Kriminelle Ausbeute Damit Arbeiter nicht mehr abgezockt werden

Saarbrücken · Schwarzen Schafen das Handwerk legen: Dabei soll eine Beratungsstelle in Saarbrücken helfen. Und das ist auch bitter nötig, sagt Mark Baumeister, Saar-Chef der Gewerkschaft NGG.

 September 2015 in Saarbrücken: Vize-Chef der IG BAU, Markus Andler,  telefoniert mit dem Zoll, um ungarischen Arbeitern zu helfen.

September 2015 in Saarbrücken: Vize-Chef der IG BAU, Markus Andler,  telefoniert mit dem Zoll, um ungarischen Arbeitern zu helfen.

Foto: Matthias Zimmermann

Bauarbeiter und Helfer in der Fleischindustrie sitzen fest. Ohne einen Cent in der Tasche. Ihnen bleibt vorerst nur ihre spartanisch ausgestattete Unterkunft in einem ehemaligen Bordell nahe des Saarbrücker Messegeländes. Geld für Lebensmittel haben sie schon längst nicht mehr übrig. Und an dringend benötigte Medikamente kommen sie nicht  ran, weil sie nicht krankenversichert sind. Gewerkschafter schalten den Zoll ein. Sie befürchten Sozialbetrug und zu unrecht einbehaltene Löhne.

 Mark Baumeister, Chef der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG)   an der Saar.

Mark Baumeister, Chef der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) an der Saar.

Foto: BeckerBredel/BeckerBredel Fotografen

Das war im September 2015, als die Ungarn wochenlang kein Geld sahen. All das erinnerte auf erschreckende Art und Weise an den Skandal beim Bau des prestigeträchtigen Ferienparks am Bostalsee, der zwei Jahre zuvor bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Dort hatten findige Betrüger rumänischen Arbeitern über Wochen Gehalt vorenthalten.

 Auch heute noch Usus: Wanderarbeiter kommen in Sammelunterkünfte unter. Laut Gewerkschafter müssen sie oftmals Lohn für die Miete an den Arbeitgeber zahlen, wie hier 2015 in einem ehemaligen Bordell nahe des Saarbrücker Messegeländes.

Auch heute noch Usus: Wanderarbeiter kommen in Sammelunterkünfte unter. Laut Gewerkschafter müssen sie oftmals Lohn für die Miete an den Arbeitgeber zahlen, wie hier 2015 in einem ehemaligen Bordell nahe des Saarbrücker Messegeländes.

Foto: Matthias Zimmermann

Mit einer „Beratungsstelle für Wanderarbeiter und mobile Beschäftigte“, wie es aus dem saarländischen Wirtschaftsministerium heißt, soll es Kriminellen ab April erschwert werden, Arbeiter abzuzocken. 180 000 Euro investiert das Saarland dafür pro Jahr. Vorerst soll es die Beratungsstelle zwei Jahre geben, eine Verlängerung ist bereits vorgesehen. All das ist Bestandteil des Koalitionsvertrages zwischen CDU und SPD.

Solch ein Anlaufpunkt, wie er nun bei der Arbeitskammer des Saarlandes entsteht, ist auch ungeheuer wichtig, sagt Mark Baumeister. Denn nach wie vor würden Menschen betrogen, die von Dienstleistern im Ausland angeheuert werden, berichtet der Saar-Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Denn immer wieder würden zumeist aus Osteuropa Opfer mit dem Versprechen nach Deutschland gelockt, hier gut verdienen zu können. Doch dann stünden viele von ihnen fern der Heimat vor dem Nichts.

Baumeister nennt Beispiele, die prädestiniert seien, Missbrauch Tür und Tor zu öffnen. „Bis heute sind Dienstleister in Saarbrücken für die Fleischwarenindustrie im Einsatz“, bemängelt Baumeister – und legt nach: „Da sind Dienstleister von außen gang und gäbe.“ Genau dieses System der Subunternehmer habe vor drei Jahren zu den kriminellen Machenschaften in der Landeshauptstadt geführt, die dann auch noch mit der Insolvenz eines des Sozialbetrugs beschuldigten Dienstleisters einherging. Damals seien die betroffenen Wanderarbeiter unter anderem für Fleischwaren Schröder im Einsatz gewesen, berichtet der Gewerkschafter. Das Unternehmen setze nach diesem Zwischenfall aber nicht mehr auf derlei Dienstleister. Baumeister: „Schröder ist die Ausnahme.“ Die Konkurrenz hingegen beschäftige nach wie vor neben der Stammbelegschaft eingekauftes Personal.

Und das sei längst nicht die einzige Branche. Ähnliche Fälle kenne er von Großbäckerein im Saarland, aus der Gastronomie sowie aus dem Lebensmittelhandwerk. „500 bis 800 Menschen sind zurzeit davon betroffen“, berichtet er. Wie schon 2015 seien weiterhin Wanderarbeiter in Sammelunterkünften untergebracht. Standorte seines Wissens unter anderem: am Saarbrücker Osthafen und in Gersweiler. Obwohl es verboten sei, werde immer wieder die Miete vom Gehalt abgezogen. Darum schalteten Gewerkschaften regelmäßig den Zoll ein, dessen Mitarbeiter zuständig sind, derlei Delikte aufzuspüren.

Damit es aber gar nicht erst zu solchen illegalen Finanztricksereien kommt, sieht auch Baumeister eine Chance in der neuen Beratungsstelle. Allerdings fordert er, dass Mitarbeiter der neu zu schaffenden Einrichtung die Wanderarbeiter aufsuchen. Das heißt: sich sowohl am Arbeitsplatz sowie bei deren Wohnstätten blicken lassen. Mit den Gewerkschaften erhielten sie Zutritt in die Unternehmen. Das sei deswegen so wichtig, um die Betroffenen überhaupt zu erreichen.

Ungeachtet dessen sollen mehrsprachige Wurfzettel und Auftritte in sozialen Netzwerken des Internets aufmerksam machen, kündigt ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage an. Dolmetscher würden nach Bedarf ebenfalls eingesetzt. Für die beiden Arbeitsplätze der Beratungsstelle für Wanderarbeiter hätten sich auch Bewerber mit Bulgarisch-, Rumänisch- und Ungarischkenntnissen beworben. Besonders aus diesen Sprachbereichen seien Wanderarbeiter an der Saar vertreten.

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