Kolumne Tiefseetauchen unterm Rasensprenger

Es war einmal vor langer, langer Zeit, da mussten die Kinder ohne Trampolin und eigenen Pool den Sommer überstehen und ohne Helm, dafür aber in Badelatschen, ins Schwimmbad radeln.

Kolumne: Tiefseetauchen unterm Rasensprenger
Foto: SZ/Robby Lorenz

Eigentlich fühle ich mich ja noch zu jung, um Erzählungen mit „Früher“ zu beginnen, aber ab und an rutscht es mir doch raus. Und dann erzähle ich, wie das früher war, im Sommer. Und dann schauen mich die Kinder an, als hätte ich meine Jugend und Kindheit auf dem Planeten „Leckfett“ im Sonnensystem „Heruff“ verbracht. Klar, auch früher gab es Pools für den Garten. Nur hießen die Schwimmbecken, waren so hoch wie zwei Dosen Fanta und hatten ’nen Durchmesser von ’nem Gullideckel. Mit den gigantischen Tauchbecken samt Pumpe und PH-Wert-Mess-Stationen von heute, zu denen es im Baumarkt sicher auch aufblasbare Drei-Meter-Sprungtürme zu kaufen gibt, hatte das nun wirklich nichts zu tun. Der heimische Garten verwandelte sich aber dennoch in ein Spaßbad, sobald der Rasensprenger zum Einsatz kam. Durch dessen enorme Wassermassen wurde dann samt Taucherbrille, Schnorchel und Flossen gesprungen, und man fühlte sich wie Patrick Duffy in „Der Mann aus dem Meer“. Getoppt wurde das nur noch vom Sprung in ein echtes Becken. Im Schwimmbad. Das war früher übrigens kein Ort, wo man „mal“ war. Nein, das Schwimmbad war der Ort, an dem man während der Ferien sechs Wochen am Stück verbrachte, und den man abends nur verließ, um zu Hause zu schlafen und was Ordentliches zu spachteln. Ganz nebenbei wurde man da nicht hingebracht und wieder abgeholt. Man fuhr selbst. Mit dem Rad. Von Furpach nach Limbach, in meinem Fall, zwei mal sechs Kilometer. In Badelatschen und ohne Helm. Würde man heute ja niemandem mehr zumuten.

Gesprungen wird seit ein paar Jahren auch gerne auf dem Trampolin hinterm Haus. Früher war ein Trampolin das Ding, das maximal einmal im Jahr zum Einsatz kam. Im Sportunterricht. In der letzten Stunde vor den Ferien. Wenn der Sportlehrer auch schon keinen Bock mehr hatte und ihm einfiel, dass das ja noch im Geräteraum rumstand. So wurde der Traum vom Fliegen wahr. Also für etwa 20 Sekunden. Dann war der nächste an der Reihe. Nur um das mal einzuordnen: Hätte man damals ein eigenes Trampolin hinterm Haus gehabt, wäre das in etwa so sensationell gewesen wie eine Raketenabschussbasis im Vorgarten. Okay, wir hatten zwar keine Pools und auch keine Trampoline; was wir aber hatten war ein Lieferservice für Speiseeis. Der hieß Eismann, hielt ein-, zweimal am Tag vor der Haustür, und kündigte sein Kommen mit einer metallisch schallernden Melodie einer italienischen Zeichentrickserie an. So ’ne Kugel Zitrone am Abend war dann auch Grund genug für einen Luftsprung.

Nur eben ohne Trampolin.

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