Musikfestspiele Saar Polyphonie voller Leidenschaft und Liebreiz

Saarbrücken · Unter dem Titel „New Generation“ starteten die Musikfestspiele Saar mit einem imposanten Gastspiel des „European Union Youth Orchestras“.

 Das European Union Youth Orchestra (hier bei einem früheren Konzert) gab zum Auftakt der Musikfestspiele Saar in der Congresshalle unter anderem Mozarts Prager Sinfonie und Anton Bruckners Vierte.

Das European Union Youth Orchestra (hier bei einem früheren Konzert) gab zum Auftakt der Musikfestspiele Saar in der Congresshalle unter anderem Mozarts Prager Sinfonie und Anton Bruckners Vierte.

Foto: Musikfestspiele Saar/Peter Adamik,Berlin

Die „Internationalen Musikfestspiele Saar“ eröffneten ihr Programm „New Generation“ am Mittwochabend mit einem Gastspiel des „European Union Youth Orchestra“, das nach einer Italien-Tournee in der Congresshalle Station machte. Das Orchester aus Studierenden europäischer Musikhochschulen und Konservatorien wurde im Programmheft zu den „führenden Sinfonieorchestern der Welt“ gezählt. Die Bühne war gefüllt mit vielen jungen Musikerinnen und etwas weniger Musikern, als Chefdirigent Vasily Petrenko (nicht zu verwechseln mit Kirill Petrenko, dem designierten Chef der Berliner Philharmoniker) den Taktstock zur „Mondscheinmusik“ aus Richard Strauss’ Oper „Capriccio“ hob.

Romantischer Hörnerschall stimmte ein auf den sich verdichtenden Orchesterklang – ein imaginäres Weben um die Frage, was wichtiger in der Oper sei: Musik oder Dichtkunst. Dieses Problem hatte Wolfgang Amadeus Mozart nicht, dessen „Prager Sinfonie“ KV 504 zwar auch opernhafte Züge zeigt, vor allem aber ein polyphones Kunstwerk voller Leidenschaft, Dramatik und auch Liebreiz ist. Doch kann man Mozart heute noch mit so opulenter Streicher-Besetzung präsentieren? Unter historischem Gesichtspunkt sicher nicht. Aber da Petrenko eine Fülle von Streichern zur Verfügung hatte, ging er es sinfonisch an. Mit prunkvoll rauschenden Tuttis, einem spannungsarmen, Uhrwerk-artig durchgespielten Andante ohne emotionale Agogik und einem zum Prestissimo aufgeblasenen Finale, dem in der Eile viele Details verloren gingen. Das Orchester siegte, Mozart verlor.

Für Anton Bruckners „Vierte“, der „romantischen“ Sinfonie, wurde dann das gesamte Streicher-Potenzial aufgeboten. Mehr als 35 Violinen standen zwölf Kontrabässe gegenüber – eine Fülle, die der Standard-Besetzung mit vier Holzbläsern dynamisch zu schaffen machte. Die äußerst schwierigen Streicher-Parts wurden technisch vorzüglich gemeistert, die perfekte Einstudierung ermöglichte es Petrenko, schlagtechnisch oft zu reduzieren, um nur Tempi und Einsätze zu markieren. Die architektonische Weiträumigkeit Bruckners wurde deutlich, auch wenn das Blech seine Fortissimo-Blöcke immer mit gleicher Herzhaftigkeit, aber wenig differenziert gestaltete. Das stumpfte den Hörer ab, eine Steigerung hin zu Finalem war so nicht zu erreichen. Werte zwischen Fortissimo und Pianissimo waren an den von Bruckner vorgesehenen Stellen oft etwas blutleer und unterbelichtet.

Das Zusammenspiel gelang präzise, kleine Unfälle wie Horn-Kiekser oder Unschärfen in den Extremlagen der Violinen passieren auch in den wirklich führenden Orchestern der Welt. Wichtiger jedoch: Es wurde mit viel, auch sichtbarer Leidenschaft, mit Freude am gemeinsamen Tun und Gestalten musiziert. Das dreifache Forte des Bruckner-Finales riss die zahlreichen Zuhörer von den Sitzen, der frenetische Applaus forderte eine Zugabe: Richard Wagner, das Vorspiel zum dritten Akt der „Meistersinger“, einfühlsam-elegische Stimmungsmusik. Doch damit nicht genug: Eine Marsch-Parodie, im Stehen gespielt und mit gymnastischen Übungen versehen, sorgte für einen naiv-populären Ausklang. Insgesamt ein imposanter, klanggewaltiger Auftakt für die Musikfestspiele. Und tröstlich auch, dass der europäische Gedanke wenigstens in der Musik funktioniert.

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