, der uns in der Klage gemacht wurde, in etwa so zusammenfassen: Die Stadt Wadern spiele auf Zeit. Der Vorwurf ist allerdings lächerlich: Erstens ist klar, worum es uns geht, nämlich um Rechtssicherheit, zweitens können wir nichts für die Bearbeitungszeit von Klageverfahren in diesem Land.

Hat sich Ihre Klage nun erledigt?

Kuttler Wenn man gegen eine Versagung einer Genehmigung klagt und die Genehmigung quasi durch die Hintertür doch noch erteilt wird, fehlt der Klagegegenstand. Wie das Ganze allerdings zustande gekommen ist, halte ich für, sagen wir mal vorsichtig, bemerkenswert. Unsere Rechtsanwälte stehen nun in Kontakt, um das Verfahren beizulegen.

Und worum geht es bei der zweiten Klage?

Kuttler Ja, dabei geht die Abo-Wind AG gegen unsere Veränderungssperre am Wenzelstein vor. Auch hier steht der Vorwurf im Raum, wie würden da nicht ernsthaft rangehen.

Was ist dazu zu sagen?

Kuttler Die seit Oktober 2016 gültige Veränderungssperre wurde vom Stadtrat im September 2018 um ein Jahr verlängert. Man muss diese Veränderungssperre vor dem Hintergrund der Klage rund um den Flächennutzungsplan, die wir eingereicht haben, sehen. Außerdem gibt es einen Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan auf dem Wenzelstein. Dass wir noch kein Büro mit einer konkreten Planung beauftragen konnten, hängt schlicht und ergreifend an der bisher noch nicht geklärten Finanzierung des Bebauungsplans. Die Verwaltung hat in ihrem Entwurf für den kommenden Doppelhaushalt die entsprechenden Gelder selbstverständlich eingestellt, insofern kann mit Verabschiedung des Haushalts und der Einstellung der entsprechenden Haushaltsmittel dann auch geplant werden. Dass politische Prozesse lange dauern, hat mit der Komplexität der Materie und der Vielzahl der Akteure und nicht mit mangelnder Ernsthaftigkeit zu tun.

Kann ein Bebauungsplan für den Wenzelstein das Projekt von Abo-Wind verhindern?

Kuttler Eine Verhinderungsplanung ist unzulässig und würde von jedem Gericht sang- und klanglos kassiert werden. Bebauungspläne sollen eine geordnete Entwicklung ermöglichen, sie sind nicht geeignet Projekte, die von Bundes- und Landespolitik gewünscht sind, zu verhindern. Das mag nicht jedem gefallen, was ich durchaus nachvollziehen kann, es ist aber Recht und Gesetz in diesem Land.

Wer hat eigentlich ein Interesse daran, dass sich die Windräder auf Wenzelstein so schnell wie möglich drehen?

Kuttler Sowohl die Abo-Wind AG als natürlich auch der Grundstückseigentümer, der Saarforst. Die Oberste Forstbehörde im Land hat dem Investor übrigens mittlerweile schriftlich bestätigt, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Errichtung der geplanten Windkraftenergieanlagen im historischen Wald besteht, weil die Voraussetzungen des Landeswaldgesetzes erfüllt seien. Sagen wir es mal anders: Der Saarforst, der sich in der ganzen Diskussion bislang mehr als bedeckt hielt, wird hier mit Millionenbeträgen profitieren und damit letztendlich das Land. Die Stadt Wadern selbst hat von Windenergieprojekten im Bereich Wenzelstein keinerlei Vorteile. Sie hat nur den Verdruss. Das meine ich sowohl im Hinblick auf irgendwelche monetären Vorteile als auch im Hinblick auf das Binden von Ressourcen.

Der Ärger wird trotzdem bei Ihnen abgeladen…

Kuttler Damit muss man leben. Auch wenn es mich erstaunt, dass selten gefragt wird, wer eigentlich die Gesetze gemacht hat, die zu solchen fast schon skurrilen Situationen führen. Das sind ja nicht die Vertreter in den Kommunalparlamenten oder gar die Verwaltungen. Die Gesetze und Verordnungen beim Thema Windkraft stammen vom Bund beziehungsweise dem Land. Sie sind aber clevererweise so gemacht, dass sie den Städten und Gemeinden so gut wie keinen Spielraum lassen, diese aber den Ärger der Betroffenen ausbaden dürfen. Den Schwarzen Peter haben die Kommunen.

Wenn über Wenzelstein irgendwann entschieden ist – so oder so: Wird es dann Ruhe geben?

Kuttler Das glaube ich nicht. Es gibt eine breite gesellschaftliche Mehrheit für den Atomausstieg. Das bedeutet aber auch gleichzeitig den Ausbau von erneuerbaren Energiequellen. Das versteht eigentlich jeder. Schwierig wird es bei der praktischen Umsetzung. Das Problem fängt dann an, wenn man selbst, sozusagen vor der eigenen Haustür, betroffen ist. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD im Bund beschäftigt sich auf vier von 177 Seiten mit der Energiewende und ihren umweltpolitischen Ansprüchen. Der Anteil der erneuerbaren Energien im Stromsektor soll laut Plänen der Großen Koalition von den jetzigen 38 Prozent bis zum Jahr 2030 auf einen Anteil von 65 Prozent steigen. Auch hier soll die Windenergie einen deutlichen Betrag leisten. Erklären Sie mir, wie angesichts solcher Pläne alsbald eine Befriedung erreicht werden soll.

Wie sieht es bei einem anderen umstrittenen Vorhaben aus, der Windkraft in Wadrill?

Kuttler Hier ist der Stadtrat Herr im Haus, da die Flächen zum größten Teil im Eigentum der Stadt sind. Wenn der Rat „Nein“ sagt, gilt das „Nein“. Die Ausgangslage ist eine ganz andere als bei Wenzelstein, wo ein Dritter, in dem Fall Saarforst, mit im Spiel ist. Dort haben wir das Zepter eben nicht in der Hand.

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