Nach dem Feuer am Saarufer Mühsamer Neubeginn nach Brandkatastrophe

Saarbrücken · Saaruferstraße 13 in Alt-Saarbrücken: Allmählich kehrt Leben ins Haus zurück. Die Spuren des Unglücks sind aber noch sichtbar.

 Saaruferstraße 13 in Saarbrücken: An kaum einer Klingel hängt noch ein Namensschild.

Saaruferstraße 13 in Saarbrücken: An kaum einer Klingel hängt noch ein Namensschild.

Foto: Matthias Zimmermann

An einem Fenster in der dritten Etage sind noch deutliche Rußspuren zu sehen. Auch nach mehr als vier Monaten. Ein dauerhaftes Zeugnis der Brandkatastrophe, die am 3. Dezember vier Bewohnern das Leben gekostet hat. Als Menschen im Mehrparteienhaus mit seinen 42 Appartements an der Saarbrücker Saaruferstraße erstickten, ein Mann in Panik aus der dritten Etage sprang und sich beim Sturz schwer verletzte. Elf weitere Opfer, allesamt Mieter, erlitten Rauchvergiftungen. Auch Feuerwehrleute wurden bei ihrem Einsatz, Leben zu retten, verletzt.

Seitdem räumen Handwerker Tag für Tag Schutt aus dem Gebäude. In einem Baucontainer vor dem Haus häufen sich zerbrochene Rigipsplatten und eine verschmutzte Matratze. An kaum einer der Klingeln hängt ein Namensschild. Aus vielen Schlitzen treten Kabel hervor. Der Komplex wirkt völlig verwaist. Nur in der Penthaus-Wohnung im obersten Stock, deren vier Wände verschont blieben, wohnt noch ein Mann, sagt Vincenzo Doriguzzi. Und er blieb, der Chef des Restaurants im Parterre. „Ansonsten ist niemand mehr im Haus.“

Auch seine Rückkehr zog sich Monate hin. Eine Geduldsprobe – an deren Beginn sich der 70-Jährige sogar fragte: „Eröffne ich überhaupt nochmal?“ Nicht etwa die Flammen, nicht der Qualm hatten seinem „Ristorante Milano“ an jenem ersten Advent heftig zugesetzt. „Es war das Löschwasser“, berichtet Doriguzzi. Teile des Flachdachs waren durch die Hitze des Feuers zerstört, machten es dadurch undicht. Und als ob dies nicht schon tragisch genug gewesen wäre, setzte am darauffolgenden Wochenende heftiger Regen und Schneefall ein „Das kam alles wie ein Wasserfall durch die Decke“, erinnert er sich. Die hölzerne Vertäfelung, der Teppichboden: getränkt und zerstört.

Nach einer Denkpause entschied sich der gebürtige Südtiroler: Aufgeben kommt nicht in Frage. Seinetwegen und wegen der sechs Bediensteten, deren Job am Fortbestand des Alt-Saarbrücker Traditionsrestaurants hängen. Am 1. Februar 1980 hatte Doriguzzi den Ende der 60er unter dem selben Namen eröffneten Laden übernommen. Und nun einfach schließen? „In dem Zustand, wie es hier nach dem Brand aussah, hätte ich nichts dafür bekommen“, sagt er. „Und ich bin gesund. Ich habe keine Lust, nichts zu tun.“

Allerdings musste er sich zwei Monate gedulden, bevor er und sein Team in der Gaststätte loslegen konnten, berichtet er. Denn bevor überhaupt daran zu denken war, die Geschäftsräume zu renovieren, musste der etwa 150 Quadratmeter große Raum erst einmal trockengelegt werden. Mächtige „Ventilatoren liefen hier über Wochen Tag und Nacht“, berichtet der Chef. Eine St. Ingberter Spezialfirma hatte die Geräte aufgestellt. Das Problem: Nach dem Großbrand gab es im Haus keinen Strom. So mussten separate Leitungen gelegt werden, um die Maschinen anzutreiben.

Als der Raum endlich trocken war,  ging’s an die Renovierung. „Mit der ganzen Mannschaft haben wir den Dreck und Staub hinausgebracht.“ Dann zogen Handwerker ein. Bevor am 4. April das Milano wieder öffnete. Doriguzzi sagt: „Unsere Stammkunden haben uns sehr unterstützt.“ Sie waren es denn auch, die am ersten Tag nach der Zwangspause hineinströmten. In das Restaurant in dem Haus, wo sich das Drama zugetragen hatte.

Doriguzzi, er wohnt seit 35 Jahren in St. Arnual,  kannte die Opfer zwar, aber nur vom Sehen. Großen Kontakt, den gab es nicht. „Man hat sich gegrüßt. Das war alles.“ So könne von einer Hausgemeinschaft keine  Rede sein. Ihm sei die 38-Jährige bekannt, die in dem Haus lebte und das Feuer gelegt haben soll. Kontakte zur ihr: Fehlanzeige. Doriguzzi spricht nicht viel über das, was sich in dem Gebäude aus dem Jahr 1965 Ende vergangenen Jahres zugetragen hat, kommt recht schnell wieder auf sein Restaurant zurück.

Nach der Renovierung versprüht es wie eh und je den Charme der späten 70er. Mit seiner dunkel-rustikalen Theke, den für damalige Mode symptomatisch orange-farbenen Hängelampen und den weiß eingedeckten, einfachen Wirtshaus-Tischen mit schlanken Holzbeinen. Sie überstanden Feuer, Rauch und Nässe. Ebenso wie die beiden großen Wandgemälde: Dem Mailänder Dom auf der einen und dem ebenfalls in der norditalienischen Stadt stehenden Arco della Pace (Friedensbogen) auf weißem Putz auf der anderen Seite konnte die Sintflut in seinem Laden nichts anhaben.

Dafür aber den vielen kleinen Wohnungen darüber, in denen Menschen umkamen. Richter am Saarbrücker Landgericht sollen demnächst klären, wer dafür verantwortlich ist. Nur die eine Bewohnerin, die wenige Stunden nach dem Feuer die Tat gestand und seitdem in Untersuchungshaft sitzt? Sie ist wegen Brandstiftung mit Todesfolge angeklagt. Oder müssen sich noch mehr für die Brandkatastrophe verantworten? Zumindest ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung gegen den Hauseigentümer, noch unbekannte Verantwortliche der Bauaufsichtsbehörde, den früheren Bauherrn und den damaligen Architekten. Denn nach Gutachter-Ansicht ist klar: Hätte es im Treppenhaus einen Rauchabzug gegeben, hätten die Türen zu den Wohnungsgeschossen funktioniert, wären Menschenleben zu retten gewesen. Hier gab es  erhebliche Verstöße gegen den Brandschutz.

 Vinzenco Doriguzzi in seinem Restaurant: Mehr als vier Monate war sein Lokal nach der Brandkastastrophe mit vier Toten  geschlossen.

Vinzenco Doriguzzi in seinem Restaurant: Mehr als vier Monate war sein Lokal nach der Brandkastastrophe mit vier Toten  geschlossen.

Foto: Matthias Zimmermann

Vinzeco Doriguzzi und seine Kollegen kamen mit einem blauen Auge davon. 60 000 Euro habe bislang die Versicherung bezahlt, inklusive der Gehälter. Den Sachschaden am gesamten Komplex beziffert die Saarbrücker Staatsanwaltschaft auf 500 000 Euro.

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