Wo wohnt das Glück? Wo wohnt das Glück, Frau van den Boom?

Saarbrücken · Was anderen etwas gönnen mit Lebenszufriedenheit zu tun hat. Und warum Wutbürger erstmal auf sich selber achten sollten.

 Für Maike van den Boom ist das Glücklichsein sozusagen ihr Beruf geworden. Mit ihren Büchern und in zahlreichen Vorträgen versucht sie, auch ihr Heimatland  Deutschland ein bisschen glücklicher zu machen. Gerade ist ihr Buch „Acht Stunden mehr Glück“ erschienen.

Für Maike van den Boom ist das Glücklichsein sozusagen ihr Beruf geworden. Mit ihren Büchern und in zahlreichen Vorträgen versucht sie, auch ihr Heimatland  Deutschland ein bisschen glücklicher zu machen. Gerade ist ihr Buch „Acht Stunden mehr Glück“ erschienen.

„Wo geht’s denn hier zum Glück?“ heißt es am heutigen 18. Oktober im Festsaal des Saarbrücker Schlosses. Die Bestseller-Autorin Maike van den Boom liest auf Einladung der Saarbrücker Buchhandlung Raueiser aus ihren Büchern, die sich mit den glücklichen Ländern dieser Erde beschäftigen – und auch mit der Frage, warum Deutschland nicht dazu gehört. Gerade ist ihr neues Buch „Acht Stunden mehr Glück“ über die bessere Arbeitswelt insbesondere in den skandinavischen Ländern erschienen. Wir haben mit der Autorin vorab ein bisschen geplaudert über das Glück und seinen Verlust.

Liebe Frau van den Boom, heute morgen bin ich durch die Saarbrücker Innenstadt gelaufen und habe als Vorbereitung auf dieses Interview mal wieder bewusst in die Gesichter der Passanten geschaut. Obwohl gutes Wetter war, nicht zu kalt, nicht zu heiß, nicht nass, habe ich fast nur Menschen mit mürrischen Minen gesehen. Wieso fällt den Deutschen das Lächeln so schwer?

Maike van den  Boom: Glück ist nicht unbedingt eine Frage des Lächelns. Ich erinnere mich an meine erste Reise nach Finnland. Die Finnen sind ja inzwischen beim World Happiness Report auf Platz Eins gelandet. Da habe ich jemanden interviewt und fragte: Na, wie glücklich bist du auf einer Skala von Eins bis zehn? Ich dachte, der kippt gleich depressiv zur Seite. Und dann sagt der: 8,5. Das ist extrem gut. Wer 8,5 hat, hat ein glückliches Leben. Mit dem Lächeln hat das also nicht unbedingt viel zu tun.  Aber was man sagen kann ist: Die Deutschen haben schon grundsätzlich die Neigung, sich auf das zu konzentrieren, was nicht funktioniert.

Tun das die Menschen in anderen Ländern nicht?

Maike van den  Boom: Doch schon. Die Skandinavier sind die ganze Zeit damit beschäftigt. Sie wollen andauernd Dinge verbessern, verbessern, verbessern. Aber es gibt eben einen Unterschied zwischen der fast kindlichen Freude an Entdeckungen und dem mürrischen  sich Fokussieren auf alles, was nicht funktioniert – dann aber nicht ins Handeln kommen. Nichts ändern oder nur lustlos. Das ist ein Unterschied zu den glücklichen Ländern. Dort haben die Menschen das Gefühl: Ich kann Einfluss nehmen. Und wenn man Einfluss nehmen kann, ist man glücklich. Wir suchen uns in Deutschland  oft eine ganze Menge, sicher auch wohl überlegte Gründe, warum etwas nicht gemacht werden kann. Die Skandinavier legen einfach los.

Das Saarland, insbesondere Saarbrücken, müsste für Glücksforscher eine besonders interessante Region sein, da wir an der Grenze zu Frankreich leben. Ich persönlich mache immer wieder die Erfahrung, dass die Lothringer, die bei uns arbeiten, teils in den selben Jobs wie wir, einfach die bessere Laune haben. Da wird mehr gelacht, und man hat das Gefühl, die nehmen alles ein bisschen gelassener. Dabei haben wir doch alle hier die gleichen Wurzeln, Leute, die Backes oder Schmidt heißen gibt es sowohl dies- als auch jenseits der Grenze. Woran könnte dieser erkennbare Unterschied liegen?

Maike van den  Boom: Mit dieser Frage bringen Sie mich jetzt ein bisschen in Bedrängnis. Denn all diese Länder, bei denen wir immer denken: die lachen so viel, die sind so happy, die genießen das Leben – Spanien, Italien und eben auch Frankreich – diese Länder schneiden bei den Umfragen zur Zufriedenheit denkbar schlecht ab. Fast so schlecht wie wir. Auch das zeigt wieder: Viel Lachen bedeutet nicht, dass man tatsächlich glücklich ist.

Warum sind überhaupt einzelne Länder glücklicher als andere?

