Schmierereien in Saarbrücken Stadt: Illegale Graffiti sind eine Straftat

Saarbrücken. · Ob Eisenbahndirektion oder Musikhochschule: Schmierereien, die nichts mit Kunst zu tun haben, sind ein Ärgernis.

 Nazi-Symbole wie das Hakenkreuz und die Zahl 88 verschandeln einen Brückenpfeiler in St. Arnual.

Nazi-Symbole wie das Hakenkreuz und die Zahl 88 verschandeln einen Brückenpfeiler in St. Arnual.

Foto: Silvia Buss

Normalerweise sieht das historische Gebäude der Eisenbahndirektion, in dem die Deutsche Bahn AG und andere Einrichtungen am Hauptbahnhof residieren, schön und gepflegt aus. Doch vor einigen Wochen hat jemand die Sandstein-Fassade mit den drei Buchstaben A, L und F über die ganze Breite besprüht. Mag sein, er wollte sich als Fan der amerikanische Kultserie mit der zotteligen außerirdischen Lebensform outen, die seit Freitag wieder im deutschen Fernsehen kommt, vielleicht aber auch nur als Fan seiner selbst.

„Taggen“ heißt es im Graffiti-Jargon, wenn jemand sein Namenskürzel sprüht. „Tags“ sind in Mode. Manche sind sehr kunstvoll, andere nur dahin geschludert.

Schon immer gab es Sprüher, die mit „Tags“ in erster Linie ihr Revier markieren wollen. Ihnen geht es weder um eine subversive Botschaft noch um Kunst, sondern nur darum, sich mit so vielen „Tags“ wie möglich im Stadtbild zu verewigen, egal wo. Auch in Saarbrücken sieht man solche Schmierereien überall: auf Stromkästen, Recyclingcontainern, an frisch renovierten Hauswänden, Schaufensterscheiben, Brückenpfeilern. Auf einem Altkleidercontainer des Roten Kreuzes in der Koßmannstraße konnte man dieser Tage sogar SS-Runen entdecken, und am Brückenpfeiler des Kreisels St. Arnual mehrere Hakenkreuze.

Gefühlt hat dieses wilde „Taggen“ in Saarbrücken zugenommen. Oder entsteht dieser Eindruck nur, weil die farbigen Sprüh-Werke in der grauen Jahreszeit mehr auffallen, und weil Büsche und Bäume, die sie sonst kaschieren, derzeit kahl sind? Für die Stadtverwaltung sind diese unerwünschten „Schmierereien“, die Stadtsprecher Thomas Blug von Graffiti als Kunstform unterscheidet, auch ein Problem, das hohe Kosten verursacht. 25 000 Euro stelle die Stadt jedes Jahr in den Haushalt, um Schmierereien an städtischen Gebäuden zu beseitigen, außerdem 50 000 Euro für die Versiegelung von Flächen mit Anti-Graffiti-Schutz, teilt Blug mit.

Hinzu kämen weitere Ausgaben für die Beseitigung von „Farbbeschädigungen“ in Grünanlagen, auf Schildern, an Brücken sowie sonstigen Verkehrs-  und Sportanlagen. Die Stadt bemüht sich laut Blug stets darum, die Schmierereien schnell zu entfernen, da sie als Zeichen von Verwahrlosung weitere ungewünschte Folgen nach sich ziehen könnten. Nicht nur weitere „Tags“, sondern auch wilde Müll­ablagerungen. Im Jahr 2017 hat die Stadt Blug zufolge rund 50 wilde Graffiti von einer  Firma oder städtischen Hausmeistern entfernen lassen. Im Vergleich zu den Vorjahren sei die Zahl ungefähr gleich geblieben. Illegale  Graffiti, die einen „Eingriff an fremdem Eigentum“ darstellen, werde übrigens keineswegs nur als Ordnungswidrigkeit behandelt, sondern als Straftat, betont Blug. Ebenso wie die Deutsche Bahn zeige die Stadtverwaltung diese Eingriffe an ihrem Eigentum an. „Privaten Eigentümern empfehlen wir auch auf jeden Fall, Anzeige bei der Polizei zu erstatten“, sagt der Stadtsprecher.

Nimmt man das Anzeigenaufkommen als Maßstab, so ist das illegale Sprühen in der Kernstadt (Alt-Saarbrücken, St. Johann, Malstatt und Burbach) in den vergangenen Jahren konstant geblieben. Um die 300 Anzeigen habe es 2017 gegeben, sagt Thomas Kasper, stellvertretender Leiter des Jugendsachgebiets bei der Polizeiinspektion Saarbrücken- St. Johann.

Auch die Anzeigen von Hakenkreuzen oder ähnlichen Zeichen, die als „Verwendung von verfassungsfeindlichen Symbolen“ nach Paragraph 86a vom Staatsschutz verfolgt werden, haben Kasper zufolge nicht zugenommen. Ganze zwei gab es 2017.

Voraussetzung, um eine Anzeige stellen zu können, ist, dass man geschädigter Eigentümer ist und somit ein berechtigtes Interesse an einer Strafverfolgung hat. Doch nicht jeder macht von der Möglichkeit Gebrauch. Vornehmlich seien es Hausverwaltungen, Autobesitzer, Eigentümer anderer Fahrzeuge und Private, die den Schaden bei ihrer Versicherung geltend machen wollen, weiß Kasper. Für die Täter haben Anzeigen jedoch selten Folgen. Nur wenn die Polizei Täter auf frischer Tat ertappt, komme es zu Festnahmen, das sei aber selten, sagt Kasper.

Als öffentlich geförderte und beauftragte Kunst-Form ist Graffiti zunehmend präsent. Neben Kunstförderung oder auch bloß der Verschönerung von öden Flächen erhoffen sich die Auftraggeber von diesen Wandgestaltungen oft auch einen Graffiti-Schutz. Denn ein Ehrenkodex der Sprayer-Szene besagt, dass gelungene Werke von Kollegen aus Respekt nicht übersprüht werden. Die Erwartung erfüllt sich nicht immer: Die Musikhochschule, die Künstler Reso im Rahmen des Artwalk-Projekts neu gestaltet, ist rundherum schon wieder mit schludrigen „Tags“ verschandelt.

Auf ein ganz neues Phänomen hat der Saarbrücker Blogger Ekkehart Schmidt jetzt aufmerksam gemacht. Auf der für alle freigegebenen Fläche am Staden haben Unbekannte über die kunstvollsten Werke vor einigen Wochen Worte wie „Negerkunst“, „entartet“ und „Kanakenkunst“ gesprüht. Sehr erschreckend finde er es, dass da  jemand zur durchaus legitimen Kritik an Kunst ausgerechnet auf Nazi-Ideologie zurückgreife, schreibt Schmidt in seinem Blog.

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