Kutscherhaus „Die Kamera war größer als ich“

Neunkirchen · Mit der Firmengründung im Jahr 2016 hat sich für zwei junge Medieninformatiker ein Jugendtraum erfüllt. Die Bilanz kann sich sehen lassen.

  Die Marmorfilm-Filmemacher: links Markus Tretter, rechts Moritz Grenner in ihrem Büro im Kutscherhaus.

 Die Marmorfilm-Filmemacher: links Markus Tretter, rechts Moritz Grenner in ihrem Büro im Kutscherhaus.

Foto: Jörg Jacobi

Ein kleiner Junge schaukelt stillvergnügt vor sich hin. Sein Papa hält die Urlaubsszene per teurer Videokamera fest. Möglicherweise schaukelt der Knirps etwas zu lebhaft, jedenfalls reißt das Seil. Der Bub fliegt in hohem Bogen in eine Eispfütze. Es ist kalt, der Junge nass, der Vater in heller Aufregung. Ab zum Auto, rein mit dem Kind und lospreschen. Doch dann muss der panische Fahrer eine Vollbremsung hinlegen – und die Videokamera, gedankenlos auf dem Autodach abgelegt, fliegt über die Motorhaube und prallt noch zwei, drei Mal auf dem Asphalt auf, bevor sie liegen bleibt.

Das ist keine Szene aus einem der mittlerweile mehr als 50 Marmorfilm-Filme, die Markus Tretter und Moritz Grenner seit Firmengründung 2016 produziert haben. Nein, es handelt sich um eine Art Schlüsselerlebnis für Grenner. Er war der Junge, der anschließend die kaputte Kamera geschenkt bekam, zum Spielen war sie noch zu gebrauchen. Ein paar Jahre später gelang es dem Heranwachsenden, das Teil zu reparieren – und er benutzte die Kamera ab da fleißig, Peter Lustig und „Löwenzahn“ als Vorbild. Einer der Filme, die ihn trotz Gruselfaktor am meisten prägten, war Stanley Kubricks Stephen-King-Verfilmung „Shining“.

Die tagesaktuelle Bilanz der jungen Firma lautet: „64 zufriedene Kunden, 107 Filmprojekte, 2546 Dosen Cola, 649 Nachtschichten“, zu lesen auf der Homepage. „Ja, wir trinken beide keinen Kaffee“, grinst Tretter. Und irgendwo muss ja das Koffein herkommen – nicht nur für die Nachtschichten. Beide haben Medieninformatik studiert und mit dem Bachelor abgeschlossen, Tretter 2013, sein Kompagnon 2015. Anschließend arbeitete er weiter an der Hochschule. Bis die Stelle auslief und er den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollte. Aber nicht allein: „Mein Ding ist Organisation, Planung, so das Strukturelle.“ Bei Grenner sah er den „versierten Techniker, jemanden, der ein Auge fürs Detail hat“. Der ließ sich nicht lange betteln. Zumal der erste Auftraggeber schon in den Startlöchern stand. Es folgte ein ziemlich spontaner Dreh in Italien. Die Mode-Firma war so zufrieden, dass sie die Dienste von Marmorfilm seit dem regelmäßig in Anspruch nimmt.

Image- und Werbefilme aller Art bilden das Gros der Aufträge, möglich ist noch viel mehr – gern in Kombination mit Luftaufnahmen, Special-Effects und 3-D-Computergrafik. Größtes und aufwändigstes Projekt war bisher „100 Jahre Bauhilfe Pirmasens“. Ursprünglich angesetzt mit zehn Minuten, mauserte sich der Imagefilm schließlich zu satten 27 Minuten. Nach acht Monaten Produktionszeit feierte er seine Premiere vor großem Publikum, was sonst kaum der Fall ist: „Wir haben uns eine halbe Stunde nicht bewegt“, so aufgeregt seien sie gewesen, erzählt Grenner. Das Feedback war großartig, „bis heute“.

Für ihn ist das Kutscherhaus ideal. Des Netzwerks vor Ort wegen, vor allem aber, weil der 25-Jährige nach wie vor in seinem Heimatort Schiffweiler wohnt. Sein Kompagnon, ein Pfälzer, stammt aus Thaleischweiler und leitet als Singer-Songwriter eine Band, die deutschsprachige Eigenkompositionen spielt. Auch seine Eltern hatten eine Kamera, und da man sehr oft und viel Urlaub machte, wurde diese auch oft benutzt. „Ich wollte sie immer tragen“, erinnert sich der 31-Jährige lächelnd. „Die war riesig, größer als ich.“ Der Nachbar wiederum besaß ein Schneidegerät, dem schaute Markus gern beim Filmschneiden zu. „Das fand ich tierisch spannend.“ Mit 13 oder 14 bekam Tretter dann seine eigene Digitalkamera.

Zwei Mitarbeiter beschäftigt das Duo und unterhält zusätzlich Büros in Zweibrücken sowie Saarbrücken – und plant schon ganz konkret zu expandieren. Firma Nummer zwei soll ein Anbieter für Komplettlösungen werden: „Da kann man sich eine ganze Marke zusammenbauen lassen“, mit Logo, Homepage, Werbematerial und so weiter.

Nein, „reich wird man damit nicht“, wissen Grenner und Tretter und können gut damit leben. Das Equipment ist halt teuer und was an Stunden in die Projekte reinfließt, nie realistisch abrechenbar. Aber selbstbestimmt zu arbeiten, eigene Ideen entwickeln und realisieren zu können, „dafür lohnt es sich“. Allemal.

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