Altersbilder im Wandel „Sei mutig, wild und wunderbar“

Neunkirchen · 14 Neunkircherinnen im Alter zwischen 60 und 89 Jahren beteiligten sich am Fotoprojekt „Altersbilder im Wandel“. Wir waren beim Fotoshooting im Kutscherhaus dabei

 Von links: Fotografin Alexa Kirsch lichtet Modell Anna Simcic ab, Linda Panter hilft, um die Szene ins richtige Licht zu setzen.

Von links: Fotografin Alexa Kirsch lichtet Modell Anna Simcic ab, Linda Panter hilft, um die Szene ins richtige Licht zu setzen.

Foto: Jörg Jacobi

„Ich bin nicht fotogen“, meint Alice Blees und lächelt schüchtern in Richtung Kamera. Vor ihr steht Alexa Kirsch, hinter ihr eine weiße Leinwand. Die Fotografin schenkt ihrem 89-jährigen Modell ein strahlendes Lächeln, begleitet von den Worten: „Das sagt jeder.“ Tatsächlich hält dieser Satz den Rekord der am häufigsten geäußerten bei den Shootings der Fotografin – so auch am Samstag, als es im Kutscherhaus wie im Taubenschlag zuging. Tür auf, Tür zu, Damen rein, Damen raus, fast alle in gesetzterem Alter. Über 60 ist schließlich eine der Bedingungen, um beim Fotoprojekt „Altersbilder im Wandel“ mitzumachen - zu welchem Alexa Kirsch und Linda Panter, wie sie verraten, „wie die Jungfrau zum Kinde“ gekommen waren.

Anlass ist die Wanderausstellung „Was heißt schon alt?“ des Bundesfamilienministeriums, die im Februar in Neunkirchen gastiert. „An uns wurde der Wunsch heran getragen, dass Neunkirchen selbst etwas dazu auf die Beine stellt.“ Weil die Fotografin generell „Frauen auf der Agenda hat“, war schnell klar, dass man sich auf ein Geschlecht beschränkt. „Wir wollten darstellen, was in ein oder zwei Generationen passiert.“ Wie unterscheidet sich die heute 70-Jährige von ihrer Mutter im selben Alter. „Voraussetzung war, ein Foto der Mutter oder Großmutter mitzubringen, auf dem diese so alt ist wie die Teilnehmerin heute“, erklärt Alexa Kirsch. Die Bilder der beiden Generationen werden später gegenübergestellt und sollen die Ausstellungsbesucher dazu anregen, über ihre Vorstellungen vom Alter nachzudenken und sich darüber auszutauschen.

Die größte Herausforderung war, in der Kürze der Zeit passende Seniorinnen aus Neunkirchen zu finden. Anspruchsvoll schon deshalb, weil früher viel weniger fotografiert wurde. Außerdem wurden die Menschen meist nicht so alt wie heute, nennt Linda Panter einen weiteren Fakt. Dass die Casting-Expertin es trotzdem schaffte, ist einer Melange aus „Fleißarbeit“ (jede Menge Telefonate) und ihrer guten regionalen Vernetzung zu verdanken. Gehofft hatten sie auf zehn Teilnehmerinnen. Tatsächlich fanden sich am Freitag und Samstag sogar 14 Probandinnen mit „wahren Schätzen aus den Familienalben“ ein. Wie Vera Winzent-Scherer. Als „Neunkircher Mädel“, das schon länger auf dem Kohlhof lebt, fühlte sich die 63-Jährige sofort angesprochen vom Aufruf in der Zeitung: „Das hörte sich witzig an.“ Und als sie dann noch Linda Panter las, war die Sache geritzt: „Wir haben lange im selben Gospel-Chor gesungen“, typisch saarländisch halt. Mitgebracht hat Vera Winzent-Scherer das Kommunionbuch ihres Sohnes von 1993, in dem nun eifrig nach einem schönen Foto gesucht wird.

Normalerweise trägt die frischgebackene Ruheständlerin gern Farbe. Fürs Foto musste es aber was Gedecktes sein, „da kommt das Gesicht besser zur Geltung“, erläutert Alexa Kirsch. Das Fotografieren selbst war dann gar nicht so schlimm: „Sie dürfen ganz sie selber bleiben“, ermunterte sie die Frauen, die sich schnell entspannten. Als ganz schön knifflig erwiesen sich die Fragen, die jede Teilnehmerin beantworten musste: Etwa, wie alt sie sich fühlt und warum das so ist. Nach einigem Überlegen meinte Ute Molter: „46. Weil ich viel unternehme.“ Einmal die Woche geht die 65-Jährige schwimmen, dienstags und donnerstags zum Aktivsport. Sonntags wird gewandert, „früher zehn Kilometer, heute fünf“. Dazu kommt täglich ein Mittags-Spaziergang, bei jedem Wetter, mindestens eine halbe Stunde.

Egal wen das Duo Kirsch/ Panter befragt: So alt, wie ihre Mütter auf den mitgebrachten Fotos fühlt sich keine der Damen. Die Mutter von Ulla Bitz etwa pflegte lange den eigenen Vater - früher wie heute ein Knochenjob. „Sie war mit 66 körperlich ein Wrack“. Auch die Mutter von Alice Blees und Ute Molter war schwer krank.

„Es ist alles relativ“, notiert Vera Winzent-Scherer schließlich bei der Frage, was sie ihrem 30-jährigen Selbst gern auf den Weg gegeben hätte. Und: „Sei mutig, wild und wunderbar“ – was auch als Motto taugt für die Zeit, die jetzt noch kommt. Langweilig wird es so schnell nicht, verrät die Integrationspädagogin, die in ihrer neuen Rolle als Oma von Zwillingen voll aufgeht: „Ich genieße mehr die kleinen Momente.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort