Der Neuanfang 1945 mit Bürgermeister Ernst Kunkel

Völklingen · Die Festschrift des Völklinger Ortsvereins skizziert hautnah die Geschichte der Menschen, die sich als Ziel mehr soziale Gerechtigkeit gesetzt hatten.

 Ernst Kunkel wurde Juni 1945 Völklinger Bürgermeister. Foto: Stadtarchiv

Ernst Kunkel wurde Juni 1945 Völklinger Bürgermeister. Foto: Stadtarchiv

Foto: Stadtarchiv

Große Verdienste hat sich die SPD über die Jahrzehnte erworben, das ist unstrittig. Oft haben die Menschen, die sich für soziale Ziele eingesetzt haben, viel riskiert, manche auch ihr Leben. Es ging um bessere Arbeitsbedingungen, besseren Lohn, bezahlbaren Wohnraum, mehr Rechte für Frauen, Alters- und Krankenversicherung, um nur einige Stichworte zu nennen. Für die Festschrift des Völklinger Ortsvereins haben Mitglieder viele Wochen und Monate damit zugebracht, Informationen über unsere Region zusammenzutragen. Im Zeitraffer hier einige Stationen:

Bis sich im März 1917 der SPD-Ortsverein Völklingen konstituieren konnte, musste noch viel Wasser die Saar hinunter fließen. Sozialdemokratische Umtriebe galten den Herrschenden als suspekt. Seit Oktober 1878 war das "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" in Kraft. Druckschriften, Vereine und Versammlungen konnten verboten werden. Gastwirten, Druckern konnte die Konzession entzogen werden. In der Saar-Region gründeten Unternehmer wie der Hüttenindustrielle Freiherr von Stumm mit Gleichgesinnten ein "Komitee der Arbeitgeber zur Bekämpfung der Sozialdemokratie". Dabei wuchsen die Probleme in den industriellen Ballungszentren. Mit dem Bergbau, der Hütte, der Fenner Glasfabrik vermehrte sich die Zahl der Einwohner. Die Löhne der oft kinderreichen Arbeiterfamilien waren gering, die Preise zu hoch. Wohnungsnot kam dazu. Vergeblich versuchten die Arbeiter durch Streiks und Forderungen ("Völklinger Beschlüsse") ihre Situation zu verbessern.

"Die fortschreitende materielle Verelendung schuf auch im Saargebiet die Atmosphäre, die aufnahmefähig für den sozialen und wirtschaftlichen Umsturz war", schrieb Karl Alfred Gabel. Am 1. März 1917 war es in Völklingen soweit, ein Ortsverein gründete sich. Bereits im Oktober 1920 geht aus einem Verzeichnis der Bürgermeisterei hervor, dass der Ortsverein 650 Mitglieder hatte, die USPD, die sich kurze Zeit zuvor abgespalten hatte (Streitigkeiten um den Kurs der Partei waren der Grund) hatte 670 Mitglieder. Bei Gemeinderatswahlen errang die SPD in Völklingen zehn von 30 Mandaten, die USPD nochmals weitere sechs. "Die Sozialdemokratie ist zu einem gewaltigen Einfluss gekommen. Aber falsch wäre, wenn man sich jetzt zur Ruhe begäbe", hieß es in einer Pressenotiz. Seit dem Einzug in den Gemeinderat bestimmte die Kommunalpolitik weitgehend die Aktivitäten des Ortsvereins, Sozialdemokraten engagieren sich in den Gewerkschaften. Daneben wandten sie sich gesellschaftlichen Themen zu: Preise, Lebenshaltungskosten, Frauen, Kinder, Lohn- und Tarifangelegenheiten.

Die Nazis tauchten 1930 in Völklingen auf. Bei der Gemeinderatswahl zwei Jahre später bekam die NSDAP bereits 787 Stimmen. Auch gemeinsam konnten SPD und KPD (hatte sich abgespalten von der USPD) nur wenig gegen den braunen Terror ausrichten. Antifaschisten wurden entlassen, von der Gestapo verfolgt, inhaftiert, viele flohen. Einer von ihnen war Hugo Brück, der seit 1932 den Ortsverein anführte. Mit der Besetzung Völklingens im März 1945 waren der Krieg und die Nazi-Diktatur zu Ende. Doch der Neuanfang war schwer: Alle Brücken über die Saar zerstört, mehr als 1000 Gefallene zu beklagen. Der Hüttenbetrieb stand noch still, viele Familien waren noch in der Evakuierung. Ernst Kunkel wurde im Juni 1945 von den Amerikanern als Bürgermeister ernannt, Beginn einer steilen Karriere. Er gehörte der Gesetzgebenden Versammlung an, die die Verfassung ausarbeitete. Mitglied des Landtags war Kunkel von 1947 bis 1955. 1955: Das Saarland wurde nach Abstimmung zehntes Bundesland. Auch in der Hüttenstadt votierte die Mehrheit für den Anschluss, 18 922 Völklinger.

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