Pilotprojekt in Rheinland-Pfalz Über Fußball Jungs fürs Lesen begeistern

Mainz · Bolzplatz, Smartphone, Spielkonsole – es gibt reichlich Zeitvertreib, den viele Jungs dem Schmökern vorziehen. Ein Projekt an Schulen soll nun Fußball und Lesen zusammenbringen.

 Mädchen lesen einer Studie zufolge regelmäßiger als Jungen. Für diese zählt Sport. Genau da setzt ein neues Projekt für Lesekompetenz an.

Mädchen lesen einer Studie zufolge regelmäßiger als Jungen. Für diese zählt Sport. Genau da setzt ein neues Projekt für Lesekompetenz an.

Foto: picture alliance / dpa/Jens Büttner

Viele Jungen sind nach Auffassung von Experten schwerer für das Lesen zu begeistern als Mädchen. Eine Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest etwa betonte, dass neben der Bildung auch das Geschlecht einen starken Einfluss auf die Lesehäufigkeit hat. Mädchen zeigten eine höhere Affinität zu Büchern, konkret greife knapp jedes zweite Mädchen und nur jeder dritte Junge in der Freizeit regelmäßig zum Buch. In Rheinland-Pfalz geht es nun mit einem Pilotprojekt los, das Jungs für das Schmökern begeistern soll – mit Hilfe des Fußballs.

Nach Angaben der Stiftung Lesen mit Sitz in Mainz nimmt das Interesse an Büchern und Lesen vom Übergang der Grundschule zur weiterführenden Schule bei Kindern ab. Dieser Leseknick sei bei Jungen stärker ausgeprägt als bei Mädchen. Der Fachreferent für den Sekundarbereich beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) Rheinland-Pfalz, Frank Handstein, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Mainz: „Jungs sind eher auf Bewegung und Action getrimmt. Mädchen könnten sich noch eher auf ruhige, eigenkreative Tätigkeiten einlassen.“

Das zeigen auch Erkenntnisse einer weiteren Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest. Demnach lesen unter den Sechs- bis 13-Jährigen 16 Prozent überhaupt nicht in ihrer Freizeit. Mädchen zählen demnach mit 59 Prozent deutlich häufiger als Jungen (39 Prozent) zu regelmäßigen Lesern. Analog gibt es unter Mädchen (11 Prozent) viel weniger Nichtleser als bei Jungen (21 Prozent).

Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) stattete jetzt der Integrierten Gesamtschule im rheinhessischen Oppenheim einen Besuch ab, die wie elf weitere Schulen im Land bei dem Pilotprojekt mitmacht. An dem sind auch die Stiftung Lesen, das Pädagogische Landesinstitut sowie der 1. FSV Mainz 05 beteiligt. Vergleichbare Projekte laufen schon in Baden-Württemberg mit dem VfB Stuttgart und in Nordrhein-Westfalen mit dem 1. FC Köln.

„Kicken & lesen“ in Rheinland-Pfalz richtet sich der Stiftung Lesen zufolge vor allem an Jungs der fünften und sechsten Klassen. Über den Fußball sollen sie zum Buch gebracht werden. Ein halbes Jahr lang wechseln sich Fußball- und Leseeinheiten ab, Teilnahmen an Einheiten werden in einem Trainingspass festgehalten. Am Ende treten die drei besten Klassen bei einem Fußballturnier beim FSV Mainz 05 gegeneinander an.

„Die sportliche Herausforderung fördert die Lust am Lesen, und wer gerne und viel liest, für den eröffnen sich viele weitere Bildungschancen“, sagte Hubig. Michael Welling, Direktor für Marketing und Vertrieb bei Mainz 05, sagte, dem Verein sei eine Lernförderung auf und abseits des Rasens wichtig. „Spannende Texte mit Fußball zu verbinden, kann auf spielerische Weise dazu beitragen.“ Vorab hatten die teilnehmenden Teams an den Schulen Bücherkisten mit rund 30 Titeln bekommen – darunter Sachbücher und Romane.

VBE-Referent Handstein, der Deutsch- und Englischlehrer an der Freiherr-vom-Stein-Realschule plus in Nentershausen im Westerwald ist, sieht grundsätzlich, dass Kinder weniger als früher mit dem Lesen in Berührung kommen. Seiner Meinung nach lesen Eltern ihren Kindern deutlich seltener vor als in früheren Jahren. „Dabei ist sich die Forschung einig, dass das Vorlesen das A und O ist – schon im Säuglingsalter.“ In vielen Familien seien beide Elternteile berufstätig, könnten nicht auf ein zweites Gehalt verzichten. „Wir erleben heute eine Art gesamtgesellschaftliche Lese-Diaspora.“

Kinder beschäftigten sich heute viel mit elektronischem Spielzeug, sagte Handstein. „Das wird oft als Lern-Spielzeug verkauft, ist aber eigentlich das Gegenteil.“ Es bediene das Kind, diese Berieselung lasse die Kreativität verkümmern. Die brauche es aber beim Lesen, das lebe von eigenen Bildern im Kopf. „Das Lesen muss man sich erarbeiten, man muss eigene Kreativität entwickeln.“

Wichtig sei das Lesen, weil es später in vielen Lebensbereichen und bei vielen „Schaffensprozessen“ helfe, sagte Handstein. Probleme könnten mit Kreativität eher gelöst werden. „Lesen ist die wichtigste Kulturkompetenz, die wir haben.“ Bei jedem Vertrag und bei jedem Formular werde Lesekompetenz vorausgesetzt.

(dpa)
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