Matherätsel Zahlenspiel: Gleich und gleich gesellt sich gern

Homburg · Gleichheit muss man definieren, auch in der Mathematik. Das behauptet Mathe-Professor Rainer Roos in seinen jüngsten Aufgaben. Und lädt zum Mitmachen und Lösen ein.

 Mathe macht Spaß, sagt Professor Rainer Roos.

Mathe macht Spaß, sagt Professor Rainer Roos.

Foto: Rainer Roos

Kennen Sie den berühmten ersten Satz in der Präambel der amerikanischen Unabhängigkeits-Erklärung? Er lautet in einer frühen deutschen Übersetzung: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen worden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt worden, worunter sind Leben, Freiheit und das Bestreben nach Glück-
seligkeit.“

„Alle Menschen gleich erschaffen“. Hauptautor dieses Textes war Thomas Jefferson, ein Sklavenhalter. Rund 600 besaß er im Laufe seines Lebens. Mit der Gleichheit und der Ungleichheit ist es also nicht so ganz einfach, weder im Leben noch in der Mathematik.

Gilt 2/5 = 4/10, was bedeutet a/b = c/d? In beiden Gleichungen stehen links und rechts verschiedene Zeichenketten. Dies ist Ungleichheit. Bestimmt man aber die Dezimalbrüche von 2/5 und 4/10, so stimmen sie überein. Definiert man Gleichheit von Brüchen durch Gleichheit der Dezimalbrüche, dann gilt: 2/5 = 4/10. Man sieht: Gleichheit muss man definieren, genauer erklären.

Dabei stellt man drei Forderungen, die Ihnen vermutlich plausibel erscheinen:

1.      Jedes Ding ist sich selbst gleich, es gilt immer: a = a

2.      Gleichheit ist symmetrisch. Aus a = b folgt b = a.

3.      Gleichheit ist transitiv, man kann Ketten verkürzen: Aus a = b und b = c folgt a = c.

 Strukturen, die diese drei Forderungen erfüllen, heißen Äquivalenzrelationen.  Einige Beispiele: Gleichheit von Brüchen, siehe oben. Wird aber meistens anders definiert: a/b = c/d bedeutet ad = bc, (alles ganze Zahlen, b, d ungleich 0). Damit erspart man sich die unangenehmen Divisionen. Die drei Anforderungen an Gleichheit sind erfüllt.

Unsere erste Frage, Ihre erste Aufgabe: Prüfen Sie dies mit je einem Zahlenbeispiel nach. Danach gleich unsere zweite Frage, Ihre zweite Aufgabe: Gilt 14/26 = 30 247/56 171?

Und es gelte 7/13 = 22 8438/x. Wie groß ist x?

 Die ordinäre Gleichheit bei Zahlen ist auch eine Äquivalenzrelation, sozusagen die Mutter aller Äquivalenzrelationen: 3 = 3, 4 ≠ 3.

Von Gauß stammt eine weitere, er nannte sie Kongruenz, die für die Zahlentheorie unverzichtbar wurde. Wir erklären sie an einem repräsentativen Spezialfall. Die Grundlage bildet Division mit Rest, in unserem Beispiel Division durch 4:

13:4 = 3 Rest 1

18:4 = 4 Rest 2

Der Rest ist bei Division durch 4 eine der Zahlen 0, 1, 2, 3, also nie negativ. Probieren Sie es aus: Unsere dritte Frage, Ihre dritte Aufgabe: 31:4 = a Rest b. Wie groß sind a und b? Lösen Sie die entsprechende Aufgabe auch für  -31:4.

 Gauß definierte nun: Zwei ganze Zahlen sind kongruent, wenn sie bei Division durch 4 den gleichen Rest haben. Die drei Anforderungen an Gleichheit sind erfüllt. Zwei Beispiele: 17 und 33 sind kongruent, 17 und 35 sind es nicht.

 Gleich und gleich gesellt sich gern, auch hier. Fasst man die untereinander Gleichen zusammen, so entstehen, wie in der Gesellschaft, Klassen. Um eine Klasse zu beschreiben, genügt es ein Mitglied als Repräsentanten zu nennen. Dann kennt man alle.

Ein Beispiel: 15 ist Repräsentant für alle Zahlen, die bei Division durch 4 den Rest 3 haben. Ein Symbol für diese Klasse ist [15], an Stelle von 15 kann jeder andere Repräsentant stehen: [15] = [103]=… Bei Division durch 4 gibt es genau 4 Klassen, jede Zahl gehört zu genau einer Klasse. Gleichheit und Ungleichheit hat also viel mit Klassen zu tun, was ja schon Karl Marx wusste.

Was wir hier mit der Division durch 4 beschrieben haben, klappt auch mit jeder anderen natürlichen Zahl, also für 1, 2, 3, …. Division durch 1 ist ziemlich witzlos, denn dann sind alle Zahlen gleich, eine klassenlose Gesellschaft, Urkommunismus bei Zahlen. Unsere vierte Frage, Ihre vierte Aufgabe: Beweisen Sie dies.

In dem Fall gibt es auch nichts in der Art von „Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen.“ Unsere fünfte Frage, Ihre fünfte Aufgabe: Aus welchem Roman stammt dieses Zitat und wer ist dessen Autor?

Anders ist es bei Division durch 2: Nicht alle sind gleich. Fasst man die jeweils untereinander Gleichen zu einer Klasse zusammen, so gibt es zwei Klassen.  Unsere letzte Bitte, Ihre letzte Aufgabe: Beschreiben Sie die beiden Klassen.

 Manche Zahlen haben Gemeinsamkeiten, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Unser Symbolbild zeigt eine Regalwand mit Zahlen in einem Klassenzimmer.

Manche Zahlen haben Gemeinsamkeiten, die sich erst auf den zweiten Blick erschließen. Unser Symbolbild zeigt eine Regalwand mit Zahlen in einem Klassenzimmer.

Foto: dpa/Arno Burgi

 Bei Division durch 3 gibt es 3 Klassen von Zahlen, die untereinander gleich sind. Und so geht es weiter. Mit diesen Klassen kann man rechnen. Man kann sie addieren, subtrahieren, multiplizieren und manchmal sogar dividieren. Wir werden darauf zurückkommen.

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