SZ-Sommerinterview mit Annegret Kramp-Karrenbauer Bald Kanzlerin? „Die Frage muss ich ertragen“

Saarbrücken · Die Saar-CDU-Chefin verabschiedet sich bald aus der Landespolitik. Vorher wirft sie der SPD hier noch Blockade in der Koalition vor.

 Im Saarland schmeckt die Currywurst besser als in Berlin, findet Annegret Kramp-Karrenbauer. Als Ort für das SZ-Sommerinterview – ihr letztes als CDU-Landeschefin – hat sie sich deshalb die „Kalinski Wurstwirtschaft“ am St. Johanner Markt in Saarbrücken ausgesucht.

Im Saarland schmeckt die Currywurst besser als in Berlin, findet Annegret Kramp-Karrenbauer. Als Ort für das SZ-Sommerinterview – ihr letztes als CDU-Landeschefin – hat sie sich deshalb die „Kalinski Wurstwirtschaft“ am St. Johanner Markt in Saarbrücken ausgesucht.

Foto: Rich Serra

Nach ihrer Wahl zur CDU-Generalsekretärin im Februar hat Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Lebensmittelpunkt nach Berlin verlagert. Die 56-Jährige führt seitdem eine Pendler-Ehe, kommt vor allem an den Wochenenden ins heimische Püttlingen. Dieses SZ-Sommerinterview ist ihr letztes als Landesvorsitzende, da sie am 19. Oktober nach sieben Jahren den Vorsitz der Saar-CDU abgeben wird.

Ab wann hat sich für Sie angedeutet, dass Sie nach Berlin gehen?

KRAMP-KARRENBAUER Die Frage der Bundeskanzlerin kam während der Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Zunächst war die Rede von einem Ministeramt. Dann ist von mir die Idee eingebracht worden, als Generalsekretärin nach Berlin zu wechseln. Richtig fest wurde das erst, nachdem klar war, dass es eine Bundesregierung mit der SPD gibt, und in den Wochen danach.

Warum wollten Sie nicht ins Bundeskabinett?

KRAMP-KARRENBAUER Erstens war mein Eindruck nach der schwierigen Regierungsbildung, dass die Partei der Teil neben Regierung und Fraktion ist, um den man sich besonders kümmern muss. Der zweite Punkt ist: Wenn man als Ministerpräsidentin ins Bundeskabinett wechselt, dann macht man das in der Regel auch, um die Interessen des Landes künftig dort zu vertreten. Da aber schon zwei Saarländer im Kabinett sind, ist die Interessenvertretung dort gesichert.

Würden Sie eine Wette abschließen, dass die große Koalition im Bund bis zum Ende hält?

KRAMP-KARRENBAUER Alle Beteiligten haben ein hohes Interesse daran, dass die Regierung ihre Arbeit macht. Wir haben einen guten Koalitionsvertrag, aber der muss jetzt auch umgesetzt werden. Wenn es zu Neuwahlen käme, wäre Deutschland in einer entscheidenden Phase in Europa und in der Welt über Monate handlungsunfähig. Das kann niemand wollen.

Trauen Sie sich das Kanzleramt zu? Bitte sagen Sie jetzt nicht, die Frage stellt sich nicht, das tut sie ja sehr wohl irgendwann.

KRAMP-KARRENBAUER Meine Standard-Antwort ist: netter Versuch. Das wirkt in Berlin eigentlich immer. Die Abfolge ist klar: Wenn die Kanzlerin sich entscheidet, 2021 nicht noch einmal anzutreten, wird die CDU diskutieren, mit welchem Programm und mit welchem Spitzenkandidaten sie bei der nächsten Bundestagswahl antreten wird. Über alles, was dann zu entscheiden ist, werden wir diskutieren, wenn es so weit ist.

Aber der Kreis der möglichen Kanzlerkandidaten ist begrenzt, würden Sie da zustimmen?

KRAMP-KARRENBAUER Wir haben eine ganze Reihe von guten Kolleginnen und Kollegen, auch Ministerpräsidenten, die einer neuen Generation angehören.

Nervt es Sie, dass Sie ständig auf die Merkel-Nachfolge angesprochen werden?

KRAMP-KARRENBAUER Nein. Die Fragen muss man mit einer gewissen Gelassenheit beantworten. Und ertragen.

Wenn Sie sich die Auseinandersetzungen in der Landespolitik ansehen, denken Sie sich dann manchmal: Es ist gar nicht so schlecht, dass ich damit nichts mehr zu tun habe?

KRAMP-KARRENBAUER Diese Entscheidung habe ich für mich persönlich getroffen und die Partei hat sie mitgetragen. In der ersten Legislaturperiode war das große Ziel die finanzielle Existenzsicherung des Landes. Nachdem das gelungen ist, geht es nun um die Zukunftssicherung der Kommunen. Ich bin sehr froh, dass die CDU da dynamisch herangeht und eine Reihe von Vorschlägen gemacht hat. Der politische Wettbewerb in einer Regierungskoalition besteht darin, dass man sich in der Dynamik übertrifft. Da könnte die SPD ruhig noch eine Schippe drauflegen.

Dass das Klima in der Saar-Koalition nach Ihrem Weggang rauer geworden ist, würden Sie das auch so sehen?

KRAMP-KARRENBAUER Dass die SPD sich ihre Lehren aus der letzten Landtagswahl überlegt, die sie ja schon gewonnen glaubte, ist einerseits klar. Dass die SPD versucht, den Wechsel im Amt des Regierungschefs zur eigenen Profilierung zu nutzen, gehört auch dazu. Aber CDU und SPD sind gewählt worden, um die Hausaufgaben für das Land und seine Menschen zu machen. Die Bürger haben ein feines Sensorium dafür, wenn Themen blockiert werden, nur weil man sich einen parteipolitischen Vorteil davon verspricht.

Bei welchem Thema haben Sie den Eindruck, dass die SPD blockiert?

KRAMP-KARRENBAUER Insbesondere bei den Kommunen. Da haben die CDU und der Innenminister eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht. Ich hielte sehr viel davon, wenn man das als Paket verabschiedet, und zwar noch vor der Kommunalwahl, damit die Bürger und die Kommunalpolitiker Klarheit haben, was auf sie zukommt. Insofern würde ich mir wünschen, dass man das zweite Halbjahr nutzt, um zu Beschlüssen zu kommen.

Die SPD sagt das genaue Gegenteil: Der Innenminister tue zu wenig.

KRAMP-KARRENBAUER Ich habe von der SPD gehört, sie will die Saarland-Kasse so nicht, aber ich habe bisher noch keinen Vorschlag gehört, wie es anders gehen sollte. Der Vorschlag des Ministerpräsidenten ist ein sehr guter Vorschlag, der jederzeit angepasst werden kann, falls sich der Bund noch stärker bei den Kommunen engagiert.

Warum sollte der Bund helfen, wenn das Land sein eigenes Entschuldungsprogramm macht?

KRAMP-KARRENBAUER Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Es gibt im Bund die Ansicht: Warum sollen wir eigentlich die Hausaufgaben machen, die die Länder machen sollten?

Die SPD-Landesvorsitzende Anke Rehlinger erwartet im Saarland verstärkt Konflikte mit der CDU, wenn es darum geht, mehr Geld in die Bildung zu stecken. Sehen Sie das auch so?

KRAMP-KARRENBAUER Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, wo die Prioritäten liegen. Bildung ist eine dieser Prioritäten. Wenn es über das Vereinbarte hinaus Wünsche gibt, muss die Landesregierung das ausverhandeln. Das war schon immer so, und so wird das auch in Zukunft sein. Ich würde mal sagen: Je überzeugender die Vorschläge der SPD sind, desto schneller kommt man da zu einer Lösung.

Ein weiteres Konfliktfeld in der Koalition ist die LSVS-Affäre. Ist das ein besonderes Problem für die CDU, weil die handelnden Personen von der Sportabteilung im Innenministerium bis zum LSVS-Präsidenten alles CDU-Leute waren und sind?

