Hassknecht in der Gebläsehalle Ein Wutanfall von Eins-dreiundsechzig

Homburg/Neunkirchen · Gernot Hassknecht probte in Neunkirchen den Zwergenaufstand mit seinem Soloprogramm „Jetzt wird‘s persönlich“.

Keine Frage – ohne die „heute show“ würde dieser handliche kleine Wutnickel nicht auf der großen Gebläsehalle-Bühne herum wuseln Es gäbe auch kein derartiges mediales Interesse und die Zuschauerreihen wären längst nicht so gut und erwartungsfroh gefüllt. So gesehen war es ein nicht unbeträchtlicher Vertrauensvorschuss, den das hiesige Publikum der Kunstfigur Gernot Hassknecht alias Hans-Joachim Heist gewährte:

In der Kult-Sendung Oliver Welkes im ZDF zetert er sich regelmäßig in Rage, bis der Kopf puterrot ist, sich die Stimme überschlägt und die Schrift „Bildstörung“ seine cholerische, nicht mehr jugendfreie Tirade auf dem Höhepunkt so abrupt wie vorhersehbar beendet. Das kennt man, das liebt man. Das dauert allerdings auch selten länger als zwei Minuten.

Blieb also die spannende Frage: Würde dieses Konzept für zwei Stunden Dauerbespaßung reichen? Ja und nein.

„Guten Abend, schön dass ich da bin“, startete Heist und nahm sich umgehend die Regierung zur Brust: „Die SPD bückt sich noch mal für Mutti“ lästerte er zotig und bekam für seine Würdigung des Heiko Maas als „idealem Außenminister – Putin und Kim Jong-un mögen es, wenn jemand kleiner ist“ ersten lebhaften Applaus. An keinem Minister lässt er ein gutes Haar, der für Finanzen zuständige Vizekanzler beispielsweise sei so langweilig, dass Schafe, die nachts nicht einschlafen können, „Scholzes zählen“.
Dabei fehlt es dem ehemaligen roten Kommunalpolitiker durchaus nicht an Sendungsbewusstsein: „Wir müssen dringend über Demokratie reden“, schlägt Hassknecht versöhnlich-ernste Töne an, nur um dann flugs den Stammtisch und die Anti-Kopftuch-Fraktion zu bedienen: „Wer seine Frau verhüllen muss, hätte vor der Hochzeit bisschen besser hinschauen sollen“. Seltsam aufgesetzt wirkt das Zitate-Raten: „Höcke oder Hitler? A oder B? Adolf oder Bernd?“ Da alle Insider sind, wird an der Stelle schon mal dankbar über die „heute show“-Kamelle – Björn gleich Bernd – gelacht. Bei der letzten Frage entlarvt der 69-Jährige, der im hessischen Pfungstadt lebt, Martin Luther als antisemitischen Hetzer. Gähn.
Bei Gesellschaftsthemen wird es dann wieder lustiger. Heist kalauert sich vom Rentner-Schleicher auf der Autobahn bis zur tätowierten Greisin. Themen wie Gesundheitskosten oder Bildungsnot werden angerissen. Natürlich ist der Krankenkassen-Beitrag bei ihm nur so hoch, weil der Mercedes des Radiologen zu dick ist. Das hat den Charme des Beliebigen und wirkt oft abgestanden, trotzdem funktionieren seine Pointen.

Um auch wirklich alle zufrieden zu stellen, lässt der gelernte Installateur und versierte Schauspieler oft und gern den „wahren“ Hassknecht raus und eine mehr oder weniger ausgefeilte Flut deftiger Schimpfwörter vom Stapel.

Als er bei Pegida anlangt und sich hitzköpfig über die „pensionierten Beamten aus Dresden“ echauffiert, die in ihrem Hausflur eher den Gestank von „nassem Dackel und kaltem Furz“ dulden als den Duft von Kreuzkümmel, stimmt das Publikum händeklatschend zu.
Irgendwie hat es also tatsächlich funktioniert. Großes Comedy-Kino geht zwar anders. Aber dank routinierter Filmeinspielungen à la „heute show“ wurde es zumindest nie langweilig.

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