Kinderleichtes Programmieren

Saarbrücken · Mit Mini-Computern sollen Drittklässler spielerisch an die digitale Welt herangeführt werden und lernen, wie Schaltungen, Software und Sensoren funktionieren. Saarbrücker Schüler haben „Calliope mini“ bereits getestet.

 Tim Keßler (links) und Danilo Pasko begeistern sich für Technik. Die Schüler der Wiedheck-Grundschule in Saarbrücken haben einen „Calliope mini“ programmiert.

Tim Keßler (links) und Danilo Pasko begeistern sich für Technik. Die Schüler der Wiedheck-Grundschule in Saarbrücken haben einen „Calliope mini“ programmiert.

Foto: Oliver Dietze

"Drück mich", "Schüttel mich" steht auf Zetteln neben den Kleincomputern "Calliope mini". Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD ) greift beherzt zu - doch nichts passiert. "Da muss erst Strom drauf", belehren ihn die Dritt- und Viertklässler der Grundschule Wiedheck in Saarbrücken . Paul führt es dem Besucher vor: "Hier kommt das Kabel rein, das mit einer Batterie verbunden ist." Nun erscheinen nach dem Drücken auf dem Display der handtellergroßen Platine ein lachender Smiley und anschließend ein "Hallo". Das haben die Schüler zuvor am Computer programmiert und anschließend auf dem Mikroprozessor gespeichert. Dafür gibt es im Netz eine Programmierplattform, mit der Schüler ihr Programm wie bei einem Puzzle zusammenstellen können. An ihrem Computer tüfteln Tim und Danilo gleich an mehreren Eigenschaften. "Kippt man den Mikroprozessor nach links, erscheint eine Fünf, drückt man auf die Taste A ein Smiley und ein piepsendes Geräusch", erklärt Tim. "Mir machen Computer und Roboter Spaß, eigentlich alles mit Technik", sagt Danilo.

Zu Schuljahresbeginn sind "Calliope minis" an den Saarbrücker Grundschulen Wiedheck und Rastpfuhl in einem Feldversuch erstmals bedient worden. Ziel ist es, Grundschülern spielerisch die digitale Welt näherzubringen. Sie sollen lernen, wie Schaltungen, Software und Sensoren funktionieren und wie einfaches Programmieren geht. Ab dem nächsten Halbjahr soll nach Wunsch des Saar-Bildungsministeriums das Angebot auf alle dritten Klassen im Saarland (rund 7500 Schüler ) ausgedehnt werden - und zwar nicht in AGs, sondern im Fachunterricht. "Kinder sollen sehen: Das ist keine Zauberei, man kann IT verstehen, sie können selbst etwas gestalten", sagt Commerçon. Dafür bietet das Landesinstitut für Pädagogik und Medien ab Februar Schulungen für Lehrer an - Voraussetzung, um am freiwilligen Projekt teilzunehmen. Das Land trägt dabei die Kosten für die Fortbildungen - die Technik, also die Ausstattung mit den Platinen, übernimmt die gemeinnützige Calliope gGmbH, die vom Bundeswirtschaftsministerium und weiteren Sponsoren, darunter Google, Bosch, SAP und die Deutsche Telekom-Stiftung, gefördert wird. Ein Kleincomputer kostet zwischen 10 und 15 Euro.

Geht es nach den Plänen des Kölner Unternehmers Stephan Noller, der "Calliope mini" mit Pädagogen, Informatikdidaktikern und Schulverlagen entwickelt hat, soll es die Kleincomputer irgendwann in allen deutschen Grundschulen geben. Am weitesten neben dem Saarland ist Bremen, das ebenfalls ein Pilotprojekt startet.

"Kinder werden oft unterschätzt, aber sie sind bereits im Grundschulalter in der Lage zu programmieren", sagt Noller. "Calliope mini"- benannt nach der griechischen Muse der Wissenschaft - soll aber nicht nur im Sachunterricht eingesetzt werden. "Man kann daraus einen Schrittzähler für den Sportunterricht bauen oder ihn messen lassen, mit welcher Geschwindigkeit sich der Arm bewegt, wenn ein Ball geworfen wird", sagt Noller. Auf dem IT-Gipfel will er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) zeigen, wie "Calliope mini" messen kann, ob die Erde einer Topfpflanze zu trocken ist.

Damit Lehrer auch in Räumen ohne Computer mit dem Mikroprozessor arbeiten können, sind auf der Platine 25 Programme installiert. Bewusst habe man sich für eine Platine entschieden: "So wird deutlich: Informatik heißt nicht nur, an einem Bildschirm zu sitzen."

Noller geht es auch darum, Mädchen für die IT zu begeistern. "Fangen wir erst im siebten Schuljahr mit einer Informatik-AG an, sitzen dort 90 Prozent Jungen", so seine Erfahrung. Auch an der Grundschule Wiedheck saßen anfangs in der Gruppe, die Teil des Nachmittagsunterrichts der gebundenen Ganztagsschule ist, nur Jungen, sagt Schulleiter Thomas Schulgen. Seit der Kurs von zwei Lehrern - einem Mann und einer Frau - geleitet werde, interessierten sich nun auch einige Mädchen für das Experimentieren mit dem Mikroprozessor.

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Auf einen Blick Der Calliope mini ist ein Kleincomputer, eine etwa sieben mal acht Zentimeter große Platine (Trägerelement für elektronische Bauteile). Das Display hat 25 LED. Er enthält einen Lage- und Beschleunigungssensor mit Bewegungssensor und Kompass. Mit deren Hilfe kann er erkennen, in welche Richtung und mit welcher Geschwindigkeit er bewegt wird. Außerdem können Temperatur und Helligkeit gemessen werden. Mit einem Bluetooth-Modul kann der Kleincomputer mit anderen Geräten kommunizieren. Er hat vier Input-Output-Kontakte von denen zwei auf bloße Berührung reagieren, einen Mikro-USB-Anschluss und zwei Grove-Anschlüsse, an die Erweiterungsmodule angeschlossen werden können. Integriert ist ein Lautsprecher zum Abspielen von Musik sowie ein Mikrofon zur Tonaufnahme. Calliope verfügt über einen Motor-Anschluss für zwei Motoren. So kann das Board auch in einen Roboter verwandelt werden. ukl

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