Der Tag danach Das lange Warten hatte sich am Ende gelohnt

Kreis Neunkirchen · Für die Kandidaten war die Nacht nach der Bundestagswahl zum Teil eine sehr kurze. Doch der Krimi ging für einige, wie Christian Petry, gut aus.

 Bis um 4 Uhr in der Frühe musste Christian Petry ausharren, dann kam die befreiende Info: Über die Landesliste hat er es in den Bundestag geschafft. Bis dahin gab es wenig Grund zum Jubeln. Kevin Klein (rechts) hatte Petry Mut und Trost ausgesprochen.

Bis um 4 Uhr in der Frühe musste Christian Petry ausharren, dann kam die befreiende Info: Über die Landesliste hat er es in den Bundestag geschafft. Bis dahin gab es wenig Grund zum Jubeln. Kevin Klein (rechts) hatte Petry Mut und Trost ausgesprochen.

Foto: Jörg Jacobi

Es steht drei zu vier im Landkreis Neunkirchen. Will sagen: Nach Auszählung der Zweitstimmen und dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hat in vier der Städte und Gemeinden des Kreises die CDU die meisten Stimmen geholt. Klarer Favorit nach Prozenten ist sie in Eppelborn. Bei einer Wahlbeteiligung von 79,24 Prozent hat die CDU 39 Prozent (2013 43,3). Hier kam die SPD auf 25,6 (28,4), die Linke auf 11 (7,6), die Grünen auf 4,8 (4,1) und die FDP auf 7,0 (3,5). Die AfD, die vor vier Jahren nicht weiter in Erscheinung getreten ist, holte 9,1 Prozent.

Klarer Favorit  ist die CDU auch in Illingen. 36,1 Prozent gegenüber 41,1 zur vergangenen Bundestagswahl bedeuten aber auch hier Verluste. Das gilt auch für die SPD. Auch in der Gemeinde des SPD-Spitzenkandidaten Christian Petry gab es nur 27,7 Prozent (31,6). Die übrigen Parteien: Linke 12,1 (9,1), Grüne 4,7 (4,5), FDP 6,7 (3), die AfD kam aus dem Stand auf 9,2 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 80,14 Prozent. Auch in der dritten Illtal-Gemeinde im Kreis hat die CDU mit 33,6 (37,8) die Nase vorn vor der SPD mit 30,1 (31,8), der Linken 12,1 (10,7), Grünen 4,7 (4,2) und FDP 6,0 (2,9) sowie 9,8 für die AfD. Die Wahlbeteiligung lag hier bei 77,48 Prozent. Vierte Kreisgemeinde, in der die CDU bei den Zweitstimmen vorne liegt, ist Spiesen-Elversberg. Bei 75,72 Prozent Wahlbeteiligung kamen die Christdemokraten hier auf 30,1 Prozent (36,3), die SPD auf 28,9 (32,9), die Linke auf 13,9 (11,2), die Grünen auf 4,3 (3,9), die FDP auf 7,4 (3,3). Die Übrigen holten hier 2013 stolze 12,4 Prozent. Dieses Mal waren es 3,7 - allerdings kam die Afd in dieser Wahl auch hier auf 11,7 Prozent.

Dort, wo die SPD stärkste Partei ist, sind die Wahlergebnisse der beiden großen Parteien näher zusammengerutscht. Schiffweiler liegt mit 33,7 Prozent (35,8) an der Spitze der drei. Die CDU hat hier 27,4 Prozent (32,3), die Linke 13,8 (12,3), die Grünen 4,5 (4,2) und die FDP 5,8 (2,5). Aus den 12,9 Prozent für die Übrigen wurden 4,3 - herausgerutscht ist hier die AfD, die auf 10,7 Prozent kam. Wahlbeteiligung 76,03 Prozent. Die mit Abstand niedrigste Wahlbeteiligung hat die Kreisstadt selbst mit 68,58 Prozent. Gegen 32,9 Prozent bei der SPD (37,4) stehen hier 25 (29,9) bei der CDU. Die Übrigen: Linke 14,5 (12,5), Grüne 4,5 (4,3), FDP 6,6 (3,3) und auch hier teilen sich die Übrigen aus 2013 (12,5) nun die 12,5 der Afd und 3,8 für den Rest.

Ottweiler - die Stadt, in der auch Christian Petry vor Nadine Schön lag, hat bei einer Wahlbeteiligung von 77,54 Prozent insgesamt 30,2 Prozent für die SPD (34,2) und 27,8 für die CDU (32,6). Die Linke hat 14,3 (11), die Grünen 5,5 (5,5), die FDP 6,9 (3,4). Auf die AfD entfielen 11,1 Prozent.

  Wahlnächte sind kurze Nächte. Das galt auch für die drei künftigen Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis 298. Nach der Bundestagswahl am Sonntag hieß es in der Nacht entweder feiern oder bangen. Den wenigsten Schlaf bekam wohl der SPD-Kandidat Christian Petry ab. Erst um kurz vor 4 Uhr erreichte ihn die Nachricht des Bundeswahlleiters: Über die Landesliste — Platz drei — hat er es in den Bundestag geschafft. Dazu Petry: „Unser Wahlsystem ist schon sehr speziell, Überhang- und Ausgleichsmandate machen es möglich, dass die Spannung sogar bis 4 Uhr nachts erhalten bleibt.“ Leid tat ihm dabei die Wirtin in der Karlsberg-Klause in Welschbach: „Sie wäre wohl gerne ins Bett gegangen.“ Aber er und seine Freunde und Parteikollegen harrten aus. Bis die gute Nachricht kam. Gegen 6.45 Uhr fiel er dann ins Bett. Und verspürte, wie er sagt, „große Freude, dass ich weitermachen kann“. Schließlich habe er noch einiges vor. Sein Hauptthema: Europa. Gerade im Hinblick auf die „Leute, die kein Interesse an Demokratie haben“ und nun Teil des Bundestags seien, gelte es für ihn und seine Partei, ein „adäquates Angebot zu finden“. Das Wahlergebnis sei für ihn schon erschreckend.

Da ist er sich mit seinem Parteifreund Steffen-Werner Meyer einig. Der SPD-Kreisvorsitzende aus Spiesen-Elversberg räumt ein, das Ergebnis seiner Partei sei schon „zunächst niederschmetternd“. Allerdings habe die Sozialdemokratie 150 Jahre Parteigeschichte, und in dieser langen Zeit habe es noch einschneidendere Ergebnisse gegeben. „Wir bleiben motiviert und schauen in die Zukunft“, sagt Meyer. Die Entscheidung der Bundes-SPD, keine Koalitionsgespräche mit der CDU aufzunehmen, hält er für konsequent und richtig. Bei 13 Prozent Verlust sei die große Koalition vom Wähler schlichtweg abgewählt worden. Christ- und Sozialdemokraten haben deutlich an Zuspruch verloren, der Wähler sehe in der Konstellation keine Zukunft. „Augen zu und durch, das geht einfach nicht“, hält Meyer eine Zäsur für dringend geboten. Eine große Koalition sei prinzipiell keine Dauer-, sondern eine Übergangslösung. Seine Hoffnung: In der Opposition die eigenen Themen besser zur Geltung bringen, ohne Kompromisse eingehen zu müssen.

Meyer hat aus Kreis-Sicht zudem auch positive Einschätzungen. Christian Petry wieder im Bundestag, die Sozialdemokraten in Neunkirchen bei den Erststimmen vor der CDU - „Wir haben im Kreis mit Blick auf die Vorgaben aus dem Bund sehr gut abgeschnitten.“ Dass die AfD auf Bundesebene jetzt eine große Rolle spielt, tut ihm als Sozialdemokrat hingegen weh. „Für uns ist das erschreckend“, stellt Meyer fest.

In diesem Punkt ist er sich einig mit dem CDU-Kreisvorsitzenden Tobias Hans. Man erkenne an dem Abschneiden der AfD die Unzufriedenheit und Wut bei den Menschen. Seine Partei müsse angesichts des eigenen nicht zufriedenstellenden Ergebnisses daraus lernen: „Die CDU muss bundesweit nochmal das tun, was wir im Saarland tun. Nah am Menschen sein und Themen, die sie berühren, ernst nehmen und anpacken.“ Dabei betont Hans, die Christdemokraten sollten dafür keinesfalls nach rechts rücken, sondern in der Mitte bleiben. Übereinstimmung in Sachen AfD - in der Koalitionsfrage widerspricht Hans dagegen SPD-Mann Meyer deutlich: „Ich bedauere, dass nicht alle demokratischen Parteien gewillt sind, miteinander zu reden.“ Das sei auch eine schallende Ohrfeige für den Wähler. Als Kreisvorsitzender freut sich Tobias Hans, dass Nadine Schön und Markus Uhl den Einzug in den Bundestag geschafft haben.

Aufregung bei den Kandidaten - auch Oliver Luksic von der FDP hatte eine kurze Nacht. „Müde, aber glücklich“ präsentierte er sich am Montagmorgen schon in Berlin. Nadine Schön, die das Direktmandat im Wahlkreis 298 für die CDU geholt hat, musste nicht so lange ausharren. Für sie stand schon am Sonntagabend fest: Sie tritt ihre dritte Amtszeit im Bundestag an. „Wir haben ganz gut gefeiert“, sagte sie am Montagmittag. Gegen 2 Uhr sei sie ins Bett gefallen. Und obwohl sie sich am Montag einen freien Tag gönnte, war mit Ausschlafen nichts drin. Ihre Kinder kannten kein Erbarmen: „Um 6.30 Uhr war die Nacht zu Ende.“ Der Montag gehörte ganz den Kindern; heute geht es für einen Tag nach Berlin zur Fraktionssitzung.

Der Kreiswahlausschuss tagt übrigens am kommenden Donnerstag, 28. September, um 14 Uhr. Dann wird aus dem vorläufigen Wahlergebnis ein endgültiges.

Am Tag nach der Wahl hat Markus Uhl (CDU) ein bisschen länger geschlafen als sonst – ein kleines Bonbon nach den anstrengenden Wahlkampfwochen und der langen Zitternacht, die ihm letzlich den Wahlsieg bescherte. Viel Zeit, sich zu erholen, bleibt ihm allerdings nicht. Am Dienstagmorgen wird er schon nach Berlin fliegen zur Fraktionssitzung, in der sich die „alten“ und die neu gewählten Abgeordneten treffen werden.

Dass es trotz seines persönlichen Sieges nicht leicht sein wird, bis eine Regierung steht, ist ihm natürlich auch klar. Ein Termin ist aber gesetzt: Spätestens am 23. Oktober müsse der neue Bundestag zum ersten Mal zusammentreten. Viel früher werde es wohl auch nicht werden, vermutet er. Uhl, der ja als Nachfolger von Alexander Funk (CDU) schon seit ein paar Wochen Abgeordneter ist, liebäugelt  mit dem Haushaltsausschuss, „weil man da viel bewegen kann“. Aber auch die Arbeit im Auschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, in dem er bereits Erfahrungen gesammelt hat, findet er spannend. Grundsätzlich hat er sich vorgenommen, seiner Aufgabe in Berlin mit Bodenständigkeit, Verwurzelung im Wahlkreis und Demut zu begegnen. Dass er das überhaupt tun kann, und das Direktmandat im Wahlkreis 299 gewonnen hat, verdankt er gerade einmal gut 3000 Stimmen. Mit 33,6 Prozent der Erststimmen hatte er am späten Sonntagabend vor seinem Kontrahenten Esra Limbacher (SPD) gelegen, der am Ende 31,4 Prozent holte.

Der Tag danach: Das lange Warten hatte sich am Ende gelohnt
Foto: SZ/Müller, Astrid
Der Tag danach: Das lange Warten hatte sich am Ende gelohnt
Foto: SZ/Müller, Astrid
 Tobias Hans.

Tobias Hans.

Foto: picture alliance / dpa/Oliver Dietze

Das Wahlverhalten im Wahlkreis 299 zeigt, dass die Wähler sehr wohl zwischen Erst- und Zweitstimmer unterschieden haben und vielfach ihre Erststimme einem der beiden Spitzenkandidaten, Markus Uhl (CDU) oder Esra Limbacher (SPD),  gegeben haben, obwohl sie dann mit der Zweitstimme eine andere Partei gewählt haben.

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