In der Aula Kunst aus Wut und Trauer

Sulzbach · Das Tanz-Theaterprojekt „Der Traum“ der Gemeinschaftsschule Vopeliuspark begeisterte die vielen Zuschauer.

 Schüler der Gemeinschaftsschule Vopeliuspark Sulzbach bei ihrer Vorführung

Schüler der Gemeinschaftsschule Vopeliuspark Sulzbach bei ihrer Vorführung

Foto: Thomas Seeber

Da liegen sie. Fast wären die Besucher beim Betreten des Festsaals über die jungen Leute gefallen, die auf dem Boden verstreut – ja, was eigentlich? Träumen? Doch man delegiert sie rechts und links vorbei zur Zuschauertribüne, dorthin, wo sich sonst die Bühne befindet. Dieser Perspektivwechsel hat Methode. Gleich gilt es, die innere Komfortzone der Sicherheit und vollklimatisierten Geborgenheit zu verlassen und mitzuerleben, wie das ist: ausgestoßen werden. Gewalt erfahren, Angst fühlen, sogar Todesangst. Kälte und Hunger. Verzweiflung und, trotz alldem oder gerade deswegen, diese aberwitzige Hoffnung, dass alles besser wird.

Denn gut kann es wohl nie mehr werden – jedenfalls nicht für Omar, Hydara, Mjd, Ahmad und die anderen jungen syrischen Flüchtlinge.

Sie besuchen die Gemeinschaftsschule Vopeliuspark und ließen sich auf dieses ungewöhnliche Tanz-Theaterprojekt ein, das ihnen Bund, Land, Regionalverband, die Stadt Sulzbach sowie die Diakonie Saar ermöglichen. „Wir haben festgestellt, dass, wenn verschiedene ethnische Gruppen zusammenkommen, das eben nicht so ohne weiteres funktioniert“, erklärte Schulleiterin Herta Anna Schley. Die Frage sei: Wie geht man mit Vielfalt um? „Ich glaube fest daran, dass es wichtig ist, gesehen, wahrgenommen zu werden und einen Platz zu bekommen.“ Ohne das Beherrschen der Umgangssprache ein Unding. Aber: „Über Tanz ist es möglich.“

Tatsächlich bedienten sich die Coaches, Tänzer Mohammad Ali Deeb und Schauspieler Thomas Engel, bei den Proben eines munteren Kauderwelschs aus Deutsch, Englisch und Arabisch. „Das Projekt entstand, damit die Kinder zeigen können: Wir sind normale Leute. Und auch, um sie ankommen zu lassen“, meinte Engel, für den es in kurzer Folge die zweite Zusammenarbeit mit der Gemeinschaftsschule ist.

Es sollte etwas in der Art von „Rythm is it!“ werden, jenem Tanzprojekt, bei dem 250 Kiezkinder aus 25 Nationen mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle ein Stravinsky-Ballett einstudierten.

Tatsächlich, und das ist ebenso bemerkenswert, funktioniert es auch hier in Sulzbach. Diese jungen Menschen, in Jeanshosen und einfarbigen T-Shirts anonymisiert, tanzen sich die Seele aus dem Leib – mit einer unglaublichen Synchronizität und Ernsthaftigkeit. Keine Mätzchen, niemand fällt auch nur für einen Moment aus seiner Rolle, die keine Rolle ist, sondern sein Leben. Dem Beobachter beschert das einen Gänsehautmoment nach dem nächsten, wozu die Musik ihren Beitrag leistet – „designt“ von Sultan Ballan, unterstützt von Kasem Al Hariri auf der Arghul-Rohrpfeife, authentisch bis ins Detail.

Gestartet war man im März mit 46 Mädchen und Jungen. Bei der Stange blieben letztlich 16 im Alter zwischen 10 und 16 Jahren, sprich: „sehr kindlich bis pubertär ohne Ende“, deutet Engel an, mit welchen Schwierigkeiten sie es zu tun hatten. Dazu kam, dass die jungen Syrer „noch nie Demokratie leben durften, das ist in diesen Biographien nicht verankert“, so Herta Anna Schley. „Demokratie basiert auf Respekt“, den es zum Teil erst zu entwickeln galt. Fakt ist: Im Umgang miteinander hat sich vieles gewandelt, zieht die Schulleiterin ein erstes Resümee. „Das Schulklima ist anders geworden“, entspannter. „Klar frisst so etwas viel Geld, aber das ist gut angelegt.“ Ob und wie es mit dem Projekt weiter geht, sei unklar. „Da kommt noch richtig was auf uns zu“, glaubt Engel. Der nächste richtige Schritt für die Kinder wäre im Grunde eine Therapie. Denn traumatisiert sind sie alle: „Sie haben fast alle Tote gesehen, waren dabei, als Bomben gefallen sind. Khalid zum Beispiel ist ganz allein übers Mittelmeer gekommen.“ Es wird nicht reichen, „Wut, Trauer und Hilflosigkeit in Bewegung“ und damit zum Ausdruck – nach außen – zu bringen. Aber es ist ein richtig guter Anfang.

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