Arbeit für Jahrzehnte Mit Lizenz zum Atomkraftwerk-Abriss

Neunkirchen · Die Neunkircher Firmengruppe Ferraro gehört beim Abräumen von Industriebrachen zu den Großen ihrer Zunft.

 Giuseppe Ferraro, Geschäftsführer der Ferraro-Gruppe Neunkirchen, vor einem seiner Abrissbagger.

Giuseppe Ferraro, Geschäftsführer der Ferraro-Gruppe Neunkirchen, vor einem seiner Abrissbagger.

Foto: Engel

Giuseppe Ferraro hat alles auf dem Hof stehen, wovon große Jungs träumen: Bagger mit Schaufeln, Greifern, Scheren oder Hämmern, Kipper und allerlei anderes kraftstrotzendes Arbeitsgerät. 200 Baumaschinen, davon allein 50 Bagger, gehören zum Fuhrpark. Der 45-Jährige leitet das Neunkircher Familienunternehmen Ferraro, das als Abbruch-Spezialist so ziemlich alles plattmachen kann, was sich ihm in den Weg stellt– und das recht erfolgreich.

Seitdem sein Vater, Firmen-Senior Damiano Ferraro (65), sich vor mehr als 25 Jahren in diesem Geschäftszweig selbstständig machte, „sind wir kontinuierlich gewachsen“, sagt er und kann es dokumentieren. Das international erscheinende Abbruch- und Recycling-Fachmagazin „d&ri“ führt die Firmengruppe Ferraro mit seinen 19 auf bestimmte Arbeiten spezialisierten Gesellschaften als die Nummer 35 unter den weltgrößten Unternehmen ihrer Art. Die Urkunde hängt gut sichtbar im Empfangsbereich – neben denen aus den Vorjahren, als noch die Ziffer vier vorne stand. Dabei tummeln sich viele auf diesem Gebiet. Ferraro weiß, dass allein in Deutschland „6380 Rückbau-Unternehmen registriert sind“. Er selbst gibt 140 Subunternehmern Arbeit, beschäftigt 200 eigene Mitarbeiter und hat im vergangenen Jahr rund 27 Millionen Umsatz erwirtschaftet. In Europa sei man damit die Nummer eins.

Hinter diesen Zahlen stecken entsprechend gut dotierte Aufträge. So räumt Ferraro in Neckarsulm derzeit das ehemalige Firmengelände der Baumarkt-Familie Krieger fachgerecht auf. Dort will der Autobauer Audi demnächst seine Batteriemontage für die in Neckarsulm vom Band laufenden Elektro-Pkw hinstellen. In Mettlach, wo der Keramikkonzern Villeroy & Boch hinter seiner Konzernzentrale, der Alten Abtei, ein neues Quartier zum Arbeiten, Einkaufen und Erleben (Mettlach 2.0) errichten will, hat Ferraro beispielsweise den Hallenkomplex der alten Mosaikfabrik zerlegt, um Platz für Neues zu schaffen. Das alles ist schon anspruchsvoll genug, weil überall Überraschungen lauern – bis hin zu Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg oder Zementplatten voller Asbest, von dem vorher keine Rede war.

„Doch wir können mehr als nur Rückbau“, macht Giuseppe Ferraro deutlich.Inzwischen hat Ferraro damit begonnen, alte Industriebrachen nicht nur herzurichten und die Weiterverwertung anderen zu überlassen. „Wir sind dazu übergegangen, Areale zu kaufen, sie zu sanieren, die Grundstücke passend zu parzellieren und auf eigene Rechnung zu vermarkten“, sagt der Firmenchef. Im Saarland ist das für das ehemalige Gelände des Bergbauzulieferers SMT Scharf in Neunkirchen geplant. Auch eine 66 000 Quadratmeter große Industriebrache in Mönchengladbach, „auf der sich zehn Jahre überhaupt nichts tat“, entwickelt Ferraro derzeit in Eigenregie. Hier war die Beseitigung von Altlasten wie Chlor- und Mineralölkohlenwasserstoffe die besondere Herausforderung, die das Unternehmen lösen musste. Zugute kommt der Gruppe bei der Entwicklung von alten Arealen auch, „dass wir alles aus einer Hand anbieten können“, sagt Ferraro. „Dazu gehören ein Architektur- und Bauingenieur-Büro genauso wie Firmen, die auf Landschaftsbau spezialisiert sind.“

In Zukunft warten noch ganz andere Herausforderungen auf die Ferraro-Leute. Die Unternehmensgruppe hat das Zertifikat in der Tasche, dass es beim Rückbau von Kernkraftwerken mitmachen darf. Da Deutschland aus der Kernenergie aussteigt und die 17 Atommeiler fachgerecht und zeitaufwändig abgetragen werden müssen, „geht uns die Arbeit so schnell nicht aus“, prophezeit der Chef, dessen Unternehmen die Lilie im Logo trägt, die Blume der Hoffnung. Und mit Damiano Ferraro junior steht auch schon die nächste Generation in den Startlöchern.

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