Demo für freies Internet Generation Internet rebelliert in Saarbrücken

Saarbrücken · 2000 aufgebrachte Menschen protestierten gegen die geplante Reform des Urheberrechts in der EU. Sie fürchten eine Zensur im Internet.

  Vor der Saarbrücker Europagalerie sprachen Vertreter verschiedener Parteien, aber auch parteilose Demonstranten zu den etwa 2000 Teilnehmern.

Vor der Saarbrücker Europagalerie sprachen Vertreter verschiedener Parteien, aber auch parteilose Demonstranten zu den etwa 2000 Teilnehmern.

Foto: BeckerBredel

Der Ärger, der sich am Samstagnachmittag bei schönstem Frühlingswetter auf den Straßen zwischen dem Saarbrücker Staatstheater und der Europagalerie entlud, war enorm. „Hohle Birnen“ und „alte Säcke“, die keine Ahnung haben, seien gerade dabei, das Internet kaputt zu machen – so lässt sich die Kernaussage des Protestes knapp zusammenfassen. Unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit hatten die Piratenpartei, die eigentlich schon vor Jahren in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden ist, und die Initiative „Save the Internet“ mobilisiert. Am Ende waren es nach Schätzungen der Polizei rund 2000 Menschen, die mit Trillerpfeifen, Transparenten und einer gehörigen Portion Wut im Bauch gegen die vom EU-Parlament und den EU-Staaten geplante Reform des Urheberrechts auf die Straße gingen.

Drei Tage vor der entscheidenden Abstimmung im EU-Parlament über die neue Richtlinie verlangten sie vor allem die Streichung des Artikels 13, wonach Plattformen künftig für Urheberrechtsverletzungen haften sollen. Sie bedeutet, dass Youtube, Google oder Facebook in Zukunft schon beim Hochladen überprüfen müssen, ob Inhalte geschütztes Material enthalten. Kritiker befürchten, dass dies nur über automatisierte Filter möglich ist und diese Filter Inhalte im Zweifel erst einmal blockieren.

Fotos: Demo für freies Internet in Saarbrücken
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Demonstration für freies Internet in Saarbrücken

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Foto: BeckerBredel

Upload-Filter seien sehr fehleranfällig, warnte der Landesvorsitzende der Piraten, Klaus Schummer. „Das freie Internet läuft Gefahr, zu einem Filternet zu verkommen.“ Er sprach von einer „Zensur-Maschinerie“.Es sind solche Begriffe, die Journalisten- und Verleger-Verbände sowie weitere Organisationen aus dem Kulturbereich verärgern. Sie versprechen sich von der neuen Richtlinie, dass es erstmals im digitalen Zeitalter eine „faire Anerkennung“ der Leistungen hunderttausender Medien- und Kreativschaffender gibt. Eine Einschränkung des Internets und eine Zensur schließen sie aus.

Doch das glauben die Demonstranten nicht. Um zu zeigen, dass da echte Menschen auf die Straße gehen und der Protest nicht von US-Konzernen gesteuert wird, skandierten sie des öfteren: „Wir sind keine Bots, wir sind keine Bots!“ Piraten-Chef Schummer, mit Mitte 40 schon einer der älteren bei der Demo, sagte bei der Kundgebung vor der Europagalerie zufrieden, die Befürworter der Richtlinie „können uns nicht mehr ignorieren und schon gar nicht mehr überhören“.

Die Stimmung war teilweise derart aufgeheizt, dass selbst die Aussage eines jungen Mannes am Mikrofon, ihn erinnerten Upload-Filter an die Bücherverbrennungen der Nazis, mit Applaus aufgenommen wurde. Der Protest richtete sich vor allem gegen die CDU. Stürmischer Beifall brandete auf, als die Landesvorsitzende der Satire-Partei „Die Partei“, Katharina Drängler, über „die verfickte CDU“ schimpfte. Die Demonstranten skandierten: „Nie mehr CDU, nie mehr CDU!“ Wobei eine oberflächliche Milieu-Studie nahelegte, dass der Großteil der Anwesenden vermutlich schon bisher wenig für die CDU empfunden haben dürfte.

In dieser Umgebung wagte sich der Saarbrücker OB-Kandidat der CDU, Uwe Conradt, ans Mikrofon. Conradt, von Beruf Medienjurist und Direktor der Landesmedienanstalt, versuchte erst gar nicht, die Demonstranten umzustimmen. „Ich weiß, dass viele hier wütend sind auf Mitglieder meiner Partei“, sagte Conradt. Die Urheberrechtsreform habe zwar das sinnvolle Ziel, die vielen Künstler fair zu vergüten. Dieses Ziel würde aber durch die „verkorkste“ Reform gar nicht erreicht. Conradt haderte damit, dass seine Partei sich erst spät, vor wenigen Tagen, klar gegen den Einsatz von Upload-Filtern positioniert hat. „Ich nehme euren Protest mit, ich habe es gehört. Ich kämpfe für die Meinungsfreiheit.“ Am Ende gab es freundlichen Applaus, aber auch Buh-Rufe.

Wesentlich leichteres Spiel vor den überwiegend jungen Demonstranten hatten die Vertreter anderer Parteien. Insa Meiser von den Jusos etwa sprach von „Zensur“, wenn die Richtlinie wie geplant umgesetzt werde. Denn die Vorgaben wären aus ihrer Sicht nur mit Upload-Filtern umzusetzen. „Denkt ihr, da sitzt jemand im Keller von Facebook und klickt sich durch jede Meldung durch?“

Der Linken-Landtagsabgeordnete Dennis Lander sagte, es sei nötig, die Rechte von Künstlern und Journalisten zu stärken. Es könne nicht sein, dass große Konzerne wie Google oder große Verlage wie Axel Springer das große Geschäft machten, während die eigentlichen Schöpfer leer ausgingen. Leider ändere die Urheberrechtslinie daran aber nichts. Die geplante Reform betreffe nicht nur Google oder Facebook, sondern alle, die täglich das Internet nutzen. „Es geht um unsere Freiheit“, sagte Lander. Von der AfD, die sich im Vorfeld ebenfalls gegen die Urheberrechtlinie gewandt hatte, war bei der Kundgebung nichts zu sehen.

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