Versalzene Suppe unter Tage

Saarbrücken · Die geplante Grubenflutung im Saarland birgt Risiken. Unklar ist vor allem, welche Umweltgefahren mit dem Grubenwasser zutage treten. Die Grünen wollen sich morgen im Untersuchungsausschuss des Landtages mit einem Beweisantrag den unter Tage lagernden Giftstoffen zuwenden. Das krebserregende PCB scheint aber nach Expertenmeinung gar nicht das größte Problem zu sein.

 PCB-haltige Hydraulik-Öle wurden bis in die 1980er Jahre bei den Saarbergwerken eingesetzt, etwa auch beim Schildausbau wie auf diesem Foto von 1983. Foto: Saarberg

PCB-haltige Hydraulik-Öle wurden bis in die 1980er Jahre bei den Saarbergwerken eingesetzt, etwa auch beim Schildausbau wie auf diesem Foto von 1983. Foto: Saarberg

Foto: Saarberg

In der öffentlichen Diskussion über die geplante Flutung der stillgelegten Gruben im Saarland galten bislang Polychlorierte Biphenyle (kurz: PCB) als größtes Umweltrisiko. Experten des saarländischen Umweltministeriums, die mit den Grubenflutungs-Plänen des Bergbaukonzerns RAG unmittelbar befasst sind, sehen dies jedoch anders: "Nicht PCB sind das mutmaßlich vordringliche Problem, sondern Salze", heißt es. Salzartige Chloride sind ebenso wie Schwermetalle sogenannte geogene Stoffe (natürliche Bodenstoffe). Bei einer Grubenflutung gehen die Experten zudem davon aus, dass langfristig nicht die Menge an PCB im Grubenwasser zunimmt, wie Kritiker behaupten, sondern vielmehr die Mengen von Eisen und Salzen. Leiden könnte darunter das Grundwasser . Schaden nehmen könnten durch das bis zu 30 Grad warme Grubenwasser zudem Flora und Fauna in und an den Gewässern, in die das Grubenwasser eingeleitet wird.

Es mag zunächst dubios klingen, aber nach Ansicht der Fachleute käme die Grubenflutung einer Verminderung der PCB-Belastung und der Salz-Konzentration in saarländischen Fließgewässern dennoch zugute. Wie das? Derzeit wird das Grubenwasser an fünf Orten in saarländische Flüsse eingeleitet. An drei dieser Einleitstellen (im Klinkenbach, Fischbach und Köllerbach) werden die zulässigen PCB-Werte deutlich überschritten. Das heißt, hier plätschern mit dem Grubenwasser vergleichsweise hohe PCB-Konzentrationen in sehr kleine Fließgewässer. Das Land hat deshalb den RAG-Konzern dazu verpflichtet, die PCB-Wertüberschreitung dort bis zum Jahr 2021 abzustellen. Und mit der Grubenflutung will die RAG unter anderem eben dies erreichen. Denn nach einer kompletten Grubenflutung soll das Grubenwasser nur noch an einer Stelle (nämlich bei Ensdorf) in die Saar geleitet und dort aufgrund der Größe dieses Fließgewässers so stark verdünnt sein, dass die zulässigen PCB-Grenzwerte unterschritten und die hohe Salzkonzentration verwässert wäre.

Dem Bergbaukonzern RAG vorzuschreiben, PCB vor der Einleitung in Gewässer aus dem Grubenwasser herauszufiltern, könnte dennoch auch hierzulande Realität werden. Nach SZ-Informationen soll es entsprechende Überlegungen geben. Der grüne Umweltminister Johannes Remmel in Nordrhein-Westfalen (NRW) plant dies bereits. Nach einem Gutachten des Landes NRW, dessen Ergebnisse kürzlich öffentlich wurden, ist eine entsprechende PCB-Reinigung des Grubenwassers technisch nicht nur möglich, sondern auch deutlich weniger aufwendig als von der RAG dargestellt. Der "Spiegel" hatte darüber berichtet.

Sehr teuer dürfte es dagegen nach Einschätzung der Fachleute aus dem Saar-Umweltministerium werden, auch Salze aus dem Grubenwasser herauszufiltern. Entsalzungsanlagen gelten als kostspielig, weshalb sie weltweit auch keine massenhafte Anwendung finden. Während die hohe Salzkonzentration des Grubenwassers für die Saar aufgrund der Verdünnung kein ernsthaftes Problem darstellen mag, ist diese Gefahr in Bezug auf das Grundwasser noch nicht gebannt. Zwar sind die Grundwasserbereiche, die im Saarland zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, von mutmaßlich undurchlässigen Buntsandsteinschichten umschlossen. Geschützt werden muss nach deutschem Recht aber auch dasjenige Grundwasser , das nicht zur Trinkwassergewinnung genutzt wird - und hierzulande auch außerhalb solcher Buntsandsteinschichten liegt. Nach Auffassung der Umweltexperten ließe sich jedoch durch Pumpen im Erdreich ein künstliches Druckgefälle herstellen, welches das Eindringen von Grubenwasser in Grundwasserschichten verhindern könnte.

Der Umwelt- und Wasserexperte Harald Friedrich aus Meschede, der die Erstellung des erwähnten Gutachtens des Landes NRW in einem Arbeitskreis begleitet hat, bezeichnete unterdessen die aktuelle Vorgehensweise an der Saar als vorbildlich. "Die saarländische Landesregierung hat die Pläne für die Grubenflutung auf planungs- und umweltrechtlich solide Füße gestellt", erklärte Friedrich im Gespräch mit unserer Zeitung. Der 64-Jährige war zehn Jahre Abteilungsleiter für Wasserwirtschaft und Bodenschutz im nordrhein-westfälischen Umweltministerium unter Bärbel Höhn (Grüne). Neben dem Planfeststellungsverfahren, der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Öffentlichkeitsbeteiligung begrüßt Friedrich vor allem die Aussage der hiesigen Landesregierung, eine komplette Grubenflutung nur dann zu genehmigen, wenn Umweltgefahren ausgeschlossen werden können. Zudem habe das Saarland gegenüber NRW den Vorteil, dass nur ein geringer Teil der Grundwasserkörper, die zur Trinkwassergewinnung genutzt werden, im Einflussbereich früherer Gruben liege (siehe Hintergrund).

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Hintergrund Rund 15 Prozent des Trinkwassers im Saarland wird im Einflussbereich der geplanten Grubenflutung gewonnen. Die dafür genutzten Grundwasservorkommen liegen in Buntsandsteinschichten eingebettet, die mit "hoher Wahrscheinlichkeit großflächig gegen Grubenwassereinflüsse abgedichtet sind", wie das Umweltministerium mitteilt. Sollte dies nicht der Fall sein, könne man durch einen gezielten Druckausgleich mittels Pumpen zwischen Buntsandstein- und darunter liegenden Karbonschichten ein Eindringen des Grubenwassers dennoch verhindern. Im Warndt werde dies bereits gemacht, nachdem der französische Bergbau die Buntsandsteinschicht verletzt hatte. jos

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