Entdeckung in der Martinskirche Drei Heiligenscheine schauten aus dem Schutt

Köllerbach · Sensationelle Entdeckung in der Martinskirche: Weiteres mittelalterliches Wandgemälde über dem Deckengewölbe gefunden.

 Bei Untersuchungen in dem Bereich zwischen Kirchendach und Decke des Kirchenschiffes wurde in der Köllerbacher Martinskirche ein weiteres Wandgemälde entdeckt. Das Bild – zu sehen ist vermutlich die heilige Familie – befindet sich oberhalb des nachträglich eingezogenen Deckengewölbes. Links im Foto ist ein Balken des Gewölbes zu sehen, das Holz wurde im Jahr 1521 geschlagen. Das Wandbild ist demzufolge (vermutlich deutlich) älter. Das frühere gotische Kirchenschiff muss, von innen betrachtet, vor 1521 höher gewesen sein als das heutige Kirchenschiff.

Bei Untersuchungen in dem Bereich zwischen Kirchendach und Decke des Kirchenschiffes wurde in der Köllerbacher Martinskirche ein weiteres Wandgemälde entdeckt. Das Bild – zu sehen ist vermutlich die heilige Familie – befindet sich oberhalb des nachträglich eingezogenen Deckengewölbes. Links im Foto ist ein Balken des Gewölbes zu sehen, das Holz wurde im Jahr 1521 geschlagen. Das Wandbild ist demzufolge (vermutlich deutlich) älter. Das frühere gotische Kirchenschiff muss, von innen betrachtet, vor 1521 höher gewesen sein als das heutige Kirchenschiff.

Foto: Niko Leiß

Es begann alles mit einem Heiligenschein, der aus dem Schutt schaute: Ein kunsthistorisch sensationeller Fund, zu dem es im vorigen Jahr in der Köllerbacher Martinskirche gekommen ist, wird nun erstmals öffentlich gemacht. Eine Wandmalerei wurde entdeckt, die vermutlich die heilige Familie zeigt und die älter ist als die 1956 entdeckten Bilder. Noch ist das Bild nicht ganz freigelegt. Und der exakte Ort des Bildes liegt so, dass man es vom Kirchenraum aus nicht sehen kann. Das hat es aber womöglich über die Jahrhunderte gerettet: Irgendwann, vermutlich am Ende des ersten Viertels des 16. Jahrhunderts, wurde offenbar eine neue, tiefere Decke in den Kirchenraum eingezogen, wodurch das Wandgemälde oberhalb dieser neuen Gewölbedecke verschwunden ist.

Doch der Reihe nach. Den Heiligenschein im Bauschutt aus Jahrhunderten entdeckte der Tholeyer Restaurator Niko Leiß über dem heutigen Gewölbe der Martinskirche. Eigentlich wollte er nur Balken untersuchen in der anerkannt „schönsten Dorfkirche des Saarlandes“, die 2016 den Landesdenkmalpreis des Saarlandes erhalten hatte. Doch durch seine Entdeckungen muss nun auch die Baugeschichte der Kirche revidiert werden, die in fünf Jahren 800 Jahre alt wird.

„Diese Entdeckung ist sensationell“, freut sich Pfarrer Dr. Joachim Conrad, Hausherr der evangelischen Martinskirche zu Kölln und Professor für Kirchengeschichte. Der Pfarrer begeistert sich immer wieder für „seine“ Kirche. Das spürt man, wenn Conrad Besuchern die Geschichte und die Besonderheiten des Denkmals innen wie außen erklärt. In den vergangenen Monaten ist nun die neue große Entdeckung hinzu gekommen. Eher zufällig gefunden, dank des Engagements eines saarländischen Restaurators, aber von großer kunsthistorischer Bedeutung. „Vor zwei Jahren ist Niko Leiß an die Kirchengemeinde herangetreten mit der Bitte, die tragenden Balken im Gewölbe zu datieren.“

Dazu muss man wissen, dass Leiß zum einen bei dem Tholeyer Restaurator-Betrieb Mrziglod beschäftigt ist und sich zum anderen mit dem Fachgebiet Dendrochronologie, also mit dem Datieren von altem Holz, befasst. „Herr Leiß hat zweifelsfrei bewiesen, dass die Balken im Gewölbe aus dem Jahr 1521 stammen, ebenso wie die Holzschindeln, mit denen die Kirche damals bedeckt gewesen ist“, berichtet Pfarrer Conrad.

Weil aber der Restaurator ein guter Beobachter ist, machte er sich während seiner Untersuchungen Gedanken über die Gewölbetrichter – also die Vertiefungen, die sich auf der Rückseite des Deckengewölbes durch die Gewölbeform ergeben (gewissermaßen trichterförmige Vertiefungen im „Dachboden“ der Kirche).

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich in diesen Gewölbetrichtern eine Menge Dreck angesammelt. „Darf ich die mal leer machen?“, hatte Leiß gefragt. Natürlich hatte der Pfarrer nichts dagegen. Niko Leiß kratzt, siebt, entfernt den Schutt – „und auf einmal gucken da Heiligenscheine raus“, erzählt Conrad. Vorsichtig wurde der Trichter nun weiter gesäubert. Heraus kam eine Wandmalerei, die vermutlich „Die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten“ zeigt, erstaunlich frisch in ihren Farben, die die lange Zeit im Bauschutt gut überstanden haben. Zum Weihnachtszyklus mit Maria, Josef, dem neugeborenen Christuskind und einem Begleiter mit spitzem Judenhut entdeckt Restaurator Leiß zudem einen ebenso gut erhaltenen Zinnenfries mit ausgemalten Pflanzenteilen.

Bereits  im heutigen, spätgotisch geprägten Chorhaus befinden sich denkmalgeschützte Wandmalereien. Die Autorin Gudula Overmeyer hat sie in ihrem Buch als „Glanzpunkt der Köllner Martinskirche“ bezeichnet, als Wandbilder, die es in dieser Art nur noch drei weitere Mal im Saarland gibt (in der Medelsheimer Sakristei im Bliesgau, in der kleinen Keßlinger Dorfkirche bei Orscholz und im Langhaus der St. Wendeler Wendalinusbasilika). Nun kommen also die vor Monaten wieder gefundenen und viel älteren Wandbilder im Dachstuhl der Martinskirche hinzu.

Die Entdeckung lege zudem nahe, dass das frühere gotische Dach der Martinskirche deutlich höher gewesen sein müsse als das heutige spätgotische Äußere, vermutet der Restaurator. „Diese Annahme  stützt die These, dass die Kirche in der Zeit vor 1521 in ihren Proportionen viel besser zu dem mächtigen Kirchturm gepasst hat“, glaubt auch Conrad.

Klarheit, auch über die Entstehung der entdeckten Wandbilder, können jetzt nur weitere fachwissenschaftliche Untersuchungen ergeben. Conrad: „Wir sind bereits mit dem Landeskonservatoramt in Verbindung getreten, um die Gewölbetrichter weiter fachmännisch untersuchen zu lassen.“ Conrad, der auch die Stiftung Evangelische Martinskirche vertritt, freut sich auch, dass der Stiftung 6000 Euro aus der Auflösung der Künstlerinitiative Köllertal (KiK) sowie  Spenden vom Rotaryclub Völklingen zur Verfügung stehen, um die Forschung voran zu bringen. Fazit: „Die Entdeckung wird dazu führen, die Geschichte der Martinskirche Kölln neu zu schreiben.“ Eine gute Gelegenheit sieht Conrad in der 800-Jahr-Feier der Köllerbacher Kirche, die im Jahr 2023 ins Haus steht, mit einer geplanten neuen Publikation über das Baudenkmal.

 Niko Leiß’ Skizze zeigt, wie der Wandabschluss in der Martinskirche ausgesehen haben könnte, bevor, vermutlich ab 1521, die neue Gewölbedecke eingezogen wurde. In der Mitte, mit goldenen „Heiligenscheinen“, sind die Figuren des neu entdeckten Wandbildes skizziert.

Niko Leiß’ Skizze zeigt, wie der Wandabschluss in der Martinskirche ausgesehen haben könnte, bevor, vermutlich ab 1521, die neue Gewölbedecke eingezogen wurde. In der Mitte, mit goldenen „Heiligenscheinen“, sind die Figuren des neu entdeckten Wandbildes skizziert.

Foto: Niko Leiß
 Auch Stücke eines Zinnenfrieses, ein dekorativer oberer Abschluss der Wandmalereien, bestehend aus Pflanzenornamenten hinter Zinnen, ist zum Vorschein gekommen (der fotografierte Abschnitt ist gut zwei Meter breit).

Auch Stücke eines Zinnenfrieses, ein dekorativer oberer Abschluss der Wandmalereien, bestehend aus Pflanzenornamenten hinter Zinnen, ist zum Vorschein gekommen (der fotografierte Abschnitt ist gut zwei Meter breit).

Foto: Niko Leiß

Und was wird jetzt aus dem zum Puzzle zusammengesetzten Zinnenfries und seinen Blumenranken? „Das will der Restaurator aufkleben wie ein Bild. Dann könnte es in unserem Gemeindehaus aufgehängt werden. In der Kirche selbst fehlt uns ja dafür der Platz“, kündigt Joachim Conrad weitere Pläne an.

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