Nasuwieser Viertel Goldene Zeiten im Nauwieser Viertel?

St. Johann · Fast kein Laden im Viertel steht mehr leer. „Es geht ganz schön voran. Es gibt einige neue, mutige Geschäftsleute“, sagt Ralf Leis.

Einer von vielen, die im Viertel arbeiten: Norbert Gerwert von Auto Bucher. Das Foto stammt aus dem aktuellen Viertelvor-Heft. Auf dem Foto sitzt der Fachmann vor einem alten BMW Z3.

Einer von vielen, die im Viertel arbeiten: Norbert Gerwert von Auto Bucher. Das Foto stammt aus dem aktuellen Viertelvor-Heft. Auf dem Foto sitzt der Fachmann vor einem alten BMW Z3.

Foto: Falk Kuckert

Der Ort, an dem Ralf Leis und Falk Kuckert leben, liegt „zwischen totalem Gejammer und Euphorie“. So beschreibt Ralf Leis sein „Sowohl-als-auch-Viertel“. Er hat das Klagen noch im Ohr: „Leerstand!“ Es sei noch gar nicht so lange her, da sei dieses Wort durchs Nauwieser Viertel gegeistert und habe für Angst gesorgt. Inzwischen stehe fast kein Laden mehr leer. „Das Viertel geht ganz schön voran. Es gibt einige neue, mutige Geschäftsleute“, sagt der Grafiker.

Deshalb haben er und sein Kollege Falk Kuckert ihr traditionell kurz vor dem Nauwieser Fest erscheinendes Viertelvor-Heft mit goldenem Titelblatt herausgebracht. „Kaufen, kaufen, kaufen“, lautet der Titel des Hefts, das 2005 mit dem Saarländischen Staatspreis für Design ausgezeichnet wurde und nicht nur auf der Nauwies selbst als Kult gilt.

Das mit dem Aufschwung ist nicht nur so ein Gefühl. Leis und Kuckert, die als Grafiker im Viertel arbeiten, haben nachgezählt. Auf 237 Unternehmen sind sie dabei gekommen. Die Palette reicht dabei von 13 Rechtsanwälten bis zu einem Naturheiler, von 45 Einzelhandelsläden bis zu 44 Unternehmen in der Gastronomie. Es gibt unter anderem zwei Waschsalons, zwei Bestatter, drei Tattooläden, zwei Leiharbeitsunternehmen, sieben Ärzte und zwölf Friseure im Nauwieser Viertel.

Was den Charme ausmacht: „In den Läden stehen meistens Leute, denen der Laden auch gehört, Leute, die einen Bezug haben zu dem, was sie da machen“, sagt Falk Kuckert. Und weil das Viertel eben nicht einfach ein Gewerbegebiet ist, sondern etwas Besonderes, sei auch irgendwie klar gewesen, dass das Nauwieser Fest nicht sterben kann. Auch wenn der Rockstar-Verein erstmal aufgegeben hat, sei klar gewesen, dass sich Menschen finden, die weitermachen. Und es sei gut, dass diese Menschen „Viertler“ sind, sagt Kuckert.

„Es wäre nicht gut gewesen, wenn ein Veranstalter aus Saarlouis das Fest übernommen hätte und es ein Event wie viele andere auch geworden wäre“, findet Kuckert. Auch wenn die Stadtverwaltung, die ja bereits das Altstadtfest und das Saar-Spektakel organisiert und verantwortet, das Nauwieser Fest übernommen hätte, „wäre das nur noch irgendein Event unter anderen“ geworden. „In zwei Jahren hätten die Leute dann zu Recht gefragt, ob wir dieses Fest noch brauchen“, sagt Kuckert. Und die Besucher, da sind sich Leis und Kuckert sicher, werden nicht merken, dass nun andere Leute aus dem Viertel im Organisationsteam sitzen als bisher. Also: Alles ist gut.

Na, ja, fast alles. Denn auch wenn es im Viertel wirtschaftlich gut läuft, die Debatte um die so genannte Gentrifizierung wird dadurch beflügelt. Kommen zu viele Menschen mit Geld ins Viertel, treiben Laden- und Wohnungspreise hoch und vertreiben so teilweise langjährige Bewohner, die mit den neuen Preisen nicht Schritt halten können? Darüber haben Leis und Kuckert auch mit Professor Stefan Ochs von der Saarbrücker Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) gesprochen.

Der kann sich allerdings in seinem Interview fürs Viertelvor-Heft nicht so richtig aufregen über Luxuswohnungen am Rande des Viertels oder ein edles Restaurant. Da sitzen dann eben ein paar Leute „abends auf ihrer Terrasse und gucken nach Westen oder Osten mit einem Crémant in der Hand“ – wo sei da das Problem? Zumindest „so lange die Tempo 30 fahren“, findet Ochs.

Wobei Ochs nichts davon hält, Autos aus dem Viertel oder der Innenstadt zu verbannen. „Das wird dann so ein Bibabutzel, so ein schneewittchenmäßiges Fußgängerzonenparadies“, meint Ochs. Er habe sogar schon drüber nachgedacht, ob es für die Bahnhofstraße nicht gut wäre, wenn dort wieder Autos fahren dürften. Für die Nauwies gelte: „Leute mit Geld und Porsche 911 gehören für mich genau so ins Viertel“ wie die Leute aus der Szene.

Dem Nauwieser Viertel rät der Professor, „eine gewisse Hässlichkeit zu bewahren“ und eben nicht durch idyllisches Pflaster und so „das Bibabutzelmann-Stadt-Dorf-Bild“ abzugeben. Den Menschen im Viertel und denen, die dort etwas machen wollen, rät er: „Ausprobieren, was machen, mieten, Veranstaltungen, innovativ sein, investieren, möglicherweise scheitern, abbauen, nach Hause gehen.“

 Ralf Leis (links) und Falk Kuckert 

Ralf Leis (links) und Falk Kuckert 

Foto: Martin Rolshausen

Es habe Spaß gemacht, mit Ochs zu diskutieren, sagen Leis und Kuckert. Er habe das Viertel als das beschrieben, was es eben ist: das Sowohl-als-auch-Viertel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort