Bagger knabbert bereits an der Mauer Abschied vom  Völklinger Weißen Haus

Völklingen · Traditionsreiches Gebäude in der Innenstadt wird  abgerissen. Dann ist das Areal rund um den Ex-Kaufhof völlig abgeräumt.

 Der Bagger nagt bereits an der Begrenzungsmauer des Hinterhofes.

Der Bagger nagt bereits an der Begrenzungsmauer des Hinterhofes.

Foto: Karl-Heinz Schäffner

Das Weiße Haus stand bereits monatelang alleine in der Landschaft rund um den Völklinger Ex-Kaufhof. Umzingelt von Baggern. Und nun nagt einer dieser PS-Protze bereits an der Mauer des Hinterhofes.  Strom, Wasser und Fernwärme sind schon abgeklemmt. Schöne, alte Möbel, Fotoalben, Kisten voller Erinnerungsstücke wurden ausgeräumt. Das Haus ist durch die Fenster hindurch durchsichtig geworden.  Eigentümer Hans-Werner Westermann hat die Schlüssel an Oberbürgermeister Lorig übergeben. Der Abriss des Gebäudes Karl-Janssen-Straße 4 hat begonnen. Doch das wird nicht ganz einfach werden, erläutert Westermann.

Denn ein tonnenschweres Erinnerungsstück ist im Haus geblieben: der Tresor, in dem Generationen von Juwelieren und Goldschmieden ihre Wertsachen verwahrten. Wer den unversehrt heraushaben will, muss ihn wohl per Kran durch ein Loch in Dach und Decke nach oben herausheben. Und dann gibt es noch einen Luftschutzbunker, der sich unter dem Haus und dem Hinterhof hinzieht. Die Keller der Häuserzeile an der Karl-Janssen-Straße waren zu Kriegszeiten miteinander verbunden, und so war der Bunker auch geeignet, den Nachbarn Schutz zu bieten. Da werden die Abrissbagger schwer zu knabbern haben – „falls man nicht will, dass eine kleine Erhebung über dem Boden bleibt“ (Westermann).

Das Haus entstand zur Gründerzeit der Stadt gegen Ende des 19. Jahrhunderts. „Da war alles sehr solide gebaut“, bekräftigt Westermann. Mehr als 130 Jahre lang beherbergte das Gebäude ein Uhren- und Juweliergeschäft. Es überstand Kriege und eine Reihe verlockender Kauf­angebote – unter anderem bereits in den 1960er Jahren von der Familie Ostrolenk. Diese baute seinerzeit den (bereits 2008 abgerissenen) Kaufhof-Querriegel.

An der Front des Weißen Hauses steht nach wie vor in großen Lettern der Name „Albert Ehrhardt“. So hieß Hans-Werner Westermanns Großvater. Und es ist sein Elternhaus, in dem die Familie noch bis in die Mitte der 60er Jahre wohnte, bevor sie an den Kreuzberg umzog. Hans-Werner Westermann konnte und wollte die Handwerkstradition nicht fortsetzen. „Ich habe zwei rechte Hände, und ich bin Linkshänder“, gesteht er schmunzelnd. Mehr Glück hatte der Linkshänder dann bei der Handhabung der Justiz: „Da brauchte ich keinen Schraubenzieher.“ Er wurde Richter und war schließlich stellvertretender Direktor des Amtsgerichts Saarlouis.

Letzter Nutzer in der Karl-Janssen-Straße 4 des Gebäudes war Juwelier Wulf Scheffel. Scheffel zog angesichts drohender neuer Unbilden im März an die City-Promenade um. Denn schon beim Abriss des Kaufhof-Querflügels im Jahr 2008  hatte es, wie Westermann berichtet, Steine aufs Dach und in die Fenster gehagelt.

 Hans-Werner Westermann.

Hans-Werner Westermann.

Foto: BeckerBredel
 Einsam in der Landschaft rund ums Ex-Kaufhof-Areal: das so genannte Weiße Haus in der Karl-Janssen-Straße.

Einsam in der Landschaft rund ums Ex-Kaufhof-Areal: das so genannte Weiße Haus in der Karl-Janssen-Straße.

Foto: Karl-Heinz Schäffner
 In diesem tonnenschweren Tresor waren Gold und Schmuck sicher verwahrt.

In diesem tonnenschweren Tresor waren Gold und Schmuck sicher verwahrt.

Foto: BeckerBredel
 Diese noch gut erhaltene Treppe verband das Untergeschoss mit dem Obergeschoss.

Diese noch gut erhaltene Treppe verband das Untergeschoss mit dem Obergeschoss.

Foto: BeckerBredel
 Vergangene Pracht: ein früherer Wohnraum im Obergeschoss des Hauses.

Vergangene Pracht: ein früherer Wohnraum im Obergeschoss des Hauses.

Foto: BeckerBredel
 Hermetisch verschließbar: Die Eingangstür zum Luftschutzbunker im Keller.

Hermetisch verschließbar: Die Eingangstür zum Luftschutzbunker im Keller.

Foto: BeckerBredel

Die Stadt wollte ursprünglich nur einen Gutachter-Preis von um die 50 000 Euro für das Weiße Haus bieten. Dagegen sträubte sich Hans-Werner Westermanns Innerstes; für ihn war dies, wie er erläuterte, „eine Frage der Familienehre“. Nun sind laut Stadtverwaltung um die 150 000 Euro auf dem Familienkonto eingegangen. Und diese Familie umfasst aktuell vier Kinder und zehn Enkelkinder. Das Familienoberhaupt, Jahrgang 1944, auch als Vorsitzender des Fördervereins des Völklinger Altenheimes St. Josef sozial tätig,  hatte bereits angekündigt, dass er mit seinen Ahnen Rücksprache nehmen würde. Der Kontakt lief dann, wie Westermann erzählt, über einen Schwager in der Pfalz, der Urheimat der Familie Ehrhardt: „Das habe ich gut gemacht“, hat er nach eigenen Angaben erfahren. Das war nun doch eine recht ansehnliche Summe, und dies direkt  vor Weihnachten. Da drängt sich die Günther-Jauch-Frage auf, auch wenn die Million bei weitem nicht erreicht ist. „Wir werden alles in Ruhe verarbeiten. Ich bin gerade mühsam mit meinen Ahnen ins Reine gekommen. Da haben meine Nachfahren noch Zeit“, sagt Westermann – erneut schmunzelnd.

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