Kultgießerei Dudweiler Hier wird aus Schrott Kultur-Gold gemacht

Dudweiler · Kultgießerei Dudweiler: Diesen Ort sollte man sich merken. Ein paar Begeisterte kreieren hier gerade etwas Spannendes. Sonntag ist Tag der Musik.

 Ein verwunschener Ort mit rauem Charme ist die ehemalige Eisengießerei Schulde in Dudweiler. Hier geht am Sonntag musikalisch die Post ab. Martin Thiel (rechts) spielt schonmal die Luftgitarre.

Ein verwunschener Ort mit rauem Charme ist die ehemalige Eisengießerei Schulde in Dudweiler. Hier geht am Sonntag musikalisch die Post ab. Martin Thiel (rechts) spielt schonmal die Luftgitarre.

Foto: Iris Maria Maurer

Man kurvt durch ein Wohngebiet und mir nichts, dir nichts tut sich da urplötzlich diese Insel postindustrieller Romantik auf: Lang gestreckte Werkhallen, in denen Gussformen und Fahrzeugveteranen langsam unterm Staub verschwinden. Betriebsbereit wirkende Schmelzöfen, wuchtige Kranausleger. Putz, der vom Mauerwerk blättert. Rost allenthalben: Willkommen in der ehemaligen Eisengießerei Schulde! 2002 stillgelegt, verwandelt sie sich an diesem Sonntag in die wohl spannendste Dependance der Fête de la Musique.

Was jetzt gar nichts so originär Neues sei, verrät Martin Thiel. Der diplomierte Umwelttechniker betreut für den blutjungen, im Dezember konstituierten Kultgießerei Verein hauptamtlich Industriekulturprojekte. 2015 hatte man sich schon einmal, damals mehr so „spontan“, an dem Musikfestival beteiligt und aus dem Stand etwa 500 Besucher „über den Tag verteilt“ angezogen. Diesmal darf es gern ein Vielfaches sein.

Abspielen wird sich das Geschehen in der Handkernmacherei, die zum Oldtimercafe umfunktioniert wurde, und im Putzhaus. Wo früher Gussteile mit Kugeln „beschossen“, entgratet und gesäubert wurden, balgen bei unserem Besuch noch Männer in bunten Trikots um eine Lederkugel. Die Großbildleinwand muss man sich genauso wegdenken wie das halbe Dutzend Ledersofas und -sessel, auf denen noch WM-Fans lümmeln.

Am Sonntag von 13 bis 22 Uhr bekommt man hier statt zweidimensionalem Fußball dreidimensionale Kultur geboten. Fünf Bands geben sich das Mikro in die Hand. Los geht’s mit Motorpoti (Rock), gefolgt von Chicken Bone (Bluesrock), Krach Capella nigra (Gypsy-Swing, Polka-Punk) und Mikromoon (Independent). Mit den Bobbys gibt es ab 20.30 Uhr schließlich noch „irren“ Party Beat auf die Ohren.

Während der Umbauphasen muss man sich nicht etwa langweilen, sondern nur den Raum wechseln: Auf der Hebebühne im Oldtimercafé nebenan interpretiert Judith Rosch „Chanson und mehr“. Was immer noch nicht alles ist: „Wir bieten zusätzlich Ausstellungen in Kunstateliers, Ernährungsberatung und Einblicke in die Arbeit eines Foto-Profis an“, sagt Thiel. Fotograf Jürgen Isbener lädt zu Workshops gegen „pay as you want“ ein. „Dafür sind Models vor Ort“ – in Kombination mit der Industriearchitektur eine höchst reizvolle Geschichte. „Die Einnahmen werden für krebskranke Kinder gespendet.“

Wie es danach weiter geht? In jedem Fall erst mal einen Gang runter schalten. Bis zu zehn Stunden täglich stecken die Vereinsmitglieder derzeit in die Vorbereitung. Etwas mehr Privatleben und abends mal wieder kochen wäre ganz schön, ist man sich einig. Was nicht heißt, dass die Kultgießerei zurück in den Dornröschenschlaf fällt.

Im Gegenteil, „wir geben jetzt richtig Gas“, betont Herwig Peifer, Kfz-Meister und Herr der Oldtimer. Am 15. August kommt „An Erminig“, am 19. September spielt die Band „Hexeschuss“. „ Das sind unsere Leuchttürme“, kleinere Veranstaltungen befinden sich noch in Planung, ergänzt Thiel.

Langeweile bekommt der Verein sowieso nicht so schnell. Warten doch auch die anderen beiden Hallen darauf, saniert zu werden. Ein gewisser Zugzwang besteht bei einem der Dächer, „das hat der Schrotthändler beim Ausmisten kaputt gemacht“, erzählt Thomas Schumacher, der die Eigentümer vertritt, von Beruf Architekt ist und wie die beiden anderen Herren seit Jahren vom Eisengießerei-Virus befallen. Vielleicht gründet man noch einen Förderverein zwecks Finanzierung. Denn Geld ist natürlich immer ein Thema. „Es wäre vieles einfacher, wären wir Weltkulturerbe“, sagt Schumacher. Aber das kriegen sie auch so hin. Ein Dankeschön geht unbedingt an die Baubehörde, gemeinsam hat man bisher für jedes Problem eine Lösung gefunden. „Die sind ganz froh, dass etwas passiert.“ Was im Übrigen für viele Dudweiler gilt. „Man ist hier ja nicht gerade überversorgt, was Kultur anbelangt.“ Beste Voraussetzungen, dass die Kultgießerei ruckzuck ihren Geheimtipp-Status verliert.

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