Integration auf der Bühne Wie Theaterspielen Menschen verbindet

Elversberg · In der Albert-Schweitzer-Schule führten junge Syrer und Saarländer ihr selbstgeschriebenes Stück auf.

 Schüler der Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule Spiesen-Elversberg spielten das Theaterstück „Darab Tamasuk“, das den deutsch-arabischen Zusammenhalt zeigen soll.

Schüler der Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule Spiesen-Elversberg spielten das Theaterstück „Darab Tamasuk“, das den deutsch-arabischen Zusammenhalt zeigen soll.

Foto: Jörg Jacobi

„Willkommen im Babelsberger Filmstudio!“ begrüßt ein bärtiger Mann mit silbergrauer Mähne das Auditorium. Er sieht Johannes Becher, Leiter der integrativen Theatergruppe „Schams“, verblüffend ähnlich. Oh – es ist Becher. Was insofern verwirrt, als es sich hier um eine interne Schulaufführung handelt. Doch bei diesem Projekt ist halt alles ein bisschen anders als sonst.

„Wir haben schon viel Theater gespielt“, sagt AG-Leiterin Marion Kaschek, aber so etwas in der Art noch nie. „Die Grundidee war nicht, ein Stück auf die Bühne zu bringen, sondern die Gruppe zusammen zu bringen und eine Gemeinschaft entstehen zu lassen.“ Akuter Handlungsbedarf bestand laut Susanne Gebauer, als „auf einen Schlag viele Flüchtlinge an die Schule kamen“. 50 waren es zwischenzeitlich – bei einer Gesamtschülerzahl von 300, erzählt die Pädagogin, die die Gruppe zusammen mit Marion Kaschek leitet. Konflikte gab es noch und nöcher.

Nach dem Besuch des Stücks „Nie wieder Hass“ der Gruppe Schams kam dem Duo die Idee, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen. Tatsächlich finden sich viele Parallelen zwischen beiden Theaterstücken, Fluchterfahrungen etwa spielen jeweils eine große Rolle, genau wie Ausgrenzung, Vorurteile, Angst und diese große Trauer, wenn man seine Heimat und Liebsten verliert. Doch vor allem drückt sich in „Darab Tamasuk“ (arabischer Zusammenhalt) eine große Kraft aus, Hindernisse zu überwinden und seinen eigenen Weg zu gehen. „Wir haben dann die Regisseure von Schams ins Boot geholt. Allein hätten wir uns das nie getraut.“ Zudem galt es, die Finanzierung zu sichern. Was dank etlicher Sponsoren, allen voran das Bündnis Stiftung Demokratie des Landkreises Neunkirchen mit dem Adolf-Bender-Zentrum, gelang. Als erstes sah man sich mit den Schülern die Schams-Produktion an. Dann startete mit 30 Teilnehmern – „hälftig deutsch, hälftig syrisch“ — ein Workshop, der vor allem Improvisations- und Tanztheater beinhaltete. Parallel dazu setzten sich die Achter- und Zehnerklassen mit Themen wie Flucht, Ausgrenzung und Rassismus in Deutsch- und Kunstprojekten auseinander. Sogar ein Film entstand.

Im neuen Jahr entwickelten dann 23 junge Schauspieler unter der Leitung von Johannes Becher und Mwoloud Daoud ihr Stück „Darab Tamasuk“. Dass es keinen fertigen Text gab, sorgte anfangs für Irritationen. Auch das Sprachproblem machte sich deutlich bemerkbar. So manche Durststrecke galt es zu überwinden, davon können die zwei Pädagoginnen ein Lied singen. Regelmäßig nachmittags proben, Wochenenden opfern, mit Misserfolgen umgehen – „das war schon manchmal eine zähe Sache“, betont Susanne Gebauer. Umso glücklicher sind alle, es geschafft zu haben.

Die Rahmenhandlung ist überschaubar: Im Fundus des Filmstudios treffen zwei syrische Praktikanten auf niemand geringeren als William Shakespeare, der mit Tinte und Feder in seinem großen Lebenswerk-Buch schreibt, und Harry Potter, der Saxophon spielt. Allerhand Prominenz stößt dazu wie Pipi Langstrumpf und Lillifee, Romeo und Julia, Krieger und Popstars. Dem gegenüber stehen ganz reale Lebensgeschichten aus dem Alltag der Kids. Es gibt einige Action, Liebeswirren und am Ende die Erkenntnis: „Das Zauberwort ist Zusammenhalt.“

Luftballons in Herzform schwenkend, feierten die Darsteller, darunter Syrerinnen mit Kopftüchern, die sich tatsächlich getraut hatten, ihren Text zu sprechen, mit ihrem begeisterten Publium ihr „Weltwunder“ – zu einer Gruppe zusammen gewachsen zu sein, in der einer für den anderen einsteht. Über beide Backen strahlend, meinte eine Fünftklässlerin bei der anschließenden Party: „Frau Kaschek, das war mega schön!“

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