Maike van den  Boom: Am Anfang des Glücklichseins steht die Entscheidung, glücklich zu sein. Da kann man nicht erst mal alles andere erledigen, und irgendwo auf der To-do-Liste steht noch: Glücklich sein. Glücklichsein ist eine Haltung, die man lebenslang trainieren muss. Wie das Stärken des Bizeps. . . So ist das auch mit einer ganzen Gesellschaft. Dass man wie in Dänemark oder Schweden entscheidet: Es soll den Menschen gut gehen. Nicht: Ey, wir müssen Umsatz machen. Erst der Mensch, dann das Geschäft. Das ist schlau, denn glückliche Menschen sind extremst motiviert.

Ihr Bestseller „Wo geht’s denn hier zum Glück?“ ist schon ein paar Jahre alt. In der Zwischenzeit hat sich Deutschland nicht unbedingt verbessert beim Talent fürs Glücklichsein. Wenn man sich die schlecht gelaunten Wutbürger auf verschiedenen Demos anschaut, hat man eher das Gefühl, das letzte bisschen Zufriedenheit verabschiedet sich gerade aus Deutschland. Was raten Sie allen, die das gern ändern würden?

Maike van den  Boom: Wir können andere Menschen nicht ändern, wir können nur uns selber ändern. Aber ich, du, ihr da drüben, wir alle, wir formen ja die Gesellschaft. Wutbürger sind nicht glücklich und schießen sich ein bisschen selber ins Bein. Es ist wichtiger, erst mal zu schauen: Was kann ich beitragen zu einer Gesellschaft, in der ich gern leben möchte? Das klingt jetzt ganz groß, das ist auch ganz groß. Aber nichts anderes tun die glücklichen Länder. Wenn man sich Schweden, Dänemark oder Norwegen anschaut: Da ist das Wir-Gefühl sehr groß. Diesen Gedanken, gemeinsam sind wir besser, den lernen die Kinder schon in der Schule. Wenn viele dieser sogenannten Wutbürger sich also erst mal auf sich selbst konzentrieren und schauen würden, was sie denn für einen wertvollen Beitrag für die Gemeinschaft leisten, wäre schon viel geholfen.

Nun sind die Schweden bei der letzten Wahl ja auch etwas nach rechts gerückt. . .

Maike van den  Boom: Ich denke, das ist eher die Angst, dass es nicht so klappt mit der Integration. Das ist ja auch die Angst bei uns in Deutschland. Nur neigen wir in Deutschland grundsätzlich und latent immer zu Gefühlen von Hilflosigkeit, Unsicherheit und Angst – sehr viel mehr als die nordischen Länder. Diese Gefühle zeigen sich dann oft in dieser Aggression, die wir auf der Straße sehen.

Ihr neues Buch, das dieser Tage erschienen ist, heißt „Acht Stunden mehr Glück“. Dafür  haben sie untersucht, wie die Menschen in skandinavischen Ländern es schaffen, bei der Arbeit zufriedener zu sein als wir. Was machen  die Finnen und Norweger anders als die Schwaben und die Sachsen?

Maike van den  Boom: Sagen wir so: Die lassen Menschen Menschen sein in ihrer ganzen Individualität und Einzigartigkeit. Das lernen Kinder schon in der Schule. Die bekommen ja auch erst sehr spät Noten. Es geht nicht darum, was richtig oder falsch ist. Es geht darum, was du denkst, als Kind in der Schule und später als Mitarbeiter im Unternehmen. So bleiben die Menschen nah bei sich selbst und entwickeln ein gutes Selbstbewusstsein. Sie gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass sie einen Beitrag leisten können.

Man liest, in Skandinavien sei die so genannte Work-Life-Balance sehr gut?

Maike van den  Boom: Da ist vor allem diese unglaubliche Flexibilität, die es den Menschen möglich macht, ihr Leben einzigartig und individuell zu leben. Das heißt, wenn sie Kinder bekommen, dann sind halt alle flexibel. Nicht nur die Arbeitgeber, die auch, aber auch die Kollegen. Da ist dieses unglaublich hohe Vertrauensniveau, das im Norden herrscht, was es möglich macht, dass einer um zwei Uhr sagt: Tschüss, ich bin beim  Skirennen und keiner doof kuckt.  Und schon gar nicht auf die Uhr. Weil man einander vertraut, dass jeder seinen Beitrag leisten möchte. Keiner zweifelt daran, dass Tineke, wenn sie die Kinder um zwei abholt oder mit zum Skirennen geht, abends ihren Computer nochmal hochfährt. Es gilt das Prinzip: Freiheit unter Verantwortung. Das ist etwas, das wir uns zu Herzen nehmen könnten. Dass wir einander mehr gönnen. Dann gönnen wir uns selber nämlich auch viel mehr.

Sie selbst sind mittlerweile mit Ihrer Tochter nach Stockholm gezogen. Haben Sie die schlechte deutsche Laune satt?

Maike van den  Boom: Aber nein! Ich liebe Deutschland. Ich habe schon davor insgesamt 13 Jahre im Ausland  gelebt, doch Deutschland ist immer meine Heimat geblieben, die mir am Herzen liegt. Deshalb halte ich dort viele Vorträge, schließlich möchte ich das Glück nach Deutschland bringen. Ich fliege jetzt halt einfach eine Stunde länger und aus Stockholm an. Denn das ist die Stadt, in der ich immer mal wohnen wollte. Und das tue ich jetzt.

Das Gespräch führte Susanne Brenner

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort