Öffentlicher Personennahverkehr Frei ohne Auto, auch wenn es mal knirscht

Saarbrücken · Heidi Jung und Kurt Buser leben seit einem Jahr in Saarbrücken und wundern sich, dass man es Busnutzern hier nicht leichter macht.

 Kurt Buser und Heidi Jung, hier an der Saarbahnhaltestelle auf dem Rastpfuhl, sind begeisterte Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs.

Kurt Buser und Heidi Jung, hier an der Saarbahnhaltestelle auf dem Rastpfuhl, sind begeisterte Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs.

Foto: BeckerBredel

Der Tag, an dem Heidi Jung und Kurt Buser die Straßenbahn verpasst haben und fast zu spät in die Oper gekommen wären, ist schon fast 15 Jahre her. Aber die beiden können heute noch darüber lachen. Vor allem, weil dieser Abend in Hannover eine wichtige Entscheidung hat reifen lassen. „Die Bahn war weg, wir sind schnell zum Taxistand, und wir haben vergessen, dass ein paar Meter weiter unser Auto in der Garage stand“, erinnert sich Heidi Jung. „Da haben wir gemerkt: Es erübrigt sich, das Auto“, sagt Kurt Buser.

Seit 13 Jahren leben die 70-Jährige und der 76-Jährige nun schon ohne Auto. „Wenn wir sagen, dass wir kein Auto haben, fallen viele auf den Rücken vor Schreck. Aber was ich nicht brauche, macht mich reich“, sagt Kurt Buser. Das meine er nicht nur, aber auch materiell, sagt er und erklärt: „Wenn man ein Auto hat, ist das, wie wenn man ein Taxi bestellt, nur dass dann die Taxiuhr ständig läuft.“ Ein Auto koste nun mal Geld, egal, ob man gerade damit fährt oder nicht.

Es gehe aber nicht nur ums Sparen. Ohne Auto zu leben, sagt Heidi Jung, bedeute „Freiheit, auch wenn es manchmal knirscht“. Und in Saarbrücken knirschte es in letzter Zeit öfter mal. Wobei Heidi Jung und Kurt Buser damit nicht nur die Verspätungen und Busausfälle der vergangenen Monate meinen. Der Notfahrplan, der noch bis Ende des Monats gilt, sei dann doch sehr verlässlich gewesen. Ärgerlicher finden die beiden Rentner, die im November 2017 nach Saarbrücken, also in die Stadt, in der Heidi Jung aufgewachsen ist, gezogen sind, dass es mit der Kommunikation nicht immer klappt.

Die beiden bezeichnen sich als „begeisterte Öffi-Nutzer“. Ausgerechnet an Heiligabend kam ihnen die Begeisterung aber kurz abhanden. Heidi Jung und Kurt Buser wollten zu Bekannten ins Köllertal. Die haben vorgeschlagen, sie mit dem Auto abzuholen. Die beiden haben abgewunken. Das gehe sicher auch mit Bus und Saarbahn. Ging es nicht. Das Ärgerliche dabei: Es war nirgendwo ein Hinweis zu finden, wie Busse und Bahnen denn fahren. „Wir sind davon ausgegangen, dass der Sonn- und Feiertagsfahrplan gilt, sagt Heidi Jung.

Aber dann standen sie und ihr Mann gegen halb sechs  an der Haltestelle – und nichts passierte. Kein Aushang, kein Hinweis auf der elektronischen Anzeigentafel. Telefonisch gab es auch keine Hilfe. Nur eine Bandansage. Die Handy-App half auch nicht weiter. Erst zu Hause am Computer fanden die beiden dann nach einigem Suchen den Hinweis, dass an Heiligabend ab 16 Uhr nichts mehr geht mit Bus und Bahn.

Dass man einfach voraussetze, dass Menschen, vor allem Neubürger, die aus ihrer bisherigen Stadt ein besseres Busangebot kennen,  so etwas wissen und man keine Aushänge an den Haltestellen mache, wundert Heidi Jung und Kurt Buser. Was sie nicht wundert, ist, dass sich viele Menschen in Saarbrücken und dem Umland schwer damit tun, ohne Auto zu leben.

Es ist nicht das Angebot an sich. Es sind auch Kleinigkeiten, die die Busnutzung nicht so angenehm machen, wie sie sein könnte. „Mal wird in Bussen angesagt oder angezeigt, welche Haltestelle kommt, mal nicht“, nennt Kurt Buser ein Beispiel. Und das Wabensystem zu durchschauen, sei schon etwas für Fortgeschrittene.

„Was viele abhält ist aber auch der Preis“, sagt Kurt Buser. In Saarbrücken kostet eine Jahreskarte für den Stadtbereich 651 Euro. In Wien, wo das Nutzen von Bussen, Tram- und U-Bahnen deutlich komfortabler ist, kostet die Jahreskarte 365 Euro.

Nach gut einem Jahr in Saarbrücken merken die beiden nun, dass es ihnen „mehr und mehr unangenehm und peinlich ist“, im Freundes- und Bekanntenkreis von ihrer Liebe zum Bus- und Bahnverkehr zu erzählen. Aufgeben wollen Heidi Jung und Kurt Buser aber nicht. Der Verzicht aufs Auto war eine bewusste Entscheidung. Eine Entscheidung, die sie auch aus Sorge um die Umwelt getroffen haben. Und diese Entscheidung wollen sich die beiden nicht kaputtmachen lassen durch die Widrigkeiten des Lebens, die die Stadt, für die sie sich ebenfalls bewusst entschieden haben, weil die Kinder im Saarland wohnen, für Freunde des öffentlichen Nahverkehrs bereithält. „Wir wollen nicht das Leben entscheiden lassen, wie es weitergeht, das machen wir lieber selbst“, sagt Heidi Jung. Und lächelt schon wieder.

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