Pflegefamilie „Mit fünf Kindern fallen wir definitiv auf“

Püttlingen · Markus und Sabine Westermann aus Püttlingen sind Pflegeeltern. Sie nehmen Kinder auf, die nicht bei ihren leiblichen Eltern wohnen können.

 Sabine und Markus Westermann bieten den Kindern ein geordnetes Familienleben. Etwas, dass die Kleinen bei ihren leiblichen Eltern oft nicht erfahren.

Sabine und Markus Westermann bieten den Kindern ein geordnetes Familienleben. Etwas, dass die Kleinen bei ihren leiblichen Eltern oft nicht erfahren.

Foto: Oliver Dietze

Freundlich lächelnd öffnet Markus Westermann die Tür und bittet in sein Haus in einem Neubaugebiet in Püttlingen. Aus dem ersten Stock ist ein Kinderlachen zu hören. Markus Ehefrau Sabine spielt mit zwei kleinen Mädchen im Kinderzimmer. Zur Familie gehören noch drei weitere Kinder, die gerade in der Schule sind. Die Westermanns sind eine Großfamilie. „Wie ich es mir immer gewünscht habe“, erzählt Sabine. Es sind allerdings nicht Markus und Sabines leibliche Kinder. Die Westermanns sind Pflegeeltern.

„Wir gehen ganz offen damit um. Das ist die beste Variante“, sagt das Ehepaar. 2006 haben sich Sabine und Markus dazu entschlossen, Pflegeeltern zu werden. Sie nahmen Kontakt zum Jugendamt des Regionalverbandes auf. Sie füllten Bewerbungsunterlagen aus, legten Lebensläufe, Führungszeugnisse und Einkommensnachweise vor. „Wir mussten auch viele persönliche Fragen beantworten“, sagt Markus. Zum Bewerberverfahren gehörte zudem die Teilnahme an einem dreitägigen Seminar. Darin werden beispielsweise rechtliche und organisatorische Fragen beantwortet, über die Aufgaben der künftigen Pflegeeltern gesprochen und welche Herausforderungen auf sie zukommen können. Die künftigen Pflegeeltern können anschließend ihre Vorstellungen und Wünsche äußern, genauso, wo ihre Grenzen liegen.

Bevor die Westermanns eine Pflegekind bei sich aufgenommen haben, durchliefen sie die sogenannten Anbahnungszeit. Sie lernten das Kind kennen, besuchten es immer wieder für ein paar Stunden in Begleitung eines Mitarbeiters des Jugendamtes. Die Besuchszeiten wurden nach und nach länger, bis das Mädchen irgendwann ganz bei ihnen einzog. Die enge Zusammenarbeit mit dem Jugendamt und das Vertrauen, das aufgebaut wird, sei das wichtigste. Denn, „man weiß nie genau, was auf einen zukommt“, sagt Sabine. Wie entwickelt sich das Kind? Stimmt die Chemie? Klappt der Kontakt zu den leiblichen Eltern? Denn die haben ein Recht, ihre Kinder zu sehen. In den meisten Fällen, die Sabine und Markus bisher erlebt haben, seien die Kinder den leiblichen Eltern weggenommen worden, da diese unter psychischen Problemen, Alkohol- oder Drogensucht litten und leiden.

Zwei Kinder, eine 12-Jährige und ein 10-Jähriger, die die Westermanns vor Jahren in Dauerpflege aufgenommen haben, sind mittlerweile ihre Adoptivkinder. Ein sechsjähriges und ein dreijähriges Mädchen leben bei ihnen in Dauerpflege. 2012 entschieden sich Sabine und Markus, auch in Notfällen ein Kind für eine gewisse Zeit bei sich aufzunehmen. „Da klingelt dann auch mal nachts um 3 Uhr das Telefon“, sagt Sabine. Die Einjährige, die zur Zeit bei ihnen lebt, ist das 19. Kind, für das sie die Bereitschaftspflege übernommen haben. Es sei immer wieder sehr emotional, wenn ein Kind aus der Bereitschaftspflege ihre Familie verlässt. „Da muss ich dann auch weinen“, sagt Sabine. „Aber immer erst, wenn die Haustür zu ist, damit das Kind das nicht mitbekommt.“

Es gibt einen Arbeitskreis, in dem sich die Pflegeeltern mit den Fachkräften des Jugendamtes und Psychologen ständig austauschen können. „Wir fühlen uns super aufgehoben“, sagen die Westermanns. Manchmal seien sie selbst auch Seelentröster. „Bei vielen Eltern gibt es gewisse Ängste“, sagt Sabine. Sie stehen jungen und künftigen Pflegeeltern dann mit Rat und Tat zur Seite. „Wir haben ein offenes Haus.“ Dort herrsche auch immer Trubel. „Manchmal sitzen auch acht Kinder bei uns am Tisch. Die Kinder bringen ja auch Freunde mit. Es macht so viel Spaß“, erzählt das Ehepaar.

Die Westermanns werden allerdings auch mit Vorurteilen konfrontiert. „Mit fünf Kindern fallen wir definitiv auf.“ Da seien schon Sprüche gefallen wie „Ihr seid nur Pflegeeltern, um Geld zu kassieren“. Man müsse sich eben ein dickes Fell zulegen, sagt Sabine. Die Kinder seien in der Schule ebenfalls schon gehänselt worden, da sie nicht bei ihren leiblichen Eltern leben. „Sie sind aber keine Kinder zweiter Klasse, und wir tun alles dafür, dass sie sich nicht so fühlen“, sagt Markus.

Pflegeeltern zu werden, sei die beste Entscheidung ihres Lebens gewesen. Sie bereuen nichts und würden alles nochmal genauso machen. „Außer, dass wir vielleicht das Haus etwas größer bauen“, scherzen die beiden.

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