KRAMP-KARRENBAUER Wir haben ein Sportförder-System mit einem sehr eigenständig, quasi autonom verfassten Saarsport, das über viele Jahrzehnte eine der Grundkonstanten im Saarland war. Natürlich war die Regierungspartei immer stärker in der Verantwortung, das war früher bei der SPD so und heute bei der CDU. Jetzt ist es wichtig, dass der Verband finanziell wieder Boden unter die Füße bekommt.

War es ein Problem, dass Politik und Sport zu eng verflochten waren?

KRAMP-KARRENBAUER Das ist im Vergleich zu anderen Bundesländern sicherlich eine saarländische Spezialität gewesen, über alle Jahrzehnte. Die Sportplanungskommission ist bewusst so aufgesetzt worden, dass nach Möglichkeit alle Fraktionen im Landtag daran beteiligt waren. Das hatte auch den Vorteil, dass sportpolitische Entscheidungen nicht parteipolitisch zerredet worden sind. Davon hat der Sport profitiert. Trotzdem muss man schauen, wie man die Strukturen so aufstellen kann, damit das, was zu der Krise geführt hat, für die Zukunft ausgeschlossen ist. Der Sport muss seine Autonomie beibehalten, aber der LSVS muss sich stark professionalisieren.

Sie waren als Innenministerin selbst jahrelang Rechtsaufsicht des LSVS. Haben Sie mal nachgedacht, ob Sie Verantwortung tragen?

KRAMP-KARRENBAUER Natürlich macht man sich seine Gedanken. Der Punkt ist: Eine Rechtsaufsicht ist relativ beschränkt und keine Fachaufsicht. Der Sport hat bei uns wie gesagt eine sehr hohe Autonomie. Wenn es keine klaren Hinweise gab, ist es sehr schwer, im Nachhinein zu sagen, was die Rechtsaufsicht hätte anders machen müssen.

Innenminister Klaus Bouillon hat vorgeschlagen, bei Saartoto nur noch einen Geschäftsführer zu beschäftigen und die Politik ganz herauszuhalten. Warum kann man nur als Politiker von CDU oder SPD Saartoto-Chef werden?

KRAMP-KARRENBAUER Das hat etwas damit zu tun, dass Saartoto eine Landesgesellschaft ist. Diejenigen, die dort Verantwortung getragen haben und es derzeit tun, haben das Vertrauen bei all den schwierigen Entwicklungen für Saartoto immer gerechtfertigt. Für mich überwiegen eindeutig die Vorteile des Vier-Augen-Prinzips. Nach den Vorfällen bei der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz haben wir es dort als Konsequenz eingeführt, was sich bewährt hat.

Warum schreibt man die Stellen nicht einfach aus?

KRAMP-KARRENBAUER Es gibt sicherlich verschiedene Wege, wie man das machen kann. Das muss die Regierungskoalition besprechen und entscheiden.

Könnten Sie sich vorstellen, als ehemalige Ministerpräsidentin irgendwann in den Landtag zurückzukehren, wie Oskar Lafontaine das gemacht hat?

KRAMP-KARRENBAUER Nein, alles hat seine Zeit. Ich habe ja nicht erst seit 2011 als Ministerpräsidentin Verantwortung getragen, sondern schon seit 2000 als Ministerin. Das war eine wunderbare Zeit, aber diese Phase ist beendet.

Was haben Sie gedacht, als Sie Oskar Lafontaine als Oppositionsführer erlebt haben?

KRAMP-KARRENBAUER Ich habe gedacht, die Linken können froh sein, dass sie ihn noch haben. Es muss jeder für sich persönlich entscheiden, wann er den Abschied aus der Politik sucht und wie. Bei Oskar Lafontaine ist es augenscheinlich so, dass er weiter Politik machen will. Ich habe nicht den Eindruck, dass er besonders unglücklich damit ist.